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Kapitalismus

Staatshilfe als Geheimsache: Im Blindflug retten wir die AUA

Die Austrian Airlines erhält jetzt 150 Millionen Euro aus Österreichs Staatskasse. Insgesamt 450 Millionen an Staatshilfen gibt es. Wie das vertraglich geregelt wird, wäre interessant zu erfahren. Doch der Rettungsvertrag wird gehütet wie ein Staatsgeheimnis.

Mit insgesamt 450 Millionen an Staatshilfen rettet Österreich, und damit wir alle, die Austrian Airlines. Doch was wurde da eigentlich genau vereinbart zwischen der Republik und der AUA? Nur ein ganz kleiner Kreis von Personen scheint den Vertrag zu kennen, und die dürfen nicht darüber sprechen. Glaubt man Aussagen seines eigenen Ministeriums, dann weiß nicht einmal der Finanzminister, was darin steht.  

In diesen Tagen ist es soweit: Die Austrian Airlines erhält 150 Millionen Euro aus Österreichs Staatskasse. Sie sollen die angeschlagene Fluglinie vor der Pleite bewahren. Insgesamt 450 Millionen Euro Staatshilfe gibt es. Im Juni verkündete die Regierung die AUA gerettet zu haben: Neben dem jetzt fälligen direkten Zuschuss gibt Österreich Garantien auf Bankkredite in Höhe von 300 Millionen Euro.

Im Gegenzug für die Staatshilfen versprach die AUA und deren Konzernmutter Lufthansa auch einiges: Der Standort Wien als Hauptquartier und Drehkreuz soll erhalten bleiben, die Flotte in Zukunft weniger Treibhausgase ausstoßen und Inlandsflüge sollen auf die Bahn verlagert werden. Wie das vertraglich geregelt wird, wäre interessant zu erfahren. Was genau haben die Republik Österreich und die AUA da eigentlich vereinbart?

Ich darf Sie auf die Zuständigkeit des Finanzministeriums hinweisen.
Klimaschutzministerium von Leonore Gewessler

Wer einfach einmal danach fragt, erntet vonseiten der Beteiligten nur Schulterzucken. Die gerettete Austrian Airlines ist zugeknöpft: „Leider können wir weder Vertragsinhalte noch den genauen Wortlaut der Vereinbarungen mit Ihnen teilen“, sagt Sprecherin Tanja Gruber zu MOMENT. Das Klimaschutzministerium von Leonore Gewessler fühlt sich nicht verantwortlich: „Ich darf Sie auf die Zuständigkeit des Finanzministeriums hinweisen“, sagt Sprecher Florian Berger zu MOMENT.

Im Finanzministerium von Gernot Blümel gibt man sich ahnungslos. „Wir sind dafür gar nicht zuständig“, sagt Sprecher Johannes Pasquali zu MOMENT. Man sei weder daran beteiligt gewesen den Deal auszuhandeln, noch habe das Ministerium Einblick in den Vertrag. Auf Nachfrage von MOMENT, ob das Ministerium den Vertrag tatsächlich nicht im Detail kennt, verweist ein Sprecher kommentarlos auf die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage.

Kennt nicht einmal der Finanzminister die Verträge?

Mitte Juni forderte darin der FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker den Finanzminister auf, die Verträge zwischen der Republik und der Austrian Airlines offenzulegen. In der vergangenen Woche gab Gernot Blümel Antwort: Das Ministerium sei nicht zuständig. Vertragsparteien der Vereinbarung seien die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) und die COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG), „und somit nicht das Bundesministerium für Finanzen“. Lediglich „auf strategischer Ebene wurden Gespräche zwischen Vertretern des Lufthansa Konzerns und Vertretern der Bundesregierung geführt“, so Blümel (Dokument als pdf).   

„Aus Vertraulichkeitsgründen werden Verträge nicht offengelegt“, sagt ÖBAG-Sprecherin Melanie Laure zu MOMENT. Und die COFAG? Diese GmbH in vollständigem Besitz des Staates verteilt die 38 Milliarden Euro Staatshilfen an durch die Corona-Krise notleidende Unternehmen. Die COFAG wurde – unter etwas nebulösen Umständen – extra dafür gegründet.

