Widerstand gegen Photovoltaik: Solarstrom gerne, aber doch nicht hier
Nachdem alles vorbei war, machte Ernst Edelmann sich erst einmal ein Bier auf. Aus Frust. „Als die Ergebnisse der Volksbefragung kamen, bin ich in meinem Büro gesessen mit einem engen Wegbegleiter. Wir haben zwei, drei Bier getrunken, dann bin ich heimgegangen“, sagt der Bürgermeister von Wimpassing an der Leitha im Burgenland. Am Rande der Gemeinde wollte er eine Photovoltaik-Anlage bauen lassen.
52 Hektar groß sollte sie werden. Der Gemeinderat war dafür, das Land auch, das Versorgungsunternehmen Energie Burgenland stand als Betreiber bereit. Das Problem: Im Februar diesen Jahres sprachen sich 490 Bürger:innen in einer Volksbefragung dagegen aus, und nur 310 stimmten dafür. „Da ist unser Kartenhaus zusammengebrochen. Leider. Das war ein Stich ins Herz“, sagt Edelmann.
Die Photovoltaik-Anlage wäre die größte im Land
Heute sitzt er wieder in seinem schmucklosen Büro im Amt der 1.700-Seelen-Gemeinde. Ein schlichter Schreibtisch mit Metallgestänge, davor ein paar gepolsterte Sessel, das muss reichen an Gemütlichkeit. Gleich neben seiner Tür ist eine Poststelle eingerichtet, einer der Rollwägen für Pakete steht bei Edelmann im Büro. Der 47-Jährige trägt Kurzarmshirt und ist schnell beim Du. Seit 2017 ist der SPÖ-Politiker Bürgermeister.
Im Hauptberuf ist er Techniker bei einem Medienunternehmen. Die ÖVP hatte die Befragung angestrengt. Sie lehnt die „Mega-PV-Anlage“ ab, wie sie sie nennt. Und jetzt kommt sie auch nicht nach Wimpassing. Die aufgereihten Sonnenenergie-Kollektoren wären das größte Kraftwerk seiner Art in Österreich geworden – viermal weitläufiger als die bisher größte Photovoltaik-Anlage im Süden Wiens.
Edelmann hätte die Volksbefragung ignorieren können. Sie ist nicht bindend, im Gemeinderat haben die Befürworter von SPÖ und FPÖ die Mehrheit. „Aber ich habe dann gesagt: Wir können uns nicht darüber hinwegsetzen. Es ist jetzt erstmal vom Tisch. Ja, leider.“ Wie konnte es dazu kommen? Erneuerbare Energie vom Feld. Sonnenkollektoren, die beinahe geräuschlos Strom erzeugen. Um die Klimaziele zu erreichen – oder ihnen zumindest nahe zu kommen – braucht es mehr davon.
Mehr Photovoltaik? Die Gegner der Anlage wollen das auch
Wenn das jetzt im großen Stil passieren soll, wer kann da etwas dagegen haben? Schon jetzt wird fleißig ausgebaut: Im Jahr 2020 stieg die Nennleistung aller Photovoltaik-Anlagen, die Strom ins Netz speisen, erstmals auf über 2.000 MW, das sind 38 Prozent mehr als im Jahr davor. Allerdings ist das ein Wachsen von niedrigem Niveau aus. Strom aus Photovoltaik trug im Jahr 2020 gerade einmal 1,7 Prozent zur Energie aus Erneuerbaren in Österreich bei.
Edelmann will das ändern – und sein Gegner in der Abstimmung sagt, das wolle er auch. „Ich habe die Volksbefragung auf den Weg gebracht“, sagt Johann Kauper. Er betreibt einen Schlüsseldienst in Wimpassing, sein Büro ist nur einen Steinwurf vom Gemeindeamt entfernt. Im zweiten Satz betont er: „Ich bin absolut für Photovoltaik, aber da, wo sie hingehört: auf Dächer und versiegelte Flächen.“
Kauper ist parteilos. Er tritt im Oktober bei der Wahl zum Bürgermeister gegen Edelmann an. Die ÖVP unterstützt ihn. Kauper wähnt sich nicht allein. „Niemand hier sagt: Ich bin gegen Sonnenenergie.“ Aber die Paneele auf das Feld zu stellen, dagegen hätten sie etwas. „Das ist hervorragende Ackerfläche“, sagt Kauper. Und die sollte man auch entsprechend nutzen. Also dafür, Getreide anzubauen, für Landwirtschaft im großen Stil eben.
