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Demokratie

Prozess gegen Sophie Karmasin: Warum drohen der Kurz-Vertrauten drei Jahre Haft?

Ex-Familienministerin und Meinungsforscherin Sophie Karmasin drohen wegen schweren Betrugs drei Jahre Haft. Georg Hochmuth/APA/picturedesk
Es ist der erste Prozess um das „System Kurz“: Ab heute muss sich die ehemalige ÖVP-Familienministerin und Meinungsforscherin Sophie Karmasin vor Gericht verantworten. Ihr drohen bis zu drei Jahre Haft wegen schweren Betrugs. Worum geht es?
Sophie Karmasin soll sich nach ihrem Ausscheiden als Ministerin Ende 2019 Bezugsfortzahlungen erschlichen haben. 75 Prozent ihres früheren Gehalts stehen Ex-Minister:innen für maximal sechs Monate zu, wenn sie in dieser Zeit keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können.

Karmasin habe jedoch wahrheitswidrig verschwiegen, dass sie daneben ihre selbständige Tätigkeit fortsetzte und Einkommen erzielte, so die Anklageschrift. Das sei Täuschung. Sie habe sich unrechtmäßig um 78.589,95 Euro bereichert.

Schwerer Betrug: Sophie Karmasin soll sich Bezüge erschlichen haben

Karmasin zahlte den Betrag später zurück. „Tätige Reue“ sei das aber nicht gewesen, so die Staatsanwaltschaft. Denn die Rückzahlung erfolgte erst, nachdem der Skandal bekannt geworden war. Zudem überwies sie zunächst nicht den gesamten Betrag zurück an die Staatskasse, sondern nur etwas mehr als 62.000 Euro. Bis zu 3 Jahre Haft für schweren Betrug drohen Karmasin. Die gesamte Anklageschrift ist hier zu finden.

Karmasin ist auch angeklagt, rechtswidrige Absprachen bei Vergabeverfahren für drei Studien des Bundesministeriums für Öffentlichen Dienst und Sport (BMÖDS) getroffen zu haben. Unter türkis-grün wurde dieses zum Bundesministerium für Kunst, Kultur, Öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS). Komplizin dabei laut Anklage: Sabine Beinschab. Die ehemalige Mitarbeiterin von Karmasin beim Umfrageinstitut „Research Affairs“ ist eine der Hauptfiguren im Skandal um frisierte Umfragen in der Tageszeitung „Österreich“. Sie sollten Sebastian Kurz besonders gut aussehen lassen und ihm so am Weg zum Posten des ÖVP-Chefs und später zum Bundeskanzler helfen. Für die wohlwollende Berichterstattung soll es Inserate des Finanzministeriums gegeben haben.

Karmasin, Beinschab und eine weitere Person legten beim Sportministerium jeweils Angebote für die Studien vor. Somit entsprach das Vergabeverfahren formal den Regeln, die besagen: Mehrere Angebote müssen eingeholt werden, aus denen dann das preislich und inhaltlich beste ausgewählt wird. Problem nur: Karmasin, Beinschab und die dritte Person sollen sich vorab über den Preis und Inhalt ihrer Angebote abgesprochen haben. Ziel war laut Anklageschrift, das Ministerium zu veranlassen, die Angebote von Sophie Karmasin anzunehmen. Der Vorwurf lautet auf „wettbewerbsbeschränkende Absprachen“.

Scheinangebote: Karmasin und Beinschab sollen sich abgesprochen haben

Dass Karmasin den Zuschlag für die Studien erhalten sollte, sei schon zuvor mit einem Abteilungsleiter des für Sport zuständigen Ministeriums abgesprochen worden. Dieser ist Mitangeklagter im heute startenden Prozess. Am 9. Mai sollen die Urteile gesprochen werden. Konkret geht es um die Studien „Motivanalyse Bewegung und Sport“, „Frauen im Vereinssport“ und „Kinder und Jugendliche im Vereinssport“. Karmasin habe Beinschab und über Beinschab als Mittlerin die dritte Person aufgefordert, schlechtere Angebote als ihr eigenes zu legen.

Im September 2019 gab das vom damaligen FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache geleitete Ministerium Karmasin den Zuschlag für die Studie „Motivanalyse Bewegung und Sport“. Dafür verrechnete Karmasin 63.600 Euro. MOMENT.at deckte im Oktober 2021 auf, dass das inzwischen vom grünen Vizekanzler Werner Kogler geführte BMKÖS Karmasin mit der Studie „Frauen im Vereinssport“ beauftragt hatte und der Auftrag noch immer aufrecht war. Karmasins Research & Identity GmbH verrechnete dafür 63.890 Euro. Die Studie wurde zurückgehalten.

Für die dritte Studie „Kinder und Jugendliche im Vereinssport“ legte Karmasin ein Angebot über 68.980 Euro. Das Angebot zog sie später laut eigener Aussage „aus Kapazitätsgründen“ zurück – und zwar am 7. Oktober 2021, also einen Tag nach den Hausdurchsuchungen in der ÖVP-Zentrale und im Bundeskanzleramt wegen der mutmaßlich gefälschten Umfragen in der Tageszeitung „Österreich“. Laut Anklageschrift habe sie das Angebot jedoch zurückgezogen, weil aus ihrer Sicht “ein großes Entdeckungsrisiko bestand”. Die Studie wurde nicht durchgeführt.

WKStA ermittelt gegen Kurz und acht weitere Personen

Die Hausdurchsungen bei der ÖVP sorgten für einen Skandal, der Sebastian Kurz zum Rücktritt als Kanzler und Politiker zwang. Gegen ihn und acht weitere Personen ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA weiterhin wegen des Verdachts der Untreue, der Bestechung und der Bestechlichkeit. Darunter ist auch der damalige Staatssekretär im Finanzministerium Thomas Schmid. Er arbeitet inzwischen mit der Staatsanwaltschaft zusammen und erhofft sich dadurch Strafmilderung.

Ende März wurden die Ermittlungen ausgeweitet und die Redaktion der Gratis-Zeitung „Heute“ durchsucht. Auch hier lautet der Verdacht, der Kreis rund um Kurz habe sich mittels Inserate eine wohlwollende Berichterstattung gesichert. Dies habe Thomas Schmid in Anhörungen vor der Staatsanwaltschaft ausgesagt. Auch bei der „Kronen Zeitung“ soll es laut Schmid solche Vereinbarungen gegeben haben. Sebastian Kurz und der Verlag der Heute wiesen die Vorwürfe zurück. Heute-Herausgeberin Eva Dichand bestritt, auch bei der Kronen Zeitung – diese wird von ihrem Ehemann Christian Dichand herausgegeben – für positive Berichterstattung gesorgt zu haben. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

 
 

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