print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Ungleichheit
Kapitalismus

Martin Kocher zu Vermögenssteuern: „Die gibt es in Österreich“

Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) bei einer Pressekonferenz
Der von der ÖVP ins Amt geholte Arbeitsminister Martin Kocher. // Foto: Helmut Fohringer / APA
"Es gibt Vermögenssteuern in Österreich", sagt Arbeitsminister Martin Kocher. Und es brauche auch keine weiteren Abgaben auf Vermögen um die Kosten der Coronakrise zu bewältigen. Aber wieviel an Vermögenssteuern müssen Reiche in Österreich heute zahlen? Die Antwort: Extrem wenig, auch im internationalen Vergleich. Als Kocher noch nicht Minister war, konnte er höheren vermögensbasierten Steuern durchaus noch etwas abgewinnen.

Die Coronakrise zu bewältigen, bringt Österreichs Finanzen in mächtige Schieflage. Rund 68 Milliarden Euro betragen die bereits ausgegebenen oder eingeplanten Coronahilfen in Österreich. Geld, das auch irgendwo herkommen muss. In der ORF-Pressestunde am vergangenen Sonntag lehnte der von der ÖVP ins Amt geholte Arbeitsminister Martin Kocher ab, die Krise auch mithilfe höherer Steuern auf Vermögen und Vermögende zu bewältigen. „Es gibt Vermögenssteuern in Österreich“, fiel Kocher dabei als erstes Argument gegen Vermögenssteuern ein.

Vermögenssteuern fallen kaum ins Gewicht

Das stimmt. Es gibt Vermögenssteuern, etwa die Grundsteuer, in Österreich. Allerdings sind die so gering, dass sie kaum ins Gewicht fallen. Nur 0,5 Prozent hoch ist der Anteil vermögensbasierter Steuern am BIP in Österreich. Das ist im Vergleich mit anderen Industrieländern extrem wenig.  

Seit Jahrzehnten immer weniger Vermögenssteuern

Vermögensbasierte Steuern sind in den vergangenen Jahrzehnten immer weniger geworden. Derzeit sind schmale 0,2 Prozent Steuer auf Grundbesitz in Österreich fällig. Die Steuer auf Vermögen wurde 1993 abgeschafft, die Erbschaftssteuer gibt es seit 2007 nicht mehr. Kein Wunder, dass vermögensbasierte Steuern nur noch etwas mehr als 1 Prozent zu den gesamten Steuereinnahmen beiträgt. Mitte der 1960er Jahre waren es noch 4 Prozent.

Hohe Abgaben auf Arbeit

Dagegen ist Einkommen aus Arbeit in Österreich stark mit Abgaben belastet und hoch besteuert. Wer hierzulande im Jahr 2018 Durchschnittslohn verdiente, musste 47,6 Prozent davon als Steuern und Abgaben leisten. Verglichen mit anderen Industrieländern ist die Quote der Abgaben auf Arbeit in Österreich hoch.

Coronahilfen: Arbeit bezahlt sie, Unternehmen bekommen sie

Die Folge von wenig Steuern auf Vermögen und hohen Steuern und Abgaben auf Arbeit: Drei Viertel der Milliarden an Coronahilfen zahlen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Nur 9 Prozent der Hilfen kommen aus Steuern auf Vermögen oder Unternehmensgewinnen. Diese sogenannte Körperschaftssteuer wurde zuletzt 2005 gesenkt und soll in den nächsten Jahren weiter gesenkt werden: von 25 auf nur noch 21 Prozent.

Obwohl Unternehmen und deren vermögende Besitzerinnen und Besitzer also viel weniger dazu beitragen, erhalten sie den größten Anteil der Corona-Hilfsgelder, wie das Momentum Institut errechnete. Insgesamt 42 Milliarden Euro, also fast zwei Drittel aller Hilfsgelder, kamen den Unternehmen zugute. Das Institut empfiehlt deshalb, das Steuerwesen ausgeglichener zu machen und Steuereinnahmen von Arbeit auf Vermögen umzuverlagern. Das könne man über Steuern machen, die auf hohe Erbschaften, Vermögen, Vermögenszuwächse, Unternehmensgewinne, Grund, Boden und Immobilien erhoben werden.

Kocher: Vermögenssteuern stehen nicht im Regierungsprogramm

Der Arbeitsminister und frühere Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS) Kocher möchte dies offenkundig offenkundig nicht. Eine weitere Vermögenssteuer-Kompenente einzuführen „steht nicht im Regierungsprogramm und deswegen steht es im Moment nicht auf der Tagesordnung für mich“, sagte Kocher in der ORF-Pressestunde. Allerdings: Im Regierungsprogramm stand auch nichts vom Ausbruch einer Pandemie und einer daraus folgenden tiefgreifenden Wirtschaftskrise, deren Auswirkungen jetzt bekämpft werden muss.

Ich kann die Kritik verstehen, dass Reiche zu wenig zahlen.
Martin Kocher, damals IHS-Chef, 2019

Übrigens: Als Kocher noch nicht Minister war, sagte er im Gespräch mit MOMENT, er könne die Kritik verstehen, „dass Reiche zu wenig zahlen“. Eine Sondersteuer für Reiche sehe er zwar skeptisch, aber: „Wenn Vermögen besteuert werden soll, dann bietet sich Grund und Boden dafür an“, plädierte Kocher damals dafür, die Grundsteuer zu erhöhen. Denn: „Das ist alles schon fertig. Wir müssen nur die Sätze erhöhen und hätten so höhere Steuern auf Vermögen“, Mit den Einnahmen könne man dann „die Steuern auf Arbeit verringern“. Davon profitiere vor allem „die Mittelschicht, die nicht allzu viel Vermögen hat“, sagte Kocher damals noch.

Weiterlesen:

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 0 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag!