Landwirtschaft: Nur Krümel fürs Klima
Wer ist Corona-Verlierer?
Maria Burgstaller von der Arbeiterkammer ist empört: „Ich kann nur sagen: Wahnsinn!“, so die Landwirtschaftsexpertin im Gespräch mit MOMENT. Denn ausgerechnet die Landwirtschaft gehöre „sicherlich nicht zu den Corona-VerliererInnen.“ Dass die Maßnahmen dennoch vor diesem Hintergrund verkündet werden, ärgert sie.
In der Tat erscheint es eigenwillig, weshalb wegen Corona bäuerliche Pensionen um 450 Euro im Jahr steigen sollen. Oder warum junge LandwirtInnen bei den Beiträgen für die Pensionsversicherung entlastet werden sollen. Burgstaller ärgert das auch vor einem anderen Hintergrund: „Der Staat zahlt ohnehin schon 80 Prozent der Pensionen in der Landwirtschaft.“ Und: Während LandwirtInnen nur 160 Millionen Euro in den staatlichen Steuertopf einzahlen, erhalten sie 2 Milliarden jährlich an Förderungen – plus EU-Förderungen.
Nun könnte man argumentieren, dass es angesichts von Corona umso mehr Sinn macht, sie möglichst rasch umzusetzen, um der Branche ebenso unter die Arme zu greifen, wie es die Regierung bei so vielen anderen momentan auch tut. Hier aber hakt AK-Expertin Burgstaller ein. Denn anders als so viele andere Branchen habe die Landwirtschaft bei weitem nicht so stark unter dem wirtschaftlichen Lockdown gelitten. Genauso wie andere Branchen gab es auch für sie staatliche Unterstützung.
Erntehilfen einfliegen reicht nicht
Direktvermarkter etwa in Wien konnten von Corona sogar profitieren, gibt Burgstaller zu bedenken. Und auch der große Aufschrei der Landwirtschaft nach Schließung der Grenzen wurde erhört und ErntehelferInnen eingeflogen. „Zum Teil wurden die „einheimischen“ Arbeitskräfte, die gerne eingesprungen wären, abgelehnt, da sie nicht zu denselben Bedingungen arbeiten sollten wie jene, die aus Rumänien oder der Ukraine kommen“, berichtet sie. Wie unwürdig diese für manche sind, zeigt ein aktueller Bericht des Falter, auf den auch Burgstaller verweist.
Auch der Tourismus, den viele im Nebenerwerb betreiben, sei noch vergleichsweise glimpflich davongekommen: „In der Corona-Zeit war Vermietung nicht möglich, aber dafür gab es ja einen Härtefallfonds“, so Burgstaller, und sie ergänzt: “obwohl diese Betten in den Monaten März bis Mai in vielen Gegenden ohnehin wenig gebucht sind.“ Zudem rechnet die AK-Expertin mit einem Zuwachs für den ländlichen Tourismus gerade wegen Corona.
Beim Kerngeschäft der LandwirtInnen wiederum zeigt sich eine andere Entwicklung. Zwar habe es durchaus Preisschwankungen bei manchen landwirtschaftlichen Produkten gegeben, so Burgstaller. Von massiven Preiseinbrüchen könne keine Rede sein, vielmehr hätten sich die Schwankungen in einem Rahmen bewegt, wie er am Weltmarkt immer wieder vorkomme. Zudem habe auch die EU unterstützend eingegriffen, um Preise zu stabilisieren. Bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace verweist man darauf, dass die Preise im Zuge der Corona-Krise sogar gestiegen sind: “Lag die monatliche Teuerung für frische Lebensmittel EU-weit im Jänner noch bei 2,3 Prozent, waren es im April schon 7,6 Prozent.“ Von daher ist eine andere Landwirtschaftspolitik auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, nicht nur des Klimaschutzes.
Sozial gerecht?
Die soziale Gerechtigkeit ist denn auch das größte Manko des von der Regierung vorgelegten Pakets. Es profitieren insbesondere große Betriebe. Oder um es anders auszudrücken: es wird jene Landwirtschaft entlastet, die vor dem Hintergrund der Klimakrise dringend reformiert gehört. Es ist eine Kritik, die man auch bei Via Campesina, der Vereinigung österreichischer Berg- und KleinbäuerInnen, teilt. Die Erhöhung der bäuerlichen Pensionen begrüßt Julianna Fehlinger zwar ausdrücklich: “Für Pensionistinnen – und ich sage bewusst -innen mit kleinem “I” – ist das sehr sinnvoll”, sagt Julianna Fehlinger im Gespräch mit MOMENT. “Denn viele von ihnen haben eine sehr niedrige Pension.“ Auch ist ihr wichtig zu betonen, dass die Maßnahmen sehr wohl auch kleinen Betriebe etwas nutzen. Das große Aber: “Viel stärker profitieren die Großen und Supergroßen. Das kritisieren wir scharf”, so Fehlinger. Die Expertin spitzt es folgendermaßen zu: “Da sieht man eben den türkis-grünen Kompromiss: Es gibt kleine Krümel für die kleinen Betriebe, und für die großen Betriebe ist es viel leichter, Förderungen abzuholen.” Die Konsequenz: “Die Landwirtschaft wird zum Wachstum getrieben.” Mit all den negativen Folgen für das Klima und die Lebensmittelversorgung in Österreich – und für die kleinen Betriebe, die unter schwierigen Bedingungen wirtschaften und von denen es zudem immer weniger gibt.
Der Lockdown hat in manchen Regionen aufgezeigt, welche negativen Folgen die “extensive”, großflächige Form des Wirtschaftens hat – und wie die Natur geradezu aufatmete. Umso wichtiger wäre es also, dass man gerade in der Land- und Forstwirtschaft die Corona-Krise als die vielzitierte Chance nutzt. Liest man sich die nun vorgestellten Maßnahmen der Regierung aber durch, so lesen sie sich großteils wie ein „Weiter wie bisher“.
Lesetipp: Greenpeace hat eine neue Studie zum Thema Lebensmittelversorgung in Österreich und die nötigen Reformen in der Landwirtschaft vorgestellt.