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Demokratie

Presseförderung: Der seltsame Fall unserer Ablehnung (und wie andere gefördert werden)

Presseförderung: Der seltsame Fall unserer Ablehnung (und wie andere gefördert werden)
Österreich fördert gedrucktes Papier.
Eine neue Journalismusförderung nimmt verschiedenste, klare Abhängigkeiten selbstverständlich in Kauf. Eine ÖVP-nahe Zeitung und ein rechtes Krawallmedium bekommen sie. MOMENT.at wurde als gemeinnütziger Verein abgelehnt. Darüber sollten wir reden, kommentiert Chefredakteur Tom Schaffer.

MOMENT.at gibt es seit bald sechs Jahren. Als ein Teil eines gemeinnützigen Vereins – dem Momentum Institut –  betreiben wir Journalismus. Wir finanzieren uns nicht über Werbung, verstecken unseren Journalismus nicht hinter Paywalls und gehören weder Milliardär:innen, Parteien noch Banken. Wir sind spendenfinanziert. Wer will, kann in unserem jährlichen Transparenzbericht seit jeher nachsehen, woher unser Geld kommt. Spenden, die an irgendwelche Bedingungen geknüpft sind, nehmen wir nicht an. Geld von Parteien auch nicht.

Alle Medien, Unternehmen und Organisationen sind auf irgendeine Weise von irgendjemandem abhängig. Unser Ziel ist es, dass tausende Kleinspender:innen unsere Arbeit möglich machen. Das geht, wenn man ganz von vorne startet, nicht von heute auf morgen. Ein guter Start ist dabei gemacht. Über 4.000 Menschen unterstützen uns, damit wir monatlich Hunderttausende informieren können.

Österreich hat viele Förderungen – auch für Medien

Ein junges Projekt zu unterstützen, dafür gibt es in Österreich viele Förderungen. Für Startups. Für Unternehmen. Auch Medien werden gezielt gefördert – wenn auch kaum gezielt junge. Aber neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk fördert und finanziert der Staat private Medien sogar großzügig – entgegen der ewigen Jammerei der Lobbyist:innen von Großmedien. Hunderte Millionen Euro fließen. Über teils wahnwitzige Förderungen und noch mehr über oft sehr offen als Förderung missverstandene Inserate öffentlicher Stellen und Betriebe. 

Ein Beispiel? Es gibt die “Digitale Transformationsförderung”. Die bekommen absurderweise  nur Print- und Rundfunkmedien. Denen muss man auch im vierten Jahrzehnt des World Wide Web noch helfen, sich im Neuland zurechtzufinden. Für Online-Medien findet hingegen offenbar kein Medienwandel statt. Wer einmal online ist, für den bleibt die Welt scheinbar immer schön gleich.

Die Projekte, die mit dieser Förderung finanziert werden, sind mal besser, mal fragwürdiger. Eines, das mich immer wieder amüsiert, wurde der Zeitung „ÖSTERREICH“ mit 300.000 Euro gefördert – es trug den Titel “Newsletter”. Da “nur” 50 Prozent eines Projekts gefördert werden, hat das Medium also bei der Projekteinreichung offenbar angegeben, dass dieses Projekt 600.000 Euro kostet.

Für. Irgendwas. Mit. Einem. Newsletter.

So einen verschicken wir seit bald 6 Jahren jeden Tag ohne Förderung.

Solche Auswüchse sind schon ein besonderes  Highlight, aber es gibt viele ähnliche Projekte in dieser Förderung. Ein anderes Beispiel: Wenn sich jemand fragt, warum viele Großmedien in Österreich in den vergangenen Jahren völlig belanglose TV-Sender auf irgendwelchen hinteren Programmplätzen im Kabelfernsehen aus dem Boden gestampft haben: Sie taten das nicht, weil das auch nur irgendjemand für besonders sinnvoll hält, sondern weil man Hunderttausende bis Millionen Euro Förderung bekommt

Aber: Für uns gibt es keine dieser Förderungen 

Aber: All das funktioniert vor allem für profitorientierte Privatunternehmen. Ein Projekt wie unseres kennt die österreichische Medienpolitik offenbar nicht. Schon, dass wir ein gemeinnütziger Verein sind, schließt uns oft davon aus, um Förderungen auch nur anzusuchen. Bei anderen scheitert es daran, dass wir ein reines Online-Medium sind und kein Papier bedrucken lassen. Es gab bisher praktisch keine Medienförderung, für die wir infrage kommen. 

