Sebastian Klein war toxisch reich: “Der Finanzmarkt hat mich reich gemacht”

Sebastian Klein hat “Blinkist” mitgegründet, eine App, in der Bücher für zahlende Abonnent:innen kurz zusammengefasst werden. 2023 wurde das Unternehmen für etwa 200 Millionen Euro verkauft. Klein beschloss, 90 Prozent seines daraus gewonnenen Reichtums aufzugeben und in gemeinnützige Projekte zu spenden.
Wie die Österreicherin Marlene Engelhorn ist der in Deutschland lebende Klein ebenfalls Teil der Initiative “taxmenow”, die sich für eine gerechte Besteuerung von großen Vermögen einsetzt. Beide protestierten dafür 2024 gemeinsam beim Weltwirtschaftsforum in Davos.
Nun hat Sebastian Klein mit „Toxisch reich“ ein Buch über extremen Reichtum als Gefahr für die Demokratie geschrieben. Karin Chladek hat für MOMENT.at mit ihm gesprochen.
Veranstaltungshinweis: Am 24.4. um 19:00 findet in der Hauptbibliothek der Büchereien Wien ein Gespräch von MOMENTUM-Gründerin Barbara Blaha mit Sebastian Klein statt. Hier geht es zur Anmeldung.
MOMENT.at: Sie haben gerade ein Buch mit dem Titel „Toxisch reich“ veröffentlicht. Wieso ist Reichtum toxisch, also giftig?
Sebastian Klein: Geld für sich ist ja eher neutral, aber was wir gerade sehen, ist eine extreme Konzentration von Reichtum auf der einen und Armut auf der anderen, viel größeren Seite. Das meine ich mit toxisch, das hat negative Auswirkungen auf die Gesellschaft.
MOMENT.at: Die These des Trickle-down-Effekts erzählt uns, die Investitionen der Reichen kämen allen zugute. Dass es für alle gut sei, wenn die Reichen reicher werden. Was sagen Sie dazu?
Klein: Das Argument, dass reiche Menschen große Investitionen tätigen, von denen alle profitieren, hört man häufig. Das kursiert immer noch und wird von vielen geglaubt. In die Welt gesetzt haben das Neoliberale wie Ronald Reagan oder Margaret Thatcher in den 1980er Jahren. Wissenschaftlich ist das längst widerlegt, schon seit mindestens 20 Jahren.
Wenn ich mir auch anschaue, wie Reiche wirklich mehr Geld machen, sehe ich, dass sie nicht in die Wirtschaft der Zukunft investieren, sondern in Immobilien und Geschäfte, wo sich leicht Renditen machen lassen. Das ist aber nicht positiv für die Gesellschaft.
MOMENT.at: Studien warnen auch, dass Ungleichheit schlecht ist für die Gesellschaft, die Demokratie und fürs Klima. Wie ist das mit der Wirtschaft? Oft wird behauptet, für das Funktionieren der Wirtschaft sei Ungleichheit notwendig.
Klein: Ich finde es interessant, dass immer behauptet wird, die Wirtschaft würde Ungleichheit praktisch brauchen. Deutschland wurde etwa von der OECD mehrfach darauf hingewiesen, dass die Ungleichheit der Einkommen der Wirtschaft sehr schadet. Wenn man sich mit dem Kapitalismus beschäftigt, merkt man schnell, dass dieser am besten funktioniert, wenn viele Menschen Geld haben, um zu konsumieren und etwas zu kaufen. Viele Leute sind gar nicht mehr in der Lage zu konsumieren.
Es wird der großen Mehrheit der Leute eingeredet, sie wären von einer reformierten Erbschafts- und Vermögenssteuer betroffen.
MOMENT.at: Sie kennen die Welt der Reichen aus eigener Erfahrung. Wie ist das gekommen?
Klein: Ich komme zwar aus keiner superreichen Familie, bin aber schon recht privilegiert gestartet und musste mir nie Sorgen machen. Der Finanzmarkt hat mich reich gemacht. Ich habe selbst ein Unternehmen gegründet und meine Anteile vor zwei Jahren verkauft. So wird man heutzutage reich: durch das Verschieben von Geldern am Finanzmarkt und natürlich durch das Erben. Nicht reich wird man durch sogenannte „ehrliche Arbeit“.
MOMENT.at: Gibt es so etwas wie einen Haupttrick, den Reiche benutzen, um ihr Geld zu verstecken?
Klein: Vermögen wird von Reichen oft in Holdings versteckt. Da fallen keine Steuern an, wenn das Geld nicht herausgenommen wird. Das ist völlig legal. Oder in Stiftungen.
MOMENT.at: Soll eine Regierung Reichtum besteuern? Was und wie genau? Einmalig? Oder ist eine jährliche Abgabe besser?
Klein: Die Erbschaftssteuer ist die Hauptbaustelle. Durch das Vererben wird besonders bei den Reichsten Jahr für Jahr unheimlich viel Geld ohne Abgaben weitergegeben. So entstehen sehr unfaire Startbedingungen. Grundsätzlich sollten Steuern und Abgaben auf Vermögenszuwächse ähnlich hoch sein wie auf Arbeit. In Deutschland sind das fast 50 Prozent.
MOMENT.at: Warum hat die Vermögensabgabe, die ja nur sehr reiche und somit wenige Menschen betrifft, so viele Gegner:innen? Gerade auch in der Mittelschicht, die wenig bis gar nicht betroffen wären?
Klein: Schuld ist der Populismus. Fakten zählen da nicht. Es passiert viel durch Desinformation. Es wird der großen Mehrheit der Leute eingeredet, sie wären von einer reformierten Erbschafts- und Vermögenssteuer betroffen, obwohl das gar nicht stimmt. In Wahrheit würden sie davon ungeheuer profitieren.
Eigentlich ist es logisch, dass eine Umverteilung von unten nach oben stattfindet, wenn eine Volkswirtschaft insgesamt kaum mehr wächst, aber die Reichtümer schon.
Aber das wird selten so gesagt. Für Politiker:innen ist es einfach, zu behaupten, dass Bürgergeldempfänger:innen oder Migrantin:innen schuld an den klammen Staatsfinanzen oder der verbreiteten Armut wären. Leider funktioniert das. Viele Leute wählen die Rechtsextremen.
MOMENT.at: Gibt es Länder, die es besser machen als Deutschland oder Österreich?
Klein: Viele Staaten machen es besser. Deutschland und Österreich sind ganz unten bei vermögensbezogenen Steuern in der OECD. Sogar die Schweiz, die ja immer als Steuerparadies gilt, hat immerhin eine kleine Vermögenssteuer. Was die Vermögens- und Erbschaftssteuer betrifft, sind auch die USA besser. Als US-Bürger:in zahlt man auf jeden Fall an die USA, egal, wo man lebt – wenn man nicht schon an einen anderen Staat vergleichbare Steuern zahlt. Damit ist Steuerflucht kein Thema mehr. Auch in Deutschland ist es in Wahrheit nicht mehr so einfach, den Wohnsitz zu verlegen. Stichwort Exit Tax.
MOMENT.at: Haben Sie Hoffnung für die kommenden Jahre?
Klein: Meine Hoffnung sind die jüngeren Leute. Gerade in Deutschland wird es in den kommenden Jahren viele jüngere Erben geben, die ähnlich denken. Auch für reiche Menschen lebt es sich viel angenehmer in einer Gesellschaft, die mit Hinsicht auf Vermögensverteilung nicht so extrem ungleich ist.