Der Plan: Naturwiesen für mehr Biodiversität
Der Plan des Bürgermeisters sah vor, die Photovoltaik-Paneele in der Höhe zu montieren. Der Boden darunter „wären Naturwiesen geworden, so wie es früher war“, sagt Ernst Edelmann. „Das wäre wichtig für die Biodiversität, gegen das Insektensterben und für die Bienen. Ohne Bienen hast du über kurz oder lang auch kein Getreide“, erläutert Edelmann. Gegenspieler Kauper ist nicht überzeugt. „Was sie da machen können mit Kleewiesen und Schafzucht, das halte ich für nicht zielführend“, sagt er.
Er vermutet ganz andere Interesse beim ambitionierten Plan, im Burgenland große Photovoltaik-Anlagen zu bauen. „Es ist einfach günstiger auf den Freiflächen als auf Gebäuden. Da spielen finanzielle Interessen des Landes eine Rolle“, sagt er. „Die wollen den Strom verkaufen. Das sind rein wirtschaftliche Gedanken“, so sein Vorwurf.
Und: „Es ist eine lukrative Pacht für die Besitzer der Felder. 40 Jahre ist diese garantiert. Wäre ich Grundeigentümer, würde ich das auch machen“, sagt Kauper. Irgendwann kommen noch andere Argumente. Kauper sagt: „Wir sind im Burgenland schon recht gut unterwegs mit Photovoltaik.“ Wimpassing sei ein kleiner, feiner Ort, so Kauper. Und letztlich laute die Frage auch: „Will ich das bei mir im Ort haben?”
Alle reden, niemand macht – Wimpassing sollte da anders sein
Für Wimpassings Bürgermeister Edelmann war das eine große Herausforderung. „Jeder meint, das ist in Ordnung, aber nicht vor meiner Haustür“, sagt er. Das habe er oft gehört. Dennoch wollte er das Projekt durchziehen. „Ich wusste, dass ich mich wahrscheinlich unbeliebt damit machen werde.“ Edelmann sagt, er wollte weg vom Floriani-Prinzip: „Jeder redet nur drüber, aber keiner tut was. Das erlebst du überall, in Europa und auf der ganzen Welt.“
Edelmann wollte da anders sein. Er dachte, „durch eine Informationskampagne werden wir die Leute dazu bewegen können, dass sie das Projekt akzeptieren“. Wochen vor der Abstimmung machten ihm Online-Umfragen lokaler Medien Mut. Aber: „Die Botschaft ist am Ende nicht mehr angekommen“, sagt Edelmann. Natürlich könne jeder Haushalt einen Beitrag leisten, „indem er Solarpaneele auf die Dächer schraubt“, sagt Edelmann. Doch nur Dachflächen zu bestücken und Parkplätze zu überbauen, „das wird zu wenig sein“, sagt er. „Ich bin überzeugt, dass ein wirksamer Einfluss nur zu erreichen ist, indem die Politik hier die Linie vorgibt“, sagt er.
Burgenland verordnet sich 19 Zonen für Photovoltaik
Wimpassing sollte ein Teil der klimafreundlichen Energiezukunft werden. Das kleine Burgenland denkt groß bei Sonnenstrom. Als erstes Bundesland definierte es im vergangenen Jahr per Verordnung 19 Eignungszonen für den Bau von Freiflächenanlagen für Photovoltaik. Rund 1.440 Hektar Land macht das aus, jetzt abzüglich der Fläche in Wimpassing.
Kritisiert wird, dass 85 Prozent der ausgewählten Flächen nur vier großen Grundbesitzern gehören. Allen voran die Familie Esterházy, auf die allein ein Drittel des Flächenkuchens abfällt. Auch in Wimpassing sind die Esterházys dabei. Ein Umstand, der laut Bürgermeister Edelmann nicht dabei geholfen hat, Gegner:innen zu überzeugen. Die Flächen würden auf 40 Jahre verpachtet, es ist eine sichere Einnahmequelle.
Die 1.440 Hektar sollen mit möglichst vielen Solarpaneelen bebaut werden. Das klingt viel, ist aber ein Bruchteil der knapp 203.000 Hektar landwirtschaftlich genutzter Grünfläche in dem Bundesland. Und es ist laut Flächenwidmungsplan gerade doppelt so viel Raum wie im Burgenland Golfplätze einnehmen. Und: „8.000 Hektar landwirtschaftliche Fläche liegen im Burgenland jedes Jahr brach“, sagt Edelmann.
Soll heißen: 52 Hektar in Wimpassing für die Sonnenenergie zu verwenden, wäre wohl nicht die Welt gewesen. „Es ist bitter. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass das wichtig wäre und gut ist“, sagt er und fügt an: „Aber ja, ist halt so.“