Absurd ist es natürlich. “Presseförderung” geht Jahr für Jahr auch an die “Raiffeisenzeitung” (eine Wochenzeitung des Österreichischen Raiffeisenverbandes) oder an “Zur Zeit” (eine extrem rechte Zeitschrift, die von FPÖ-Politikern herausgegeben wird). Der Staat buttert Millionen durch Förderungen und Inserate in “Exxpress”, “OE24”, “Krone”, “Heute” und viele anderen Medien. Er gibt öffentliches Geld auch an Medien, deren Inhalte dann nicht alle Menschen lesen können – immer wieder fördert er sogar, dass eine Paywall eingeführt werden kann.

Unser Journalismus ist mitunter preisgekrönt und bewusst für alle frei verfügbar. Aber das, was wir tun, fördert die öffentliche Hand nicht. Diese Struktur zugunsten von profitorientierten Print- und Rundfunk-Medienkonzernen erschwert nicht nur uns, sondern auch anderen kleinen und digitalen Medien das Leben.

Und die neue Qualitäts-Journalismus-Förderung?

Man darf der früheren Türkis-Grünen Regierung zugutehalten, dass sie das zumindest ein wenig erkannt hat. Zum Jahreswechsel 2023/24 hat sie deshalb die Presseförderung reformiert. Die “Qualitäts-Journalismus-Förderung” wurde neu eingeführt.

Sie beinhaltet gute Dinge. Grob gesagt: Wer eine signifikante, aber auch für ein eher kleines Team vernünftig erreichbare Reichweite schafft, seine Journalist:innen dabei fair entlohnt, beständig selbst Inhalte erzeugt und dabei zumindest nicht so offensichtlich gegen Menschen hetzt, dass es staatlichen Organen aufgefallen wäre, bekommt eine Förderung. Sie erfasst auch Onlinemedien. Und: Wer auf Dinge wie Frauenförderung, Redaktionsstatut oder regionale Berichterstattung achtet, kriegt einen Bonus. Alles sinnvoll.

Wir hatten bis Anfang 2024 nicht damit gerechnet, dass diese Förderung etwas für uns sein könnte. Denn vor der Einführung wurde lange berichtet, dass man dafür riesige Reichweiten und Mengen an Inhalten brauchen würde. Absurde Maßstäbe wurden kolportiert, die wieder nur für Konzernmedien mit viel mehr Personal realistisch machbar wären. Als Anfang 2024 die finalen Kriterien bekannt wurden, war das eine Überraschung! Die Reform war besser als gedacht, die Bedingungen auch für uns in Griffweite. 

Wir wollten es versuchen, darum anzusuchen. Das war plötzlich recht viel unerwartete Arbeit. Die RTR – eine zuständige Regulierungsstelle – will dafür wirklich viel wissen. Und das rückwirkend. Man könnte sagen: Um die Förderung einreichen zu können, muss schon mal jemand einen guten Monat dafür bezahlt werden. 

Die KommAustria entscheidet

Das ist neben dem in der Regel gut gefüllten Alltag eine Herausforderung. Die Behörde  ist es augenscheinlich gewohnt, mit Konzernen zu tun zu haben. Bei der ersten Online-Infoveranstaltung zur Förderung im Jänner 2024 waren für andere Medien hauptsächlich Jurist:innen und Menschen aus Abteilungen, die ein kleiner Verein wie wir nicht hat – und normalerweise auch nicht braucht.

Aber das finden wir in Ordnung. Mit öffentlichen Geldern sollte sorgsam umgegangen werden. Die Mitarbeiter:innen der RTR waren außerdem nett und hilfreich auch bei Fragen, die für sie selbst noch neu waren. Über die Förderung entscheiden sie dann aber nicht. Das tut die übergeordnete, im Bundeskanzleramt angesiedelte, weisungsfreie Behörde “KommAustria”. Beraten wird sie dafür von einem fünfköpfigen Gremium, das von der Bundesregierung nominiert wird. 

