print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Arbeitswelt
Ungleichheit

ÖVP fordert weniger Arbeitslosengeld: Das ist auch ein Angriff auf unsere Löhne

Karl Nehammer
Karl Nehammer Screenshot: ORF TVThek
Die ÖVP greift im Wahlkampfjahr die soziale Absicherung an. Parteichef und Kanzler Karl Nehammer will das Arbeitslosengeld in Österreich senken. Dabei ist es schon sehr niedrig. Ein Kommentar von Jakob Sturn.

Der Kanzler möchte das Arbeitslosengeld von aktuell 55 Prozent auf unter 50 Prozent des Nettogehalts kürzen. Damit ist auch klar, woher das Geld für die ebenfalls geforderten Steuerkürzungen für Unternehmen und Top-Verdiener:innen herkommen soll, nämlich von den Ärmsten unserer Gesellschaft.  

Dabei ist unser Arbeitslosengeld nicht zu hoch, sondern zu niedrig. Bereits jetzt ist mehr als jede:r dritte Arbeitslose armutsgefährdet, der zwischen einem halben Jahr und einem Jahr arbeitslos ist.  

Das österreichische Arbeitslosengeld ist “mit 55 Prozent” (Siehe: Warum diese 55% eigentlich ein Mythos sind) im internationalen Vergleich ein sehr niedriges. Andere Länder zahlen – vor allem zu Beginn der Arbeitslosigkeit – deutlich besser. Mit gutem Grund. Studien zeigen, dass ein höheres Arbeitslosengeld zu höheren Löhnen nach der Arbeitslosigkeit führt. Weil Betroffene dann nicht gezwungen sind, den erstbesten Job anzunehmen.  

Österreich hat längst ein degressives Arbeitslosengeld

In Österreich hingegen wird das Arbeitslosengeld laufend entwertet. Im Regelfall fallen Arbeitslose nach 7 Monaten Arbeitslosigkeit in die Notstandshilfe, dann gibt es nur mehr 92 Prozent vom vorherigen Arbeitslosengeld.  

Dazu kommt noch: Im Gegensatz zu den meisten Sozialleistungen, etwa der Familienbeihilfe, wird das Arbeitslosengeld nicht an die Inflation angepasst. Die Kaufkraft der Erwerbsarbeitslosen sinkt so von Monat zu Monat. Wer vor einem Jahr gekündigt wurde, hat deshalb heute im Schnitt 130 Euro weniger zur Verfügung als zu Beginn der Arbeitslosigkeit. 

Kürzung bedeutet 11 Prozent weniger für Erwerbsarbeitslose

Die Kanzlerpartei wünscht sich oft ein “degressives” Arbeitslosengeld. Also eines, das mit der Dauer der Arbeitslosigkeit abnimmt. Aber das gibt es somit eigentlich schon. Eine zusätzliche Senkung der Nettoersatzrate auf 49 Prozent setzt Betroffene noch stärker unter Druck. Arbeitslose hätten durch die Kürzung im Schnitt nochmal zusätzlich 105 Euro weniger pro Monat im Geldbörserl. Das wären 11 Prozent weniger als zuvor.

Gutes Arbeitslosengeld stärkt Arbeitnehmer:innen

Das Arbeitslosengeld sichert die Existenzen ganzer Familien. Eine Erhöhung kommt nicht nur ihnen zugute, sondern auch allen anderen Arbeitnehmer:innen. Denn ein hohes Arbeitslosengeld stärkt die Verhandlungsmacht bei den nächsten Lohnverhandlungen.

Vielleicht erklärt das, warum die ÖVP die Milliarden zur Gegenfinanzierung ihrer Steuerkürzungen unter der Matratze der Ärmsten sucht.

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 0 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag!