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Arbeitswelt

Mehr Überstunden steuerfrei in Österreich?

Mehr Überstunden steuerfrei in Österreich? - Moment mal
Mehr Überstunden steuerfrei in Österreich? - Moment mal, sagt Barbara Blaha.

Arbeitsminister Martin Kocher greift einen Vorschlag der ÖVP auf. Im Arbeitskräftemangel könnten wir doch noch mehr Überstunden in Österreich steuerfrei machen. Moment mal mit Barbara Blaha.

Na? Wo sind sie denn? Die ganzen Arbeitskräfte? Keiner mehr da? Moment mal!

Landauf, landab klagen die Unternehmen wie schwer es ist, Leute zu finden.

„Fachkräftemangel?“ Ein Trick

Und sie reden dabei immer von “Fachkräftemangel”. Aber das ist nur ein blöder Trick. Woran es einigen Branchen eigentlich mangelt, sind doch fair bezahlte, gscheite Jobs …?

Da wird der Arbeitsminister wach, kramt ganz tief in der Schublade und holt eine Idee raus, die der Klubobmann der ÖVP, August Wöginger schon vergangene Sommer hatte. Sein Vorschlag: 20 Überstunden sollen von der Steuer befreit werden. Die Idee dahinter: So machen mehr Leute Überstunden … und kompensieren die Arbeitskräfte, die im Betrieb gerade fehlen.

Mehr steuerfreie Überstunden in Österreich?

Derzeit sind die ersten 10 Überstunden pro Monat steuerfrei. Martin Kocher findet das jetzt auch eine gute Idee. Das ist dann doch ein interessanter … Strategie-Wechsel von DEM Arbeitsminister, der vor kurzem noch allen Teilzeit-Kräften die Sozialleistungen zu kürzen – als “Anreiz”, doch Vollzeit zu gehen.

Jetzt hat der Minister die Peitsche also verräumt … und will Zuckerbrot verteilen.

Schauen wir uns den Vorschlag im Detail an:

Wem nützen steuerfreie Überstunden?

10 Stunden sind jetzt schon steuerfrei. Von einer Erhöhung auf 20 hätten vor allem Besserverdiener was: Ihr Stundenlohn ist ja höher; damit ist auch der übliche 50-Prozent Zuschlag für jede Überstunde höher. Und: Die Überstunde eines Top-Verdieners wird höher besteuert als die Überstunde von jemandem, der für den Mindestlohn hackelt.

Von der Steuerentlastung profitieren also am meisten die, die gut verdienen. Genauer gesagt heißt das:  Der Staat würde mit dieser Maßnahme auf 175 Millionen Euro Steuern verzichten. Und davon gehen nur mickrige 3 Millionen an das Fünftel, das am wenigsten verdient. Aber 75 Millionen Euro an die Top-Verdiener:innen.

Wir machen schon zu viele Überstunden

Der Vorschlag ist auch deshalb makaber, weil: Wir machen 192 Millionen Überstunden im Jahr. Von diesen 192 Millionen werden aber 47 Millionen einfach nicht bezahlt. Also nicht nur nicht steuerlich begünstigt; sondern: gar nicht.

Ein knappes Viertel aller Überstunden hackeln die Österreicher:innen gratis, einfach, weil manche Arbeitgeber das Arbeitsrecht eher so als Empfehlung sehen. Statt als ArbeitsRECHT. Natürlich, wie könnte es anders sein, sind auch diese unbezahlten Stunden eine klare Frauendomäne: Den Frauen in Österreich werden 27 Prozent der Überstunden nicht bezahlt; den Männern “nur” 19 Prozent.

Neue Arbeitskräfte durch Überstunden ersetzen?

Mehr Netto vom Brutto bleibt halt nur, wenn überhaupt bezahlt wird. Die Maßnahme hilft also nicht unbedingt. Aber: Würde sie wenigstens das Problem des Ministers lösen – also den Betrieben helfen, Arbeitskräfte zu finden? Das sagt der Minister:

Der Hintergrund seines Vorstoßes bestehe darin, dass viele Menschen aktuell mehr Stunden leisten müssten, um unter dem Druck von Personalknappheit den Betrieb aufrechtzuerhalten. Das Ziel sei daher nicht, Überstunden zu fördern oder entsprechende Anreize zu schaffen. Es soll eher eine Entschädigung für die schwierige Lage am Arbeitsmarkt sein“, so Kocher.

Aha, die Leute sollen gar nicht mehr arbeiten, aber gleichzeitig sollen sie es tun, weil es ist alles so schwierig.

Woran es wirklich mangelt

Also: helfen wir ihm mal ein bisserl. Derzeit kommen auf jede offene Stelle 3 arbeitssuchende Menschen. Von Vollbeschäftigung sind wir in Österreich weit entfernt. Gleichzeitig arbeiten Hunderttausende Frauen Teilzeit: Weil es nicht genug Kinderbetreuungsplätze gibt in diesem Land. Frauen sind mit der Familienarbeit schlicht … alleine: Für 70 Prozent der Kinder unter 6 Jahren in Österreich gibt es außerhalb der Städte keinen Betreuungsplatz, der einen Vollzeitjob zulässt.

Wie wäre es damit? Statt einer Maßnahme, von der vor allem Bestverdiener was haben. Die einen hohen Stundenlohn haben … und denen, nun ja, die Überstunden überhaupt bezahlt werden. Statt so einer Maßnahme, sorgen wir dafür, dass … alle arbeiten gehen können, die arbeiten gehen wollen. 

 

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