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Ungleichheit
Demokratie

Wie sich Reiche die österreichische Staatsbürgerschaft kaufen

Man sieht Barbara Blaha mit einem umgedrehten Bankomaten und zwei österreichischen Pässen.
Die Staatsbürgerschaft ist ein "hohes Gut". Die kriegt man nicht geschenkt. Aber Reiche können sie sich kaufen.
Die österreichische Staatsbürgerschaft ist also "ein hohes Gut". Und weil die Staatsbürgerschaft so "ein unglaubliches hohes Gut ist", muss man sie sich erstmal verdienen. Die kriegt man halt nicht geschenkt, weil sie “nur am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses verliehen werden sollte”. Außer natürlich, man kauft sie sich.

Wie bitte? Moment mal!

Ja, richtig gelesen, die österreichische Staatsbürgerschaft kann sich im Schnellverfahren jeder kaufen, der genug Schotter über hat. Wie das geht?

Österreich hat eines der schärfsten Staatsbürgerschaftsgesetze überhaupt.

Was man alles braucht für die österreichische Staatsbürgerschaft

  • Man muss 10 Jahre ununterbrochen in Österreich gelebt haben.
  • Man brauch ein regelmäßiges hohes Einkommen: zumindest 882 Euro verfügbares Einkommen – also NACH Miete und Unterhalt. Das ist so hoch, dass jemand der in einem gesellschaftlich unverzichtbaren Job arbeitet, also etwa im Kindergarten oder in der Altenpflege, es nie erreichen kann.
  • Natürlich muss man saugut Deutsch sprechen und den Einbürgerungstest schaffen, also Fragen beantworten wie zum Beispiel: „Welche Religionen waren 1918 in Österreich-Ungarn offiziell anerkannt?“ Oder: „Wer war der erste Bundespräsident der Zweiten Republik, den das Volk wählte?“
  • Und man muss auch das nötige Kleingeld haben, denn gratis ist so ein Antrag natürlich nicht. Je nach Bundesland ist es unterschiedlich teuer.

Die Regeln sind so hart, dass allein in Wien jeder Dritte, der hier lebt, arbeitet, Steuern zahlt, kein Staatsbürger ist und deshalb auch nicht wählen gehen darf. Jeder Zweite davon ist bereits länger als 10 Jahre da. VIele davon sind sogar in Österreich geboren: Wir koppeln aber die Staatsbürgerschaft an die der Eltern. Das führt zu der absurden Situation, dass zwischen einem Fünftel und einem Viertel der in Österreich geborenen Kinder, “Ausländer” sind.

Übrigens: Wer Österreicher:in werden will, muss die vorherige Staatsbürgerschaft aufgeben. Doppelstaatsbürgerschaften sind nicht erlaubt.

Der „Promi – Paragraf“

Ganz anders natürlich bei Reich und Schön: Paragraf §10 Absatz 6 besagt: Wer „außerordentliche Leistungen erbringt“, die „im Interesse der Republik“ liegen, bekommt die Staatsbürgerschaft – und zwar ohne die sonst so harten Auflagen erfüllen zu müssen.

Auf diese Weise kann man die österreichische Staatsbürgerschaft auch durch wirtschaftliches Engagement “erwerben”.

Doch wie „außerordentlich“ müssen diese wirtschaftlichen Leistungen sein? Laut Innenministerium müssen durch die Investitionen Arbeitsplätze in Österreich “in relevantem Ausmaß” geschaffen werden.

„Die außerordentlichen Leistungen“

Gut, da gibt es jetzt sicher “klar geregelte Kriterien wie dieser Erwerb der Staatsbürgerschaft früher erfolgen kann”. Mmmh… nö, klar sind die Kriterien nicht: Was “außerordentlich” ist, das bestimmt die Bundesregierung, es liegt allein in ihrem Ermessen, welche Personen die Staatsbürgerschaft auf schnellstem Weg erhalten. Da helfen die Superreichen gern ein bisschen nach und engagieren für den Prozess der Einbürgerung eine Firma, die ihnen dabei “hilft” sich die Staatsbürgerschaft zu kauf… äh… zu checken.

„citizenship-by-investment-program“

Zum Beispiel die Firma Henley&Partners Holding Ltd. mit besten Kontakten zu Österreichs Regierung, wie sie in ihrem Werbefilm protzt.

„Die Tatsache, dass sie über so viel Erfahrung in der Zusammenarbeit mit den Regierungen bei der Errichtung von Investor-Plänen verfügen, bedeutet, dass sie diese Systeme in- und auswendig kennen, da sie viele von ihnen selbst in Zusammenarbeit mit den Regierungen entwickelt haben.“

Alles, was es braucht, ist also ein bisschen Geld: Zahlt man in Malta noch ein bisschen weniger, lässt Österreich sich den Pass schon ein bisschen was kosten.

Montenegro ist das billigste Staatsbürgerschaftsprogramm Europas, das rund 450.000 € kostet. Andere europäische Programme erfordern höhere Investitionen, die von 1,4 Millionen Dollar für Malta bis zu 9,5 Millionen Dollar für Österreich reichen.

Wer soviel Geld auf den Tisch knallt, der muss dann auch gar nicht lange warten, der Kunde ist bei uns König: Statt 10 Jahre Wartefrist, wie für den Pöbel, dauert das Verfahren für die Reichen nur 2 bis 3 Jahre. Danach sollen die Kund:innen den österreichischen Pass in Händen halten können. In der Branche nennt man so etwas „citizenship-by-investment-program“.

Die Doppelstaatsbürgerschaft der Reichen

Eine Deutschprüfung müssen die Reichen genauso wenig absolvieren, wie ihre bisherige Staatsbürgerschaft aufgeben. Wer viel Geld hat, kann sich also auch gleich zwei Reisepässe leisten. Mit der Staatsbürgerschaft kaufen sich die Reichen dann auch das Wahlrecht. Etwas, das all jenen verwehrt bleibt, die sich eine Staatsbürgerschaft wegen zu geringen Einkommens nicht leisten können – auch wenn sie schon seit vielen Jahren in Österreich leben, unser Sozialsystem mit schultern, mit uns Schulen und Straßen bauen und in den Krankenhäusern und Kindergärten helfen, wie alle anderen auch.

Was ließe sich tun, um an diesen Ungerechtigkeiten etwas zu ändern? Wo man lebt, da soll man mitbestimmen. Knüpfen wir das Wahlrecht endlich an den Wohnsitz, nicht an den Pass: In Neuseeland darf jeder wählen gehen, der ein Aufenthaltsrecht hat und das seit 1975. Auch in Belgien, Dänemark, Estland oder Schweden darf man – nach einer bestimmten Dauer des Aufenthalts – bei regionalen Wahlen mitbestimmen. Wer hier geboren wurde und aufwächst, muss ein Recht auf Staatsbürgerschaft bekommen, unabhängig vom Einkommen oder irgendwelchen absurden Einbürgerungstests. Und: erlauben wir endlich auch Doppelstaatsbürgerschaften. Für viele Menschen ist es ganz selbstverständlich, sich in mehr als einer Gesellschaft zu Hause zu fühlen.

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