Eine unerwartete Nachfrage

Schließlich hatten wir all die Dokumente zusammen und reichten sie ein. Dann kam eine erste Antwort. Genauer gesagt: eine Nachforderung. Sie erschien uns etwas seltsam. Wir sollten darlegen, wie die Unabhängigkeit der Redaktion denn bei MOMENT.at gewahrt sei – insbesondere von der Arbeiterkammer. Die unterstützt das Momentum Institut mit einer Spende. Das ist bekannt. Wir machen es ja selbst jedes Jahr transparent und öffentlich. Auch hier für alle: Spenden von ihr, vom „Guten Rat“ und Marlene Engelhorn,  einer gewerkschaftsnahen Stiftung, und einer wachsenden Zahl von mittlerweile eben über 4.000 Kleinspender:innen machten bisher unsere Arbeit in der Gründungszeit unseres immer noch jungen Vereins möglich. 

Diese Nachfrage irritierte uns. Denn egal was man von diesen Spenden hält. Sie verstoßen gegen kein Kriterium, das in den Förder-Richtlinien angeführt war. Die sagen: die Arbeiterkammer selbst dürfte kein Medium fördern lassen. Aber mit Spenden an unseren gemeinnützigen Verein ist keine Mitsprache im Verein verbunden. Anders als etwa eine Bank, die als Eigentümer auch Personal-Entscheidungen beeinflussen kann, kaufen Spender:innen keinen Einfluss. Und wir nehmen grundsätzlich kein Geld, das an Bedingungen geknüpft wird. Wir gehören nicht zur und wir gehören nicht der Arbeiterkammer. 

Unsere Spender:innen finden, wir machen gute Arbeit und es sollte uns geben – deshalb unterstützen sie uns. Wir füllen eine Lücke in der Medienlandschaft, nehmen eine Perspektive ein, die vielen Menschen lange gefehlt hat. Wir haben als progressives Medium im Interesse der Vielen einen ähnlichen Blick auf die Welt wie sie, deshalb geben sie uns Geld. Nicht umgekehrt.

Die Redaktion entscheidet

Wir hatten außerdem bereits im ursprünglichen Antrag dargelegt, wie die Unabhängigkeit der Redaktion gewahrt ist. Etwa durch ein Redaktionsstatut. Darin steht: Die Redaktion von MOMENT.at wird von einem Chefredakteur geleitet (das bin ich). Alle redaktionellen Entscheidungen werden in der Redaktion getroffen – unter Einhaltung der allgemeinen Blattlinie, ein progressives Magazin im Sinne der Vielen zu sein. 

Wir können dabei auf die Forschung und Expertise von Wirtschaftswissenschafter:innen zurückgreifen, die im anderen Teil des Vereins arbeiten (und ebenfalls bewusst keine Auftragsforschung betreiben), wenn das für unsere Beiträge interessant ist. Das tun auch andere Medien gerne. 

Finanzierung und Redaktion sind getrennt

Die Aufteilung in der Organisation funktioniert ansonsten, wie es in der Medienbranche bei guten Medien üblich ist. Es gibt einen Eigentümer (in unserem Fall: ein gemeinnütziger Verein), der sorgt für die Finanzierung. Eine Herausgeberin (in unserem Fall: Barbara Blaha) gibt die Blattlinie vor. Ein Chefredakteur (ich) trifft die redaktionellen Entscheidungen in Abstimmung mit der Redaktion. Die – unsere Journalist:innen, Social-Media-Expert:innen, Video-Spezialist:innen – arbeitet mit mir an den Inhalten. 

Die Aufgabe, unseren Verein zu finanzieren, hat nichts mit der Arbeit der Redaktion zu tun. Im Verein ist eine andere Abteilung für das Geld zuständig. Das Fundraising sitzt nicht einmal im selben Gebäude wie die Redaktion. Unsere Arbeitsteilung funktioniert ähnlich wie die Trennung zwischen Werbe- und Aboverkauf bzw. Redaktion in Qualitätsmedien. 

Und dann aber eben diese Rückfrage: Wie belegt ihr eure Unabhängigkeit? Ich sage es ganz offen. Kurz haben wir nach dieser seltsamen Rückfrage überlegt, ob wir den Antrag zurückziehen wollen. Wie belegt man etwas Selbstverständliches?

Und vor allem: Warum fragt man uns das? 

