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Arbeitswelt

Licht aus bei ATB in Spielberg? Die Ohnmacht und die Wut

Beim Motorenhersteller regt sich Widerstand, weil der Betrieb abgedreht werden soll. Der Mutterkonzern will es so. Anderswo spielte sich das bereits genauso ab.
 
Beim Motorenhersteller ATB in Spielberg probt die Belegschaft den Aufstand: Es geht um ihre Jobs und um den gesamten Standort. In der Fabrik in der Steiermark soll der Betrieb abgedreht, die Maschinen abmontiert und woanders wieder aufgebaut werden. Der Mutterkonzern will es so. Anderswo spielte sich das bereits genauso ab. Ein Lehrstück in globalisiertem Kapitalismus.

Wut in Spielberg! Dort soll die Produktion von Elektromotoren bei der ATB Spielberg GmbH abgedreht werden. Und von jetzt auf gleich sollen offenbar 360 MitarbeiterInnen ihren Job verlieren. Vor dem Werkstor und auf dem Gelände protestierten am Mittwoch rund 1.000 Beschäftigte, deren Familienmitglieder und Menschen, die sich mit ihnen solidarisch zeigten. Beobachter sprachen von einem ohrenbetäubenden Hup- und Pfeifkonzert in Richtung Geschäftsführung. „Von den Kündigungen sind 1.200 Familienmitglieder betroffen. Das muss verhindert werden“, sagte Betriebsrat Michael Leitner.

Schon am Montag gab es Proteste. Eine Aktion der Geschäftsführung sorgte für Wut und Unverständnis: Die Belegschaft des Betriebes hatte eine Betriebsversammlung abhalten wollen. Doch die Chefetage setzte eine eigene Versammlung an, mit Anwesenheitspflicht für die Belegschaft. Dort wurden dann einzeln Kündigungen ausgesprochen.

Ende Juli wurden erst die 360 MitarbeiterInnen beim AMS zur Kündigung angemeldet. Dann meldete der Betrieb Insolvenz an und eröffnete ein Sanierungsverfahren. Laufend gebe es Versammlungen, bei denen Kündigungen ausgesprochen werden. Schon am Montag protestierten 250 ehemalige Beschäftigte vor dem Werkstor dagegen.

Volle Auftragsbücher, aber Produktion soll verlagert werden

Noch wird im Werk an Elektromotoren geschraubt, aber nur auf Sparflamme. „Und das bei vollen Auftragsbüchern bis Jahresende“, wundert sich Leitner darüber. Die Gewerkschaften nannten die Ankündigung, dass 40 Arbeitsplätze im Werk erhalten werden sollen „reine Augenauswischerei“. Die Gewerkschafter Hubert Holzapfel und Christian Jammerbund sagten, das Sanierungsverfahren sei „in Wahrheit eine knallharte Schließung und Arbeitsplatzvernichtung“. Und: Die SteuerzahlerInnen würden „noch die Verlagerung der Produktion mitfinanzieren.“

Hintergrund: Der Maschinenpark der ATB Spielberg soll aus der Konkursmasse des Unternehmens herausgelöst werden und in andere Werke der ATB-Gruppe in Serbien und Polen transportiert werden. Die gehört vollständig dem chinesischen Wolong-Konzern. Wenn die Maschinen verkauft werden, „ist die Basis des Werkes weg, und das bedeutet das Aus für ATB Spielberg“, sagte Michael Leitner. Noch bevor das Sanierungsverfahren offiziell im Oktober beginnen soll, wären damit Tatsachen geschaffen, die es sehr unwahrscheinlich machen, dass es in Spielberg weitergeht. Denn eine Fabrik ohne Maschinen ist für potenzielle Investoren wenig attraktiv.

Wir wollen alles unternehmen, um den Abtransport zu verhindern.
Josef Pesser, Arbeiterkammer Steiermark

„Das schlägt für mich dem Fass den Boden aus“, sagte der steirische AK-Präsident Josef Pesserl. Man wolle „alles unternehmen, um den Abtransport zu verhindern“. Seien die Maschinen einmal weg, würde sich niemand mehr für die „Hülle“ in Spielberg interessieren. Zumindest in dieser Woche waren die Maschinen noch da.

