Sagen, wie es ist: Eine rechtsextreme Partei ist stärkste Kraft
“Rechtspopulistisch” ist die beliebteste Umschreibung für rechtsextreme Parteien, wenn man sich Zweiteres nicht zu sagen traut. Rechtspopulistisch meint eigentlich einen bestimmten Stil mit bestimmten sprachlichen Figuren (“wir gegen die”). Der Rechtspopulismus wurde aber in der medialen Debatte zum Rechtsextremismus light. Es sind quasi die demokratieverträglichen Rechtsextremist:innen.
Das ist ein feiger sprachlicher Ausweg, um das Offensichtliche nicht benennen zu müssen: Extrem rechte Parteien können in Demokratien zumindest relative Mehrheiten erringen. Nicht, weil sie sich geschickt tarnen oder besonders “light” daher kommen, sondern weil so ein Programm eine solche Mehrheit findet. Es ist dabei wahrlich weder neu noch originell, die Demokratie mit den Mitteln der Demokratie abzutragen. Sowohl historisch als auch geografisch gibt es hierfür genügend Belege.
Die Strategie ändert wenig an den Inhalten
Ein aktuelles Beispiel ist der Rassemblement National (RN) in Frankreich. Den ersten Wahlgang der Parlamentswahlen in Frankreich hat die Partei mit einem Drittel der Stimmen gewonnen. Zugegeben, der RN verfolgt eine andere Strategie als es z.b. die FPÖ oder AfD tun. Letztere setzen auf eine ständige Eskalation im Kulturkampf und lehnen sich klar an Viktor Orban an. Sie könnten wegen des Wahlrechts auch ohne absolute Mehrheit regieren. Ob sie regieren oder gerade gut in Umfragen liegen nicht ist aber sogar einerlei. Ihre Themen bestimmen oft so oder so die nationale politische Debatte.
Anders in Frankreich. Die Wahlen zum Parlament sind nur das Vorspiel für die wichtigere Präsidentschaftswahl. Darauf spitzt RN-Chefin Marine Le Pen. So kann es sein, dass der große Knall erst kommt. Und dafür braucht man eine absolute Mehrheit. Das Amt des französischen Präsidenten ist das mächtigste in der demokratischen Welt. Auch auf EU-Ebene bestimmt der Präsident (oder mit Le Pen die Präsidentin) den Kurs und nur zum Teil die durch das Parlament gewählte Regierung.
Le Pen muss also über 50 % der Wähler:innen von sich überzeugen. Anders als AfD und FPÖ setzt sie dabei auf De-Dämonisierung. Sie gibt sich als betont nahbar und wählbar für bürgerliche Kreise. Das zeigt sich auch durch das Aussortieren von in die Öffentlichkeit geratenen Problemkindern aus der Partei (darunter auch der eigene Vater), oder das Abservieren von AfD-Politiker Maximillian Krah in der gemeinsamen Fraktion im EU-Parlament. Für solche Spompanadeln hat Le Pen keine Zeit. Sie möchte in den Elysee Palast. Macht sie das nun netter oder zahmer als ihre Schwesterparteien?
Nicht auf jeden Trick reinfallen
Diese Selbst- und Fremdverharmlosungen gab es immer wieder. Auch die FPÖ unter Heinz-Christian Strache war auf einmal geschniegelt und hat brav den Regierungssprech übernommen (und wurde dabei fast rechts von der ÖVP überholt).
Das sind aber immer nur kurze Phasen. Sobald Rechtsextreme an der Macht sind, greifen sie den Rechtsstaat, die Medien und staatliche Institutionen an. In Österreich führte Herbert Kickl als Innenminister einen Krieg gegen den Verfassungsschutz. “Was passiert, wenn autoritär-populistische Parteien staatliche Machtmittel in die Hand bekommen?”, darüber malt der Verfassungsblog in seinem Forschungsprojekt zu Thüringen ein beklemmendes Bild (Anlass: in Thüringen könnte die AfD unter dem gerade wieder wegen einer NS-Parole verurteilten Björn Höcke im Herbst die stärkste Kraft werden).
Warum solle es nun gerade bei Le Pen und dem Rassemblement National anders sein? Dass sie das von sich selbst strategisch behaupten, macht es nicht plausibel.
Parlamentarischer Rechtsextremismus
Rechtsextreme Parteien befinden sich auf einem Spektrum, das nicht völlig einheitlich ist. Es kann sich entlang verschiedener Fragen spalten. Wie sie etwa rechtsextreme Parteien zu Konflikten wie Russland vs. Ukraine, Israel vs. Palästina oder Harcore-Liberalismus vs. nationaler Protektionismus stehen, kann sich unterscheiden.
Das macht die eine Partei aber nicht weniger rechtsextrem als die andere. Rechtsextremismus ist eine Ideologie radikaler Ungleichheit. Davon leitet sich auch eine Ungleichwertigkeit von Menschen ab. Sie wertet aufgrund von quasi neutralisierten Kriterien: Männer besser als Frauen, Heterosexuelle besser als Homosexuelle, Weiße besser als Nichtweiße, Christen besser als Nichtchristen.
Dazu kommt eine Besessenheit von Reinheit (Stichwort “Ethnopluralismus”) und der Vorstellung, dass das “Mischen” von Rassen/Kulturen/Nationen das eigentliche Problem sei. Das gelte es, dieses zu verhindern und es deshalb auch rückabzuwickeln (Stichwort “Remigration”). Alle Parteien, die in dieses Raster fallen, sind auf dem rechtsextremen Spektrum zu finden.
Dabei kann es bei einzelnen Themen durchaus auch Zugeständnisse und Austausche oder pragmatische Verschiebungen geben. Etwa, wenn Homosexualität oder die Gleichstellung von Frauen plötzlich verteidigt werden, weil man diese Position für die Anfeindung von Muslimen brauchen kann. Das gilt aber dann immer nur in diesem Kontext. Und auch da gilt: Man muss nicht auf jeden Trick reinfallen.
Der Rassemblement National ist eine rechtsextreme Partei. Eine rechtsextreme Partei hat eine Mehrheit bei Parlamentswahlen errungen. Sprachliche Verrenkungen und Verharmlosungen sind nicht angebracht.