Warum uns die Frage hellhörig machte

Dazu, wie diese Frage bei uns ankommt, gibt es natürlich einen Kontext. Viele Medien in Österreich bekennen sich in ihren Blattlinien zu Weltanschauungen. Der „Standard“ ist zum Beispiel ein “liberales” Medium. Die „Presse“ ist ein “bürgerliches” Medium. Die “Kleine Zeitung” bekennt sich zu einer “christlichen Weltanschauung”. MOMENT.at versteht sich als “progressives” Medium. Das kennt man in Österreich nicht so. Wir werden in einer vor allem neoliberalen und konservativen Medien- und Politlandschaft auch dafür angefeindet

Wir haben eine sehr lange Liste an Journalismus, auf den wir stolz und andere neidisch sind. Aber in den Augen mancher können wir gar keinen Journalismus machen: auch für Medienleute, die zu signifikanten Teilen von Werbung staatlicher Institutionen und Betrieben finanziert werden. Das hat auch viel damit zu tun, dass wir eben andere, ungewohnte Standpunkte einnehmen und berichten. Wir lachen meist darüber, wenn der Distinktionszwang besonders blöd ist. Wir sind gelegentlich wütend darüber, wenn das Motiv dahinter merkbar gehässig ist. Wie jede Ablehnung kränkt es uns menschlich aber manchmal auch. Auf Dauer ist es anstrengend.

Kurz wollten wir auf den Antrag verzichten

Wir müssen hier über diese Erfahrungen nicht ins Detail gehen. Aber natürlich dachten wir dann in den frühen Monaten 2024 sofort an viele davon, als die RTR-Nachfrage zu unserer Unabhängigkeit kam. An die Frage: Läuft das jetzt schon wieder darauf hinaus? Will man uns schon wieder etwas ausrichten? Wollten wir uns wirklich der Gefahr aussetzen, uns den Ablehnungsgrund “Nicht unabhängig genug” aufstempeln zu lassen?

Für ein paar Tage haben wir wirklich gesagt: Lassen wir es. Es ist ungerecht und wir können das Geld zwar wirklich brauchen, aber es stand sowieso ein anstrengendes Jahr bevor. Lassen wir da keine Energie liegen. 

“ÖVP-nahe” Bauernzeitung bekommt Förderung

Dann wurde die Förderung rückwirkend vergeben. Zuerst für das Jahr 2022, für das wir deshalb gar nicht angesucht hatten. Und wir haben gesehen, wer berücksichtigt wurde und Geld bekommen hat. Darunter waren unter anderem mehrere Kirchenzeitungen und einige Medien, die im Besitz von Kirchen-Unternehmen sind. Das kann man etwas seltsam finden, aber der Einfluss von Kirchen wird in den Bedingungen der Förderung ausdrücklich erlaubt.

Aber: Parteien und deren Medien wäre die Förderung laut der Richtlinien untersagt. Nur: Ebenfalls unter den geförderten Medien war die “Österreichische Bauernzeitung”. Herausgegeben wurde die von Unternehmen im Eigentum des Bauernbundes. Der Bauernbund ist ein Teil der ÖVP. Wer ihm beitritt, wird damit in der Regel gleichzeitig auch Mitglied der Partei. Noch heute gibt es auf der Homepage des Bauernbundes einen direkten Link zur Bauernzeitung.

Klare Partei-Verbindung im Förder-Zeitraum

Erst ganz am Ende des Jahres 2023 – ungefähr als die Qualitätsjournalismusförderung finalisiert wurde – wechselte die Zeitung auf interessante Weise den Besitzer. Sie gehört nun einem damals ganz neu gegründeten Verein, der am Papier nicht mehr dem Bauernbund gehört. Der Vorsitzende des Vereins ist aber allerdings nicht nur ein ehemaliger ÖVP-Parlamentsabgeordneter, sondern auch ein Bauernbündler. Wie diese Übernahme der laut eigenen Angaben “bei weitem auflagenstärkste Wochenzeitung für den ländlichen Raum” durch einen neuen Verein finanziert wurde, ist nicht bekannt.

