Überbetriebliche Lehre: “Wir Jugendlichen werden da geparkt”
Lukas ist 17 Jahre alt und begann ursprünglich eine Ausbildung in der KfZ-Branche. Die sei aber schnell zur Qual geworden. Er erzählt von Mobbing und sogar tätlichen Angriffen. Der junge Wiener sah keinen anderen Weg, als die Ausbildung abzubrechen. „Obwohl ich immer arbeiten wollte“, betont er. Nach zwei Monaten Arbeitslosigkeit landete er in einer Schulungseinrichtung für die ÜBA zum Tischler.
Die ÜBA ist ein wesentliches Element der Ausbildungsgarantie bis 25. Jugendliche, die „trotz aller Bemühungen keine Lehrstelle in einem Unternehmen finden“, wie es auf der Webseite des Arbeitsmarktservice heißt, können auf diesem Wege einen Beruf erlernen. Eigentlich eine gute Sache, findet Lukas. Doch die Umsetzung sei mangelhaft.
Die überbetriebliche Lehre ist schlecht bezahlt.
Die Kritik beginnt bei der Entlohnung. Die ÜBA ist zwar gesetzlich gleichgestellt mit einer regulären Lehre, die Entlohnung spricht aber eine andere Sprache.
Der Kollektivvertrag für Lehrlinge in Tischlereibetrieben liegt aktuell bei 728 Euro brutto im ersten Lehrjahr, 881 Euro im zweiten, 1.323 Euro im dritten und im vierten bei 1.661 Euro. (2023 werden die Löhne noch erhöht). In der überbetrieblichen Lehre erhalten die Auszubildenden eine Beihilfe von 361,50 Euro im ersten und zweiten Lehrjahr und 834,90 Euro im dritten und vierten Lehrjahr.
Das war allerdings nicht immer so. Die Regierung aus ÖVP und FPÖ hat 2018 die Ausbildungsbeihilfen gekürzt. Von 753 Euro auf 325 Euro. Arbeiterkammern und Gewerkschaften fordern die Erhöhung bzw. Anpassung an die Lehrlingsentschädigungen der regulären Ausbildungen.
3 % mehr Lohn bei fast 11 % Inflation
Und es wird noch schlimmer. In den vergangenen Wochen und Monaten wurden in den unterschiedlichsten Branchen die Kollektivverträge und Lohnerhöhungen verhandelt. Arbeitnehmervertreter:innen versuchten Lohnerhöhungen zu erkämpfen, die die aktuelle Teuerung von über 10 Prozent abfedern. Auch für die Lehrlinge in diesen Branchen.
Das Holz und Kunststoff verarbeitende Gewerbe, wo auch Tischlereien dazuzählen, verhandelt seine Lohnerhöhungen erst im Frühjahr. Welche Lohnerhöhung Lehrlinge in einem Betrieb erwarten können, bleibt also noch offen. In jenen Branchen, die sich bereits geeinigt haben, konnten die Arbeitnehmer:innen allerdings hohe Steigerungen für die Auszubildenden erreichen. Die Gehaltserhöhung im öffentlichen Dienst liegt bei mindestens 170 Euro. Damit steigen die Lehrlingseinkommen um bis zu 25 Prozent. Bei der A1 Telekom steigen sie um 200 Euro brutto. Das sind im ersten Lehrjahr knapp 24 Prozent.
Lehrlinge der überbetrieblichen Ausbildung hingegen erhalten eine Erhöhung von drei Prozent. Das sind im ersten und zweiten Lehrjahr 11 Euro, im dritten und vierten 25 Euro. Durch die Teuerung und die fehlende Anpassung der Beihilfe steigen die ohnehin bereits benachteiligten Auszubildenden zunehmend noch schlechter aus.
Mangelhafte Ausbildung, fehlende Perspektiven
Doch nicht nur die Entlohnung, auch die Ausbildung kritisiert Lukas. Er erzählt, dass er nur wenige Stunden in der Woche in der Werkstatt sei. Den Großteil seiner Arbeitszeit verbringe er mit Mathematik, Spielen oder dem Schauen von Filmen. Auf das Arbeitsleben werde er jedenfalls nicht vorbereitet. „Selbst wenn ich die Lehrabschlussprüfung schaffe, kann ich mir nicht vorstellen, dass ich mit dieser Ausbildung in einem regulären Betrieb weit kommen werde“, kritisiert Lukas die Ausbildung. Er macht sich Sorgen über seine Zukunft. Und damit ist er nicht allein. Bereits vergangenes Jahr schilderten uns junge Menschen ähnliche Erfahrungen und Sorgen.
6.880 junge Menschen waren 2021 in einer ÜBA. Das sind 6,4 Prozent aller Lehrlinge. Gesamt gab es in Österreich rund 108.000 Lehrlinge und ca. 28.500 Lehrbetriebe. Erstmals gab es einen Lehrlingsmangel statt einer Lehrstellenlücke. Durchschnittlich waren 6.870 Menschen auf Lehrstellensuche, während 7.240 Lehrstellen offen waren. Rein statistisch sollte also jede:r Jugendliche die Möglichkeit auf einen Ausbildungsplatz haben. Die Statistik berücksichtigt aber nicht, wo die Jugendlichen leben und wo die Stellen angeboten werden oder ob die gewünschte und die angebotene Ausbildung übereinstimmen.
Lukas ist einer der Jugendlichen, der nicht in diese Statistik passt. Inzwischen hat er Aussichten auf eine reguläre Ausbildung in dem Unternehmen, in welchem er ein Praktikum gemacht hat. Und damit die Aussicht auf den entsprechenden Lohn – und eine Ausbildung, die ihn gut auf die Arbeitswelt vorbereitet.