Und sie lässt sich gar nicht gern in die Karten schauen. „Ich bitte um Verständnis, dass wir aus Gründen des Datenschutzes keine Anträge beziehungsweise Verträge einzelner Unternehmen an die Öffentlichkeit weitergeben können“, sagt ein COFAG-Sprecher zu MOMENT. Er besteht darauf, in Medien nicht namentlich genannt zu werden.

Pflicht zur Verschwiegenheit steht über allem

Neben den Geschäftsführern Bernhard Perner und Marc Schimpel sitzen in der COFAG 17 Personen in Aufsichtsrat und Beirat. Sie entscheiden darüber, wie die Rettungsgelder verteilt werden und was mit den Unternehmen vereinbart wird. Der Beirat wird allerdings erst hinzugezogen, wenn es um Hilfen im Ausmaß von mehr als 25 Millionen Euro geht. Bei der AUA ist das der Fall.

MOMENT kontaktierte sämtliche Mitglieder von Beirat und Aufsichtsrat. Wir wollten von ihnen wissen, was im AUA-Vertrag vereinbart worden ist. Immerhin sechs MitgliederInnen meldeten sich zurück. Die Antworten fielen wenig überraschend und immer beinahe gleichlautend aus. „Die Mitglieder des COFAG-Beirats unterliegen einer Verschwiegenheitspflicht“, sagt etwa Christoph Neumayer von der Industriellenvereinigung zu MOMENT.

Wir stellten den Mitgliedern der Gremien aber noch weitere Fragen: Wir wollten wissen, ob sie es befürworten, den Vertrag zumindest dem Nationalrat zugänglich zu machen. Und falls nicht, was denn dagegen spricht. Niemand ging auf die Fragen ein.

Umgehungskonstruktion, mit der man Milliarden an der parlamentarischen Kontrolle vorbeischlawinert
Karin Doppelbauer, Budgetsprecherin NEOS

Wer bei der COFAG in Aufsichtsrat oder Beirat sitzt, darf nicht darüber sprechen, was dort gesagt, entschieden und ausgehandelt wird. „Die können nicht nach draußen gehen und hier berichten“, sagte dazu die NEOS-Budgetsprecherin Karin Doppelbauer in einer Nationalratssitzung. Auch deshalb weigerten sich die Oppositionsparteien SPÖ, NEOS und FPÖ je eine Person in den Beirat zu schicken.

Doppelbauer nannte die COFAG eine „Umgehungskonstruktion“, mit der man die Milliarden an Rettungsgeldern „an der parlamentarischen Kontrolle vorbeischlawinert“. Den AUA-Deal bekamen die ParlamentarierInnen jedenfalls bisher nicht zu Gesicht. Und: „Das ist auch nicht geplant“, sagt der COFAG-Sprecher zu MOMENT.

Staatliche Rettungsgelder werden ohne Kontrolle verteilt

Schon andere bissen sich hier die Zähne aus: Das Forum Informationsfreiheit, eine NGO, die für mehr Transparenz in der Verwaltung kämpft, wollte Anfang Juni den Wortlaut des Vertrages zwischen Republik und Unternehmen erfahren. Adressat waren das Finanzministerium und Klimaschutzministerium, die zuvor den Deal auch verkündeten. Rechtliche Grundlage der Anfrage war das Auskunftspflichtgesetz.

Knapp zwei Monate später antwortete das Finanzministerium. Die Auskunft liest sich beinahe wortgleich wie die an den Nationalrat: Das Ministerium sei nicht zuständig, dafür COFAG und ÖBAG. Die Anfrage betreffe „keine in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Finanzen fallenden Gegenstände der Vollziehung“ heißt es in feinstem Beamtendeutsch.

Sowohl Nationalrats-Abgeordnete, die mittels parlamentarischer Anfragen an die Bundesregierung mehr über die AUA-Verträge erfahren wollen, als auch NGOs, die sich auf das Auskunftspflichtgesetz berufen, zerschellten an der COFAG-Konstruktion. Die ist zwar im Staatsbesitz, aber rechtlich dennoch eine private GmbH und damit für diese Kontrollinstrumente nicht greifbar. Ob zumindest der Rechnungshof dem Unternehmen auf die Finger schauen kann, ist laut MOMENT vorliegenden Informationen noch gar nicht klar.

So bleiben nur zwei Schriftstücke, die Hinweis darauf geben könnten, was Österreich mit der AUA vereinbart hat. Es sind Dokumente aus einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung der Fluglinie am 4. Juni, also wenige Tage bevor die AUA-Rettung verkündet wurde. Sie wurden den NEOS zugespielt, die sie in parlamentarischen Anfragen an Finanzminister Blümel vom 7. August und in einer Anfrage an Klimaschutzministerin Gewessler vom 19. August anfügen.

So könnte sich die AUA aus dem Vertrag kaufen

Im ersten Aufsichtsrats-Dokument werden die 150 Millionen Euro „Katastrophenbeihilfe“ der Republik Österreich erwähnt, und dazu erläutert, welchen Bedingungen der 300 Millionen Euro schwere Bankkredit unterliegt, für den der Staat garantieren soll. Im zweiten Dokument aus der Sitzung des Aufsichtsrats der AUA geht es um die Klimaschutz-Auflagen, die der AUA gemacht worden sind. Es sind offensichtlich Entwürfe für den zu unterzeichnenden Rettungsvertrag.

Der CO2-Ausstoß der AUA-Flotte soll innerhalb der kommenden zehn Jahre um 30 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 sinken, innerösterreichisch um 50 Prozent. Das soll unter anderem dadurch erreicht werden, Verbindungen zu streichen, „falls Direktverbindung zum Flughafen deutlich <2,5h vorhanden sind“, heißt es im Dokument. In der öffentlich verkündeten Einigung wurden aus dieser Schwelle von zweieinhalb Stunden Zugfahrzeit schlussendlich 3 Stunden. MOMENT berichtete über die gemachten Zusagen.

Diese Punkte sind nur dann zu erfüllen, wenn der Erfüllung keine wirtschaftlichen Gründe entgegenstehen.
Dokument aus AUA-Aufsichtsrat

In beiden Dokumenten fallen Sätze auf, die ganz zum Ende kommen: „Sämtliche Auflagen unterliegen einem Wirtschaftlichkeitsvorbehalt“, heißt es unter den Umweltauflagen, denen sich die AUA verpflichten soll. Ein „Wirtschaftlichkeitsvorbehalt“ wird auch im Aufsichtsrats-Dokument angeführt, das die Finanzhilfen erläutert. „Das bedeutet, dass diese Punkte nur dann zu erfüllen sind, wenn der Erfüllung keine wirtschaftlichen Gründe entgegenstehen“, steht als hier Schlusssatz.

 
Ausschnitt aus einem Dokument aus der AUA-Aufsichtsratssitzung.

Ausschnitt aus Dokument von AUA-Aufsichtsratssitzung. Stehen solche Klauseln im AUA-Vertrag, könnten gemachte Zusagen hinfällig werden. Hervorhebung: moment.at

Was das heißen soll? Alle Vereinbarungen seien damit praktisch „auf Sand gebaut“, sagte NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger. Ob Standortgarantie oder Umweltauflagen, unter dem Stichwort „Wirtschaftlichkeitsvorbehalt“ könne AUA-Eigner Lufthansa jederzeit anders entscheiden. AUA-Sprecher Peter Thier wies dies Anfang August als „nicht nachvollziehbar“ zurück.
MOMENT fragte bei der AUA nach, was hieran „nicht nachvollziehbar“ sei. Dazu wollten wir wissen, ob der Inhalt der Dokumente so zutrifft und ob sie Teil des Rettungsvertrags geworden sind. Die Antwort stand bei Redaktionsschluss noch aus.

Standortgarantie und Drehkreuz in Wien? Das könnte hinfällig werden

Daneben sorgt eine weitere Klausel im Dokument des Aufsichtsrates für Stirnrunzeln: Darin heißt es, die getroffene Vereinbarung gelte “grundsätzlich 6 Jahre”. Zusatz: “Eine vorzeitige Beendigung ist durch Kredittilgung und Begleichung der zu diesem Zeitpunkt ggf. fälligen Pönale jederzeit möglich.”

Falls dies so Teil des Vertrages geworden ist, könnten sich Lufthansa und AUA aus dem Vertrag herauskaufen. Die von Österreichs Regierung stolz verkündete und teuer erkaufte Standortgarantie und die Zusage fürs Drehkreuz Wien – sie könnten hinfällig sein. Klären könnte das: ein Blick in den Rettungsvertrag mit der Austrian Airlines.

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