Man könnte hier weiter in die Tiefe gehen, um über diese neue Abgrenzung zu reden. Aber es wäre einer verständlichen Logik nach sogar unwichtig. Diese neue Vereins-Konstruktion könnte vielleicht genügen, um 2024 oder 2025 als Partei-unabhängig bewertet zu werden. Aber die „Qualitäts-Journalismus-Förderung” bekam die Bauernzeitung von der KommAustria ja sowohl für die Jahre 2022 (und später auch erneut für 2023, 2024 und 2025) zugesprochen. In den ersten beiden Jahren war sie auf jeden Fall noch in der Eigentumskonstruktion des Bauernbundes – und damit einer ÖVP-Teilorganisation.  (Die RTR sagte uns bei einem späteren Austausch, es gelte der Zeitpunkt des Förder-Antrags.)

Wie wir unsere redaktionelle Unabhängigkeit sichern

Da standen wir also mit offenem Mund. Auf der einen Seite die Nachfrage, nach unserer Unabhängigkeit wegen einer Spende. Und auf der anderen der Entscheid, dass die Zeitung einer ÖVP-Teilorganisation gefördert würde. Und dann haben wir beschlossen: Wenn Medien von eigentlich klar in den Richtlinien ausgeschlossenen Parteiorganisationen förderwürdig sind, dann kann das bei uns als unabhängigem Verein nur wegen einer Spende erst recht keine Frage sein. Und wenn die KommAustria etwas anderes entscheidet, dann wäre das eine öffentliche Diskussion wert.

Also haben wir eingereicht. Auch auf die Gefahr hin, dass die Entscheidung fallen würde, egal wie gut wir unsere Unabhängigkeit sichern und erklären. Wir haben eingereicht, zusammen mit der erbetenen Stellungnahme – noch einmal mit einer Liste an Dingen, die die Unabhängigkeit der Redaktion sichern: 

  • Ein Redaktionsstatut gemäß Mediengesetz, das die Rechte der Redaktion festlegt. 
  • Dazu gehören Entscheidungshoheit über die Berichterstattung der Redaktion unter einem Chefredakteur (im betroffenen Jahr 2023 war das zeitweise sogar eine geteilte Rolle von mir und einer zweiten Chefredakteurin). 
  • Ein Betriebsrat, der einen Verstoß dagegen zusätzlich beeinspruchen könnte. 
  • Die klare Trennung von Finanzierung und Redaktion. 
  • Die kategorische Ablehnung von Spenden an den gesamten Verein, die von Parteien kommen oder an Bedingungen oder Mitspracherechte geknüpft sind.

Entscheidung: Abgelehnt

Dann haben wir gewartet. Ein paar Wochen später, kam die Entscheidung. Abgelehnt.

Wie schlecht diese Entscheidung inhaltlich abgesichert war, kann man an einem ganz einfachen Punkt ablesen. Die Förderrichtlinien wurden nämlich danach auf mysteriöse Weise geändert. Und zwar so, dass sie uns nun fast zielgerichtet ausschließen. Seit dem darauffolgenden Jahr gibt es eine neue Passage darin, die wir intern gerne „Lex Moment“ nennen:

Ein als Publikationsmittel einer Interessenvertretung eingesetztes Medium liegt vor, wenn es zu einer publizistischen Einflussnahme oder einer substanziellen Finanzierung des Mediums oder des/der Förderwerber:in durch eine Interessenvertretung kommt. Die Beurteilung ist im Einzelfall vorzunehmen, es ist aber davon auszugehen, dass eine substanzielle Finanzierung vorliegt, sofern diese Mittel zumindest rund 30% der Gesamtfinanzierung des Mediums oder des/der Förderwerber:in ausmachen.

In den Richtlinien gab es diese Einschränkung schlicht und ergreifend nicht, als wir eingereicht haben. Dort wurden nur Medien untersagt, deren „Inhaber“ eine gesetzliche Interessensvertretung ist. Wie gesagt: Das betrifft uns nicht.

Was wir nicht getan haben

Wir hätten mehrere Dinge tun können. Wir hätten etwa vermutlich gegen die Entscheidung klagen können. Aber wir haben sie stattdessen respektiert und zur Kenntnis genommen. Das lag eben auch daran, dass 2024 ein anstrengendes Jahr mit mehreren Wahlen war und man sich nicht ewig in Konflikten abarbeiten kann, bei denen man sowieso am kürzeren Ast sitzt. 

