print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Arbeitswelt
Kapitalismus

Mieser Lohn für harte Arbeit: "Ich will nie wieder als Bäcker arbeiten"

Ein ehemaliger Bäcker erzählt von den Arbeitsbedingungen im Betrieb. Wer den Beruf attraktiver machen möchte, muss die Bedingungen verbessern und die Arbeit fair bezahlen.

Peter (*Name der Redaktion bekannt) hat seinen Traumberuf Bäcker gelernt. Heute sagt er: Ich möchte nie wieder in diesem Beruf arbeiten. Die Arbeitsbelastung ist hoch, der Grundlohn niedrig.

Ich wollte schon früh Bäcker werden, mich hat die Idee fasziniert, dass man mit seinen Händen was erschaffen kann. Es ist ein echtes Handwerk mit großer Liebe zum Detail. Ich war darum sehr froh, als ich mit 15 Jahren die Zusage für meine Lehrstelle als Bäcker bekommen habe. Schnell habe ich festgestellt, dass es ein richtig harter Job ist. Zuerst hatte ich einen Chef, der hat auf seine Lehrlinge viel Rücksicht genommen. Er hat uns wertschätzend behandelt und Acht gegeben, dass wir nicht kaputt gehen.

Unbezahlte Überstunden sind gang und gäbe

An den harten Arbeitsbedingungen konnte er auch wenig ändern. Als Bäcker arbeitet man sechs Tage die Woche von Montag bis Samstag. Selbst den freien Sonntag hat man nicht völlig für sich, denn um 23 Uhr muss man wieder in die Schicht. Im ersten Lehrjahr habe ich täglich um 4 Uhr früh begonnen, auch samstags. Im zweiten Lehrjahr hat meine Schicht um 2 Uhr früh begonnen, im dritten dann um 23 Uhr. Heim gehen konntest du im letzten Lehrjahr erst, wenn die Arbeit fertig war, die Überstunden wurden den Lehrlingen schlicht nicht bezahlt. Die wurden einfach nicht aufgeschrieben. Das ist gang und gäbe in der Branche, den allermeisten meiner Berufsschulkollegen ging es genauso. Es wehrt sich auch kaum jemand, die meisten fürchten ja, dass der Chef sie nach der Lehre nicht übernimmt, wenn sie eine korrekte Zeitaufzeichnung einfordern.

Die Arbeit ist körperlich schwer belastend

Die Schicht ist körperlich harte Arbeit, du stehst viele Stunden an einem Tisch und bereitest händisch aus dem Teig die Semmeln, Weckerln, Kipferln oder Brote zu. Wer das einmal zu Hause hat, findet das vielleicht romantisch, aber nach 8 Stunden Handsemmel flechten, fallen dir die Finger ab. In der Backstube hat es knapp 40 Grad, weil die Öfen natürlich eine Menge Hitze verbreiten. Die Fenster darf man wegen der Hygiene-Vorschriften nicht öffnen, in den kleineren Betrieben gibt es oft keine Klimaanlage. In meinem Lehrbetrieb gab es ebenfalls keine. Wie jeder stehende Beruf geht auch der Bäckerberuf auf Beine und Rücken, viele ältere Kollegen haben Probleme mit ihrer Wirbelsäule. Man schleppt ja auch die ganze Nacht schwer: Volles Blech rein, volles Blech raus, die Säcke mit den Zutaten für die Teige, wie Mehl oder Salz haben 25 Kilo, die stemmt man über die Schulter und füllt es dann in die Mischmaschine. Für echte Berufskrankheiten sorgt außerdem die hohe Staubbelastung durch Mehl und Zucker: Das geht auf die Lunge, macht aber auch die Zähne kaputt. Atemmasken sind nicht vorgeschrieben, in einem männerdominierten Arbeitsumfeld werden Sicherheitsmaßnahmen auch eher belächelt als ernst genommen. Dich als einziger mit Maske in die Schicht zu stellen, hältst du auch nicht durch.

Jeder Krankenstand könnte den Rausschmiss bedeuten

Längere Krankenstände kann sich ein Bäcker übrigens nicht leisten. Wer einen Tag fehlt, wird bereits angerufen, ob er am nächsten Tag eh wieder da ist. Niemand muss es aussprechen, aber jeder Bäcker weiß: Der Chef kann von einen auf den nächsten Tag kündigen. Da ist es auch egal, wie lange schon du dabei bist, jede Grippe kann heißen, du bist weg. Es gibt so gut wie keine Sicherheit und das wird eben auch ausgenutzt.

Am Ende der Nacht ist man fix und fertig, verschwitzt, voller Teig und Fülle. Am Weg heim sieht man in der Winterzeit kurz die Sonne, dann haut man sich hin, wenn man wieder aufsteht, ist die Sonne längst untergegangen. Über Wochen sieht man kaum Tageslicht. Dabei ist Herbst und Winter die richtig harte Zeit für die Bäcker: Neben dem normalen Geschäft kommen die Weihnachtsbestellungen dazu. Die Wochenarbeitszeit liegt ab Oktober bei 60 Stunden und mehr. Das habe ich als Geselle kaum ausgehalten. Die vielen Stunden werden zwar aufgezeichnet, aber am Ende der Woche in bar und schwarz ausbezahlt. 10 Euro gab es in meinem Laden pro Überstunde.

Wegen der Nacht- und Frühzulage ist das Gehalt eines Bäckers eigentlich in Ordnung, das Grundgehalt ist extrem niedrig. Weihnachts- und Urlaubsgeld wird natürlich ohne die Zulagen ausbezahlt, das ist dann schon bitter.

Wer es rausschafft, blickt nicht zurück

Alles Geld der Welt macht aber nicht wett, dass man mit der 6-Tage-Woche und der Nachtschicht kaum einen Freundeskreis haben kann, von einer Familie ganz zu schweigen. Die anderen gehen schön aus, du musst dich in die Schicht verabschieden. Und wer Kinder hat, muss eine Partnerin haben, oder einen Partner, der fast alles allein stemmt. Das ist auf Dauer einfach kein Leben. Ich selbst habe nach meiner Gesellenzeit auch in die Süßwaren-Produktion gewechselt. Ich stelle heute Fertigteige her, zum Beispiel für Strudel. Mit meinem gelernten Handwerk hat das nur noch entfernt zu tun, dafür habe ich geregelte Arbeitszeiten, eine Kündigungsfrist, kann mich darauf verlassen, dass meine Überstunden auch ordentlich abgerechnet werden. Viele meiner Kollegen sind gelernte Bäcker: Keiner will zurück.

 

 

Dafür braucht es MOMENT – und dich

MOMENT ist als junges Magazin angetreten, um in der Medienlandschaft den Interessen und Perspektiven der Vielen Gehör zu verschaffen, die es sich nicht immer richten können. Während andere Medien zum Beispiel bei Themen wie dem Personalmangel in Bäckereien und anderen Niedriglohnbranchen vor allem mit Unternehmen sprechen (die das Problem natürlich nicht bei sich sehen), kommen bei uns auch die wirklich betroffenen Menschen und ihre Sicht der Dinge zu Wort.

Damit wir diesen Journalismus als unabhängiges Magazin machen können, lassen wir uns nicht von Parteien, Konzernen und MilliardärInnen finanzieren. Deshalb sind wir auf die Unterstützung möglichst vieler Menschen angewiesen. Wenn du es dir gerade leisten kannst, unterstütze uns doch bitte mit einer Spende. Eine monatliche Unterstützung erleichtert dabei unsere Planung, aber wirklich jeder Euro hilft. Danke.

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 0 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag!