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Ungleichheit

Was das Abtreibungsverbot in Polen mit meiner Oma zu tun hat

In Polen sind straffreie Abtreibungen so gut wie Geschichte. Hierzulande ist die Lage besser - aber die Erinnerungen an die Zeit vor der Fristenregelung leben weiter. Zum Beispiel in meiner Oma.

Straffreie Abtreibungen sind in Polen so gut wie Geschichte. Der Verfassungsgerichtshof hat festgestellt, dass sogar Schwangerschaftsabbrüche bei schwerer Schädigung des Fötus rechtswidrig sind. Das bedeutet, dass Frauen praktisch dazu gezwungen werden, Kinder auszutragen, die keine Chance aufs Überleben haben.

Eine Zeit, in der so gut wie jeder Schwangerschaftsabbruch strafbar war, ist aber auch in Österreich noch gar nicht so lange her. Erst die Fristenregelung hat ermöglicht, dass man in den ersten drei Monaten eine Schwangerschaft beenden darf, ohne bestraft zu werden. Unsere Großeltern erinnern sich noch an eine Zeit davor. Meine Oma zum Beispiel.

Ich kann nicht mehr sagen, wie ich erfahren habe, dass meine Oma 1971 einen illegalen Schwangerschaftsabbruch hat vornehmen lassen. Sie hat es wohl so nebenbei erwähnt.

Heiße Bäder

Vier Jahre bevor die Fristenregelung in Kraft trat, wurde sie schwanger. Zwei Kinder hatte sie schon, das Geld war knapp. „Ich wollte einfach kein Kind mehr“, hat sie mir gesagt, als ich sie kurz darauf zu ihrer Erfahrung interviewt habe. Ihr Gynäkologe riet ihr, sehr heiße Bäder zu nehmen. Die könnten eine Schwangerschaft beenden. Und falls das nicht klappte? „Sie haben schon zwei Kinder, dann haben sie halt drei.“

Wie genau sie den Arzt gefunden hat, der den Abbruch schließlich durchgeführt hat, weiß sie nicht mehr. Ihr Mann lieferte sie dort ab. Narkose, keine Aufklärung, irgendetwas passierte, fertig. Ihr Mann holte sie ab. Meine Oma meldete sich krank. Mit den leichten Schmerzen und den Gewissensbissen war sie alleine. Unterstützung hatte sie in der Zeit keine.

Befreiend und traurig

Vier Jahre nach ihrem Schwangerschaftsabbruch kam dann die Fristenregelung. „Ich fand das super“, sagt meine Oma. „Jede Frau muss das für sich und ihren Körper entscheiden.“

Ihre Gefühle zum Abbruch sind heute noch widersprüchlich. „Ich denke oft an das Kind“, sagt sie. Aber auch: „Es war die richtige Entscheidung.“ Manche stecken den Eingriff wie eine Routineuntersuchung weg, andere nagen länger daran. Ein Abbruch kann befreiend sein und traurig. Gleichzeitig. Als Gesellschaft können wir zumindest dafür sorgen, dass sie Umstände einfacher werden. Und das sind sie in Österreich immer noch nicht. Die Kosten sind hoch, in manchen Bundesländern gibt es kaum ÄrztInnen, die Abbrüche durchführen.

In Polen sind Abtreibungen schon lange in den Untergrund gewandert. 150.000 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr –  so viele soll es laut Schätzungen geben. Ob alle 150.000 Menschen das Glück haben werden wie meine Oma, bei einem ausgebildeten Arzt zu landen? Ich bezweifle es.

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