Es wäre auch etwas anderes nicht schwierig gewesen: Wir hätten unser Medium organisatorisch so abgrenzen können, dass es auch aus der „Lex Moment“ herausgefallen wäre. Die Umstrukturierung rund um die Bauernzeitung (dort bestritt man 2024 in Nachfragen uns gegenüber, dass die Förderung der Grund dafür war) zeigt sehr eindrücklich, dass es dafür nicht viel braucht. Es geht offensichtlich sogar nachträglich. Dass wir das nicht getan haben, liegt daran, dass wir nichts davon halten, Steuergeld mit organisatorischen Tricks zu erschleichen. Wir haben es offen versucht und wurden abgelehnt – das ist an sich zu akzeptieren.

Und dann kam der „Exxpress“

Aber nur um das noch einmal zu verdeutlichen. Die Bauernzeitung wurde für das Jahr 2022 und 2023 gefördert, obwohl sie organisatorisch erst 2024 so aufgestellt wurde, dass die Richtlinien sie nicht klar und deutlich ausschließen. MOMENT.at wurde hingegen ausgeschlossen, obwohl die Förderrichtlinien das gar nicht hergaben und erst nachträglich direkt auf uns zugeschnitten wurden.

Und dann kam das Jahr 2025: Und die KommAustria beschloss, die weit rechte KrawallplattformExxpress“ zu fördern (laut Falter sogar gegen die ausdrückliche Mehrheits-Empfehlung des eigenen Fachbeirats). Den Exxpress fördern? Unter dem Schlagwort „Qualitätsjournalismusförderung“? Es war doch der öffentlich klar formulierte Wille des Gesetzgebers, genau solche Plattformen (und „Exxpress“ im Speziellen) von der Förderung auszuschließen.

Der "Exxpress" bekommt 41.259 € Qualitätsjournalismus-Förderung von der österreichischen Bundesregierung.

Und so sieht dieser Qualitätsjournalismus aus – ein paar Beispiele aus der letzten Zeit:

1/12 Der Exxpress und Klimajournalismus:

[image or embed]

— Kobuk! (@kobuk.at) July 22, 2025 at 2:41 PM

Warum ist Exxpress aber trotzdem dabei? Und warum erst jetzt? 2024 wurde die Plattform noch abgelehnt. Allerdings deshalb, weil das Unternehmen sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand. Die Debatte darum, ob die Einschränkung des Gesetzgebers zu Krawallplattformen so funktioniert, wie sie erwünscht war, ersparte man sich dadurch. Nachdem die Behörde sich nun gegen die Empfehlung des eigenen Fachbeirats entscheidet, ist klar: Sie tut es nicht. Und in diesem Fall hatten Verantwortlichen offenbar auch keine Lust, ihre Richtlinien nachträglich zu schärfen.

Was unter dem Strich klar wird. Ein Magazin eines gemeinnützigen Vereins, das durch bedingungslose Spenden finanziert wird? Nein, sagt die KommAustria. Eine Zeitung im (erst nachträglich korrigierten) Eigentum einer ÖVP-Teilorganisation? Das geht sich für die Behörde hingegen aus. Und eine für jeden als problematisch erkennbare Plattform, die bei der Entsteheung der „Qualitätsjournalismusförderung“ so ausdrücklich wie auch nur irgendwie möglich „nicht mitgemeint“ war. Na gut! 

Skandale? Ermittlungen? Anklagen? Kein Problem.

Also lassen wir das mit dem Schweigen und reden wir doch öffentlich darüber. Wie wir es finden? Dass in Österreich Kirchen-, Partei- und Konzernmedien gefördert werden, aber wir als gemeinnütziges Medium nicht? Dass Eigentümerinteressen mit der Möglichkeit der Einflussnahme sogar durch Regierungsparteien akzeptabel scheinen, aber Spendeninteressen ohne der Möglichkeit der Einflussnahme nicht? 

Dass Medien gefördert werden, deren Chefredakteur sogar im geförderten Zeitraum wegen seiner geheimen Kontakte zu politischen Entscheidungsträger:innen zurücktreten musste (und wenig später in anderen, ebenfalls geförderten Medien in hoher Position zurückkehrte) – aber nicht wir? Oder dass Medien gefördert wurden, gegen deren Hinterleute wegen mehrerer politischer Korruptionsvorwürfe ermittelt wird – aber wir nicht? Dass Medien gefördert werden, wo Werbeeinschaltungen und Berichte oft kaum unterscheidbar sind – und wir nicht? Journalist:innen anderer Medien können sicher erzählen, wie “unabhängig” dort oft auch von Werbetreibenden und Eigentümer-Interessen gearbeitet wird. 

