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Arbeitswelt
Ungleichheit

Wie man Rechtsextreme entschuldet und ihre Opfer beschuldigt

Illustration von Nats Analyse.

Letzte Woche gab Friedrich Merz ganz offiziell bekannt, was ohnehin offensichtlich war: Er bewirbt sich ganz offiziell um den Vorsitz (und damit auch als Spitzenkandidaten) der CDU.

Vergangene Woche startete Friedrich Merz seine Kandidatur um den Vorsitz der deutschen Konservativenpartei CDU. Bemerkenswert war daran einiges – unter anderem sein Plan gegen den mörderischen Rechtsextremismus. Der war durch den Terroranschlag von Hanau aktuell geworden, wo ein Rechtsextremer zehn Menschen tötete. 

Merz sagte nun: Um den Rechtsextremismus zu bekämpfen müsse die „Clan-Kriminalität“ eingedämmt werden. „Clan-Kriminalität“ ist kein speziell deutsches Codewort für Nazis, es ist ein Wort für eine spezielle Bandenkriminalität, die von Gruppen mit Migrationshintergrund ausgeführt wird.

Nix gegen die Bekämpfung dieser Art von Kriminalität. Aber keine Woche nach dem rassistischen Terroranschlag von Hanau wird mit so einer Erklärung die Ursache von Rechtsextremismus bei MigrantInnen selbst gesucht.

Das ist nicht neu. Immer wieder gibt es Trendwörter, die bemüht werden, mit denen angeblich den Rechtsextremen der Wind aus den Segeln genommen wird. Vom Kopftuchverbot bis zur Bekämpfung der Clan-Kriminalität ist die Idee, die dahinter steckt: Wenn wir (Konservative, SozialdemokratInnen etc.) die Sorgen „der Leute“ jetzt endlich ernst nehmen und mit harten Ansagen „lösen“, dann wenden sich „die Leute“ von den Rechtsextremen ab und wählen uns. 

Die Ursache des Rechtsextremismus wird auf diese Weise mit MigrantInnen verknüpft. Dabei bleibt unklar, wer das denn genau ist. Der Begriff ist offen. Er meint nicht nur Personen, die sich selbst als MigrantInnen sehen, sondern auch jene, die dazu gemacht werden. Der Begriff wird so zur emotionalen Kategorie. Ein (objektives oder vermeintliches) Fehlverhalten dieser MigrantInnen wird zum angeblichen Auslöser von Rechtsextremismus.

Clan-Kriminalität ist in diesem Denken plötzlich kein eigenes Symptom sozialer Verhältnisse mehr, sondern die Ursache für die größte Bedrohung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Daraus folgen drei Ableitungen: 

#1 „Rechtsextremismus kommt nicht von uns, sondern woanders“

Rechtsextremismus wird auf diese Weise nach außen verlagert. Wenn diese ungezogenen MigrantInnen die Ursache sind, dann hat das mit denen, die sich als eingesessene Deutsche fühlen, nichts zu tun.

Kontinuitäten über Jahrzehnte und Jahrhunderte werden zur Seite gewischt. Soziale Verhältnisse und bediente Diskurse der polit-medialen Öffentlichkeit kommen in der Analyse zu Rechtsextremismus nicht einmal mehr vor. 

#2 „Rechtextreme wehren sich ja nur“

Rechtsextremismus wird auf diese Weise als Abwehrideologie verharmlost. Damit tut man ihn einen riesigen Gefallen. Rechtsextreme wollen sich selbst auch so sehen: als permanent bedroht. Die eigene Rationalisierung ist die Logik der Verteidigung der eigenen Existenz. Gewalt wird so zu Notwehr umgedeutet. In der Notwehr ist alles erlaubt.

Erklärt man die Ursache für Rechtsextremismus aus dem angeblich unziemlichen Verhalten von MigrantInnen, so bedient man genau diese Idee. Doch das Gegenteil ist wahr: Rechtsextremismus ist keine passive Abwehr-Ideologie, sondern eine aggressive Angriffs-Ideologie. Sie wollen aktiv und ausdrücklich jene Leute, die als „unpassend“ gesehen werden, aus der (Volks-)Gemeinschaft ausschließen und vernichten. Rechtsextreme werden dafür von Schuld freigesprochen.

#3 „Das Problem kommt von den MigrantInnen“

MigrantInnen tragen in diesem Denken die Verantwortung an den Angriffen auf sie selbst. So wird eine diffuse Menge an MigrantInnen zu den eigentlichen Schuldigen. Würden sich die nur benehmen, dann müsste man „sie“ auch nicht bestrafen. Gäbe es keine Clan-Kriminalität und würden „sie“ sich besser integrieren und nicht so auffällig sein, dann gäbe es auch keinen Grund „sie“ anzugreifen.

Das ist eine fatale und gefährliche Fehleinschätzung. Denn egal, was für ein Bilderbuch-Leben jemand führt, die Person ist nie davor gefeit, von Rechtsextremen angegriffen zu werden. Weil das nichts mit der individuellen Person zu tun hat – und alles mit der Gruppe, der die Person zugerechnet wird. Aus dieser Gruppe kann man sich nicht selbst mit sehr guten Betragensnoten herauskaufen. Rechtsextremismus ist eine Vernichtungsideologie, die sich nicht durch Bravsein ins Gegenteil verkehrt. Am Ende ist es egal, ob Anwältin oder Krimineller, ob perfektes Deutsch oder kein Wort Deutsch, ob gläubig oder nicht – Menschen werden getötet, weil RechtsterroristInnen sie weghaben wollen.

Man kann den Rechtsextremismus nicht bekämpfen, indem man dieselben Dinge etwas netter sagt und für ihn Entschuldigungen sucht. Gegen Rechtsextremismus hilft nur Kompromisslosigkeit und Solidarität mit den Betroffenen von rechtsextremer Gewalt.

 

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