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Arbeitswelt
Ungleichheit

Reinigungskräfte als Gig-Worker: So sind die Arbeitsbedingungen

Eine Reinigungskraft putzt ein Fenster.
Wer eine Reinigungskraft im Internet sucht, landet auf der Plattform ExtraSauber. Wie gut sind die Bedingungen dort für die Arbeiter:innen? Das zeigt eine neue Studie, die auch Essenlieferanten Mjam und Lieferando unter die Lupe genommen hat.

Doina lächelt leicht in die Kamera, die Hand hat sich auf die Hüfte gestemmt. Unter ihrem Foto die Bewertung: Fabelhaft 8,7. 173 Mal wurden ihre Arbeit bisher bewertet. Sie ist eine der unzähligen Reinigungskräfte, die ihre Arbeit über die Plattform ExtraSauber anbietet. Das kostet für eine kleine Wohnung um die 50 Euro. Ein Fünftel davon nimmt die Plattform.

Die meisten Arbeiter:innen sind Frauen, viele haben Migrationshintergrund. Manche sind selbstständig, andere arbeiten für Subfirmen. Das Geschäft von ExtraSauber läuft, vor kurzem wurde nach Deutschland und die Schweiz expandiert. Trotzdem: Reinigungskräfte wie Doina werden bei Debatten um Arbeit kaum gesehen.

Reinigungskraft gesucht? So funktioniert ExtraSauber

Unsichtbar sind viele Arbeiter:innen, die ihr Einkommen über Plattformen verdienen. Die Arbeit ist oft schlecht bezahlt, die Bedingungen ausbeuterisch. Und das, obwohl diese Arbeit vor allem in der Pandemie an Relevanz gewonnen hat. Lebensmittel in die Quarantäne liefern lassen? Ging nur dank Gig-Workern.

Viele der Arbeiter:innen sind scheinselbstständig. Sie arbeiten zwar für eine bestimmte Plattform, etwa Mjam, tragen Risiken und Kosten aber selbst. Wenn sie zum Beispiel krank werden, verlieren sie ihr Einkommen. Um arbeiten zu können, müssen sie die Geschäftsbedingung der jeweiligen Plattform akzeptieren – Verhandlungsspielraum gibt es kaum.

„Schlechte Arbeitsbedingungen in der Plattform-Ökonomie sind nicht unvermeidlich“, schreiben Forscher:innen in dem ersten Fairwork-Bericht für Österreich. Die Untersuchung soll aufzeigen, wie fair die Plattformen sind und Anstöße für Veränderung geben. Fairwork ist ein Forschungsprojekt der Universität Oxford. Die österreichische Erhebung führte ein Team von der TU und der Universität Wien durch.

Sechs Plattformen wurden dafür anhand von fünf Fairness-Kriterien bewertet: Entlohnung, Arbeitsbedingungen, Verträge, Management und Mitbestimmung. In jeder Kategorie sind zwei Punkte zu holen. Die Höchstzahl, 10 Punkte, hat keine der Plattformen erreicht.

Nur drei Plattformen konnten zeigen, dass sie genug bezahlen, um über der Grenze zur Armutsgefährdung zu kommen: Lieferando, Alfies und ExtraSauber. Miteinberechnet sind die Kosten für Equipment, etwa Benzin oder Putzmittel. Lieferando erreichte als einzige Plattform zwei Punkte für faire Bezahlung. Arbeiter:innen werden dort mindestens nach Kollektivvertrag bezahlt.

ExtraSauber schreibt die Mindestkosten für eine Stunde Reinigen vor. Nach dem Kontakt mit den Forscher:innen hat die Plattform diese sogar von 15 auf 20 Euro die Stunde erhöht. Damit liegt der Lohn über dem kollektivvertraglichen Minimum. Dieser Mindestlohn ist für die selbstständigen Putzkräfte von unmittelbarer Bedeutung. Doch auch Dutzende Firmen finden sich auf ExtraSauber.

Wie viel kommt wirklich bei der Reinigungskraft an?

Wie viel von dem Mindeststundenlohn tatsächlich bei jenen ankommt, die bei Subfirmen arbeiten, ist fraglich. Die ehemalige Gewerkschafterin Veronika Bohrn-Mena berichtete 2020, dass manchen am Ende nur 5 Euro die Stunde bleiben.

Nach Gesprächen mit dem Forschungsteam erarbeitete ExtraSauber ein System, um die Bezahlung der Partnerfirmen zu überprüfen. Sollte dieses wirken, gibt es beim nächsten Bericht auch den zweiten Punkt von Fairwork.

In jeder weiteren Kategorie vergaben die Forscher:innen jeweils einen Punkt an die Plattform für Reinigungskräfte. Insgesamt liegt ExtraSauber damit nach Lieferando auf dem zweiten Platz.

Am schlechtesten schnitt bei der Untersuchung Bolt ab. Über die App können Fahrten gebucht und Roller gemietet werden. Nur einen einzigen Punkt gab es von Fairwork Austria: Die Plattform hat klare und transparente Geschäftsbedingungen. Bei Bezahlung, Mitbestimmung und Co holte Bolt keinen einzigen Punkt.

„Die Studie zeigt sehr klar, dass gute Arbeitsbedingungen im Wesentlichen nur durch die Anwendung des Arbeitsrechts gewährleistet sind“, sagt Arbeitsrechtsprofessor Martin Gruber-Risak. Lieferando schnitt mit Abstand am besten ab. Kein Wunder, laut Gruber-Risak: Die Plattform ist die einzige, die Arbeitsverträge abschließt. Damit sind Mindestlöhne, Sonderzahlungen, Kündigungsfristen und bezahlter Urlaub gewährleistet.

Hier findest du alle Bewertungen von Fairwork.

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