Bei der Demonstration waren auch die steirische Landtagspräsidentin Manuela Khom (ÖVP) und Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) vor Ort. Kampus sagte, sollte das Werk nicht weitergeführt werden, werde das Land zur Verfügung stehen. Von der Bundesregierung gab es bisher keine Signale, Betriebsratschef Leitner kritisierte die „Totenstille“ aus Sebastian Kurz‘ Kanzleramt. Mirko Kovats, Chef des früheren ATB-Eigners A-Tec Industries, kritisierte die Schließung. In einer Aussendung vermutet er „eine offensichtlich langfristig geplante Schließungsstrategie nach erfolgtem Technologietransfer“.

Geben Sie uns fünf Jahre Zeit, dann werden wir ATB weltweit zur Nummer 1 der Branche gemacht haben.
Jiancheng Chen, CEO Wolong

Die bevorstehende Schließung des Werkes in der Steiermark könnte ein Lehrstück für gelebte Wirtschafts-Globalisierung sein. Weite Rückblende: Die A-Tec hatte die ATB Spielberg 2001 von der staatlichen Gesellschaft für Industriebeteiligungen übernommen. 2011 ging der Mischkonzern von Kovats pleite. Als Abnehmer von ATB stellte sich Wolong aus China vor. Um „bis zu“ 105 Millionen Euro erwarb der Konzern die ATB und übernahm auch weitere Standorte in Deutschland, Polen und Großbritannien.

Angeblich hatte man Großes vor: In fünf Jahren sollte der Umsatz verdoppelt werden, der Gewinn vor Steuern (EBITDA) sogar schon in drei Jahren.
„Für den Standort Spielberg garantiere ich Ihnen in Zukunft Gewinne“, sagte Wolong-Chef Jiancheng Chen. Er gab eine Standort- und Arbeitsplatzgarantie ab. „Geben Sie uns fünf Jahre Zeit, dann werden wir ATB weltweit zur Nummer 1 der Branche gemacht haben.“

Drei Jahre nach Übernahme waren Umsatz und Gewinn gesunken

Die Versprechen wurden nicht gehalten: Drei Jahre später war der Umsatz mit knapp 336 Millionen Euro sogar um eine Million Euro niedriger als noch im Jahr 2011, heißt es im Geschäftsbericht von 2014. Auch der Gewinn sank um eine Million Euro auf 20 Millionen. Für die Jahre danach veröffentlichte das Unternehmen auf seiner Website keine Geschäftsberichte mehr.

In der deutschen Niederlassung von ATB in Mönchengladbach lief bereits vor drei Jahren ab, was jetzt in Spielberg passiert: Insolvenz, Entlassungen, Verlagerung der Produktion, Technologietransfer. Der dortige Betriebsratsvorsitzende Olaf Caplan schilderte im vergangenen Jahr in einem Interview, wie das ablief. „Längst überfällige Investitionen in den Maschinenpark und die Infrastruktur“, wollte man tätigen, so Caplan. Der Standort und die Arbeitsplätze sollten bestehen bleiben, so die Garantie. Doch es kam anders. „Letztendlich geht es um einen Know-how-Transfer und die Verlagerung zunächst von Komponenten und letztendlich kompletter Produkte“, sagte Caplan.

Analysen ergaben, dass wir in vielen Bereichen schneller, besser und günstiger wären als wir es jetzt mit der Produktion in Serbien und China sind.
Olaf Caplan, ATB-Betriebsratschef im Werk Mönchengladbach

In China und Serbien wurde vorproduziert, in Mönchengladbach nur noch endmontiert. Das reichte fürs Label „Made in Germany“. Caplan berichtete von „katastrophalen Qualitätsmängeln“ bei den gelieferten Komponenten. Und ob es überhaupt wirtschaftlich war, die Produktion so auszulagern, sei zweifelhaft gewesen. „Durch den Betriebsrat durchgeführte Make-or-Buy-Analysen ergaben, dass wir in vielen Bereichen sogar schneller, besser und günstiger wären als wir es jetzt mit der Produktion in Serbien und China sind“, sagte Caplan.

In Mönchengladbach verloren rund die Hälfte der 570 MitarbeiterInnen ihren Job. In der Steiermark sieht die Situation noch dramatischer aus: Die Geschäftsführung macht keinen Hehl daraus, dass bei ATB bald Schluss sein wird. Die Produktion an anderen Standorten solle so rasch wie möglich starten, bis Ende des Jahres alle Maschinen verlagert werden.

Dann wird es wohl heißen: Licht aus in Spielberg!

 

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