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Arbeitswelt

Arbeit statt Pension – was gegen das “Leistungspaket” der ÖVP spricht

Österreichs Bevölkerung wird älter. Das Pensionssystem stehe vor einem Finanzierungsproblem, sagt die ÖVP. Ihre Antwort auf steigende Kosten: Mehr Arbeit. Auch im hohen Alter.

“Leistung muss sich wieder lohnen”, die Politik betet diesen beliebig zu deutenden Slogan gerne vor sich her. Jüngst tat das die Volkspartei wieder. Vergangene Woche präsentierte VP-Klubchef August Wöginger ein selbsternanntes „Leistungspaket“. Das soll Anreize für einen längeren Verbleib in Erwerbstätigkeit beinhalten. Das österreichische Pensionssystem und der Wohlfahrtsstaat seien laut Volkspartei sonst nicht – oder schwer – finanzierbar. 

Die vorgestellten Maßnahmen sollen Menschen dazu motivieren, im hohen Alter weiterzuarbeiten, statt in Pension zu gehen. Wer beispielsweise aktuell ohne Abschläge in Pension gehen könnte, aber dennoch weiter arbeitet, muss Pensionsversicherungsbeiträge zahlen. Diese fallen nun weg, solange nicht über die doppelte Geringfügigkeitsgrenze dazuverdient wird – also etwa 1100 Euro.

Wer in Teilpension (Altersteilzeit) geht, bekommt bessere Voraussetzungen geboten. Die Arbeitszeit kann nun zwischen 20 und 80 % der früheren Arbeitszeit liegen. Der Bund übernimmt die vollen Kosten der Inanspruchnahme der Altersteilzeit für die Dienstgeber.

Das jüngste “Leistungspaket” der ÖVP sieht also wieder die arbeitende Bevölkerung in der Verantwortung. Durch die gebotenen Anreize soll sie mehr und länger arbeiten, um Budgetlöcher und das Horrorszenario “Pensionslücke” abzufedern. Und so wird aus “Leistung muss sich wieder lohnen!” erstmal wieder ein “Leistet bitteschön noch mehr!”. Damit lösen wir allerdings kaum Probleme, aber verschärfen bereits vorhandene.

Der Druck auf Ältere steigt

Durch die Maßnahmen des “Leistungspakets” werden Arbeitnehmer:innen günstiger, die in Pension gehen könnten. Profitieren würden von so einer Regelung nur Wenige. Lediglich 5 % der über 65-Jährigen sind berufstätig. Es erhöht allerdings den Druck auf eine Bevölkerungsgruppe, die besonders von Arbeitslosigkeit betroffen ist: Menschen kurz vor dem Pensionsalter. 

Dabei ist das Arbeitskräftepotenzial der 60-64 Jährigen in Österreich immens. Würde man die Beschäftigungsquote dieser Gruppe auf das der 55-59 Jährigen anheben, könnten laut der oberösterreichischen Arbeiterkammer etwa 330.000 zusätzliche Arbeitskräfte pro Jahr mobilisiert werden.

Bevor Schritte unternommen werden, um Arbeit im Pensionsalter zu fördern, sollte jedenfalls der Fokus darauf gelegt werden, die Erwerbsbeteiligung älterer Personen bereits vor dem Erreichen des Pensionsantrittsalters zu steigern. 

Da scheitert es aber nicht an Anreizen oder am Leistungswillen, sondern an den Unternehmen, die sie nicht beschäftigen. Ältere Arbeitnehmer:innen stehen häufig vor Einstellungshürden oder erleben Kündigungen. In vielen Berufen ist die körperliche und/oder psychische Belastung auch einfach zu hoch, um den Beruf bis zur Pensionierung – oder gar darüber hinaus – auszuüben.

Anreize für Erwerbstätigkeit in der Pension oder gar eine Erhöhung des Eintrittsalters zu diskutieren, ehe die ohnehin verfügbaren Arbeitskräfte in Beschäftigung zu bringen, ist eine Verzerrung der Debatte. Dafür braucht es arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und bessere Bedingungen für ältere Arbeitnehmer:innen.

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