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Ungleichheit
Kapitalismus

Die Gzuz-Doku – mehr Schatten als Licht

Die Gzuz-Doku – mehr Schatten als Licht
Wikimedia: von Stefan Brending und Raimond Spekking, CC-BY-SA-3.0
Die Amazon Prime Doku über den Deutschrapper Gzuz erzählt die heldenhafte Aufstiegsgeschichte der Kunstfigur. Was fehlt: Eine kritische Einordnung seiner gewalttätigen Privatperson. Stattdessen feiert die Dokumentation einen weiteren Mann, der trotz Gewalt weiterhin Konzerthallen füllt.

Gzuz geht mit seiner Crew über das Gelände des Heroes Festival 2024. Rechts ist eine Kuhweide, links schreit eine Gruppe junger Frauen seinen Namen. “Gott sei Dank bin ich schon verheiratet, weil sonst hätte ich ein mieses Problem”, sagt Gzuz in die Kamera.  Nachdem er Fotos mit der Gruppe gemacht hat, sagt ein Kollege zu ihm, die Kühe seien leider im Stall. “Kühe rechts sind weg, aber Kühe links gibt’s noch, ne?” lacht Gzuz und gibt einem Crewmember mit der Faust einen Check. 

Gzuz, der eigentlich Kristoff Jonas Klauß heißt, stürmt nicht nur als gefeierter Deutschrapper mit seiner Gruppe “187 Straßenbande” immer wieder die deutschen Charts – und macht auch immer wieder Schlagzeilen mit Verurteilungen wegen Körperverletzung, Drogen- und Waffenbesitz. In der Anfang August erschienenen Amazon Prime Doku “Gzuz – Licht und Schatten” inszeniert er sich als geläuterter Künstler und Familienvater. 

“Erst kommt die Ebbe, dann kommt die Flut” 

Ich selbst war in meiner Jugend ein großer 187-Fan. Durch Deutschrap fühlte ich mich stärker. Ich träumte von einem besseren Leben – ich müsste nur hart genug sein. Das vermittelten mir die Texte. 

“Gzuz hat eigentlich keine Chance gehabt – und hat sie genutzt”, sagt sein Manager Ronny Boldt zu Beginn der Doku. Klauß erzählt von seinem Aufwachsen in der Schanze in Hamburg. Bereits als Jugendlicher sammelte der heