EU-Klimaziel 2040: “Wir lassen andere die Emissionen für uns reduzieren“

MOMENT.at: Frau Rogenhofer, was hat sich durch das neue Klimaziel der EU für 2040 geändert?
Katharina Rogenhofer: Das Ziel für 2040 ist prinzipiell kein neues Ziel und soll zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 beitragen. Mit 90 Prozent Emissionsreduktion bis 2040 liegt es allerdings am unteren Ende dessen, was der Wissenschaftliche Klimabeirat der EU für notwendig erachtet.
MOMENT.at: Sie kritisieren den Vorschlag der EU-Kommission, Sie sprechen sogar von “Scheinklimaschutz” – warum?
Rogenhofer: Mein größter Kritikpunkt ist, dass sich EU-Staaten künftig bis zu drei Prozent ihrer Klimabilanz durch die Finanzierung von Klimaschutzprojekten in Nicht-EU-Staaten anrechnen lassen können. Das führt dazu, dass Verantwortung abgeschoben wird. Wir lassen andere die Emissionen für uns reduzieren. Dabei lässt sich schwer feststellen, inwiefern diese Projekte zusätzlich zur globalen Emissionsreduktion beitragen. Also, ob beispielsweise der Regenwald nun nicht abgeholzt wird durch ein Projekt, das von EU-Staaten mitfinanziert wird, oder er ohnehin nicht abgeholzt worden wäre, ist unklar.
MOMENT.at: Inwiefern reiht sich die EU damit in einen weltweiten Abbau von Klimaschutz ein?
Rogenhofer: Die Gefahr besteht, dass die drei Prozent nun in der Verhandlung mit Rat und Parlament weiter ausgeweitet werden und EU-Staaten damit noch mehr Verantwortung im Klimaschutz abgeben könnten. Zuletzt wurden bereits Zwischenziele für PKW-Emissionen nach hinten verschoben und Richtlinien gegen Greenwashing und für Unternehmensberichterstattung zu Nachhaltigkeit und Lieferketten abgeschwächt. Das ist gefährlich, weil sich die EU damit in einen globalen Trend der Aufweichung von Klimaschutzmaßnahmen einreiht.

MOMENT.at: In Ihrer Stellungnahme zum 2040er-Ziel zeigen Sie anhand einer Grafik, dass weitere Anstrengungen zur Erreichung der EU-Klimaziele nötig sind. Sind Zielvorgaben also nutzlos, solange der Weg dahin unklar ist?
Rogenhofer: Natürlich braucht es verbindliche, ordnungspolitische Maßnahmen und vor allem sektorspezifische Zielvorgaben, wie verbindliche Enddaten für Öl- und Gasheizungen. Nur dann kann effektiver Klimaschutz gelingen. Langfristige Zielvorgaben an sich sind aber schon wichtig, denn sie bieten Planungssicherheit und Perspektiven für Investitionsentscheidungen.
MOMENT.at: Wie steht es um den Klimaschutz in Österreich?
Rogenhofer: Österreich hat sich ja selbst das Ziel gesteckt, bis 2040 klimaneutral zu werden. Mit den jetzt existierenden Maßnahmen werden wir es nicht erreichen. Durch die Sparpolitik gab es zuletzt zusätzlich große Einsparungen im Klima- und Umweltbereich. Das ist teilweise auch legitim, aber nur, wenn die Regierung gleichzeitig neue Maßnahmen setzt.
MOMENT.at: Welche wären das zum Beispiel?
Rogenhofer: Entscheidend ist, endlich ein verbindliches Klimaschutzgesetz zu erlassen, das Klimaminister Norbert Totschnig angekündigt hat. Auch wichtige Energiegesetze sind derzeit in Verhandlung. Außerdem braucht es dringend Maßnahmen im Mobilitätssektor, wo Österreich deutlich hinterherhinkt. Und wir brauchen ein verbindliches Enddatum für Öl und Gas.