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Demokratie

Rechtsextreme Parteien zu wählen ist (k)ein Bildungsproblem

Rechtsextreme Parteien zu wählen ist (k)ein Bildungsproblem
Formale Bildung ist nicht das Problem bei Rechtsextremismus
Jede Wahl erleben wir dasselbe Spiel: Rechtsextreme Parteien gewinnen. Alle sind entsetzt. Und “mehr Bildung” soll das Allheilmittel sein. Ein gefährlicher Fehlschluss mit einem Körnchen Wahrheit.

Extrem rechte Parteien haben Wähler:innen in allen Gesellschaftsschichten. Es gibt einen Zusammenhang mit niedriger formaler Bildung. Den gibt es aber auch mit sozialdemokratischen Parteien. Umso höhere formale Bildung, umso eher wählen Menschen konservativ, neoliberal oder grün.

Daraus aber abzuleiten, dass diese Menschen dumm oder generell nicht gebildet sind, ist ein arroganter Fehlschuss. Die Selbsterhebung über “die Dummen” kommt immer wieder als politische Analyse verkleidet daher. Aber: Formale Bildung nur ein Teil von Bildung – und der Zugang dazu wird gerade in Österreich stark vererbt. Dadurch ergibt sich ein Zusammenhang mit Einkommen und Vermögen.

Auch an Hochschulen gibt es Rechtsextreme

Außerdem gibt es einen starken Kontrast zwischen Spitzenfunktionär:innen und Wähler:innen. Die Spitzenfunktionär:innen extrem rechter Parteien gehören zum größten Teil zu den formal am besten gebildetsten Schichten. Es gibt eine lange Tradition des akademischen Rechtsextremismus, der sich historisch auf unterschiedliche Parteien aufteilt. Akademische Bildung schützt vor Rechtsextremismus nicht. 

Dies alles vorausgeschickt, besteht aber tatsächlich ein Zusammenhang zwischen formaler Bildung und der völkischen Spielart des Rechtsextremismus. Auch wenn er abnimmt:

Dies hat mehrere Gründe. Wer weniger Vermögen hat, spürt mehr ökonomischen Druck, auch wenn er ein solides Einkommen hat. (Facharbeiter Gehälter sind keine prekären Gehälter). Dann ist auch der Zukunftspessimismus höher. Man kann zwar jetzt noch einen sicheren Job haben, aber sich mehr als andere davor fürchten, dass sich das ändert. Dazu kommen noch gesellschaftspolitische Spannungen. Egal ob die entweder echt sind, übertrieben werden oder auch nur als Illusion existieren. In diesem Gemisch entsteht jedenfalls Angst vor der Zukunft – und diese erzeugt Wut. 

Der entscheidende Faktor für die Wahl rechtsextremer Parteien ist also nicht Bildung (und Bildung hat außerdem auch nichts mit Intelligenz oder Klugheit zu tun), sondern ob man sich noch eine Zukunft vorstellen kann, in der man eine Rolle spielt und in der es einem gut geht. Wer ein positives Bild von der Zukunft hat, wählt viel seltener rechtsextrem. Es ist die Aufgabe demokratischer Parteien, dieses Bild zu zeichnen und umzusetzen. 

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    Kommentare 1 Kommentar
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  • Felix Rohner
    12.06.2024
    Vielen Dank, Frau Strobl, für diesen Artikel. Ich erlebe das auch so, dass die Hoffnungslosigkeit die Menschen nach rechts verleitet. Das Gegenmittel wäre daher, Hoffnung und Mut auf Zukunft zu verbreiten. Freilich sieht die Zukunft nicht so rosig aus, doch Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Hier ist es sicher sinnvoll, zwischen Angst und Furcht zu unterscheiden. Bei Angst schaltet unser logisch denkendes Gehirn ab und wir haben nur vier Möglichkeiten zu reagieren, die sogenannten "4f": "fight, fliht, freeze und fawn", also "kämpfen, flüchten, einfrieren/ verstecken, oder mit einem Bambigesicht gute Miene zum bösen Spiel machen." Bei berechtigter Furcht, z. B. Klimawandel, eröffnen sich mir aber eine Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten: weniger Fleisch, mehr Fahrrad und Öffis, Momentum-Institut unterstützen, etc. und vor allem - wie Sie in Ihrem Buch "Solidarität" schreiben - solidarische Gemeinschaften bilden, um eine besser Zukunft zu gestalten. Zum Abschluss noch ein Zitat von Vaclav Havel, das ich gerne in meinem Unterricht verwende: "Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn macht, egal wie es ausgeht."
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