Wie wir das finden, dass all das in der Medienpolitik fördernswert ist, aber wir von der “Qualitäts-Journalismus-Förderung” und praktisch jeder anderen Förderung  ausgegrenzt werden? Lachhaft. 

Welche Abhängigkeit ist denn fördernswert?

Gefördert wurden auch – natürlich, sowieso, das ist ja sogar das unhinterfragbare Ziel der Politik hinter der Förderung – diverse profitorientierte Verlagsmedien, die fast durch die Bank im Eigentum von Banken, Kirchen und Überreichen sind. Oder solche, die eben signifikant abhängig von Förderungen und Inseraten sind  – egal ob von Regierung, staatsnahen Betrieben oder Unternehmen. 

Wir werfen nicht all diesen Medien übrigens automatisch vor, deshalb nicht förderwürdig oder automatisch schlecht oder “kein Journalismus” zu sein. Sie haben eine andere Sicht auf Dinge – und wir finden, sie übersehen dabei manches. Aber viele Menschen dort leisten trotzdem gute Arbeit. Es braucht viele von ihnen wie uns im Sinne der Vielfalt einer Medienlandschaft. Alle Medien haben Abhängigkeiten. Wichtig ist, wie man damit umgeht. Und wie man journalistisch arbeitet.

Über die in unseren Augen schlicht falsche (aber jedenfalls nicht nach konsequent gleichen Maßstäben vergebene) Entscheidung hinaus, stellen sich offensichtliche Fragen, die in Österreich diskutiert werden sollten: Warum sind manche Abhängigkeiten im Journalismus trotz offensichtlicher Probleme ganz selbstverständlich? Und warum legitimiert die Politik über eine öffentliche Journalismus-Förderung manche Abhängigkeiten geradezu, während sie es Medien mit neuen, nicht-profitorientierten Finanzierungsmodellen sogar noch extra schwer macht? 

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MOMENT.at gehört keinen reichen Menschen, Parteien, Kirchen oder Banken. Unsere Arbeit als Redaktion in einem gemeinnützigen Verein ist nur möglich, weil uns die Vielen unterstützen. Denn wir betrachten die Themen, über die wir berichten, auch aus der Perspektive derer, die sich nicht alles mit Geld richten können. Denn Fragen zur Arbeitswelt, Demokratie, Verteilungsfragen und die Klimakrise stellen sich nicht für alle Menschen gleich. Wenn du magst, was wir als progressives Medium zur Presselandschaft in Österreich beitragen und es dir gerade leisten kannst, freuen wir uns über jede Unterstützung. Jeder Euro zählt.

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  • Lois
    23.07.2025
    So sehr ich euch in vielen Aspekten zustimme, so klar muss ich aber auch hier sagen: Wenn Einzelspenden signifikante Teile des Einkommens ausmachen, dann gibt es eine Abhängigkeit. Natürlich möchte Leser:in vor dem Bildschirm fast schon schreien, wenn er:sie die Frechheit sieht, wie offensichtlich und ohne Scham andere Medien von Dritten kontrolliert werden...aber auch euch würde zB Kritik an der Arbeiterkammer wohl schwer fallen - ist natürlich ein Theoretikum, denn ihr habt halt ein grundlegend ähnliches Mindset. Die Abhängigkeit ist aber da. Diese trotzdem eher vernachlässigbare Abhängigkeit wird aber massiv aufgebauscht, mindestens vonseiten Wirtschaftskammer. Ich wurde ernsthaft sogar mal vom Sekretär der Doris Hummer (Präsidentin WKO OÖ) telefonisch gefragt, ob ich denn zum Moment gehöre, als ich mal auf LinkedIn einen Beitrag der WKO hinsichtlich den Lohnnebenkosten (gegen die sie ja bekanntermaßen massiv geschossen haben) kritisch kommentiert habe. Du erkennst einfach, wie offensichtlich da die Abneigung euch gegenüber da ist. Ihr seid offizielles Feindbild der Wirtschaftskammer. Ich glaube also, ihr habt euren Job richtig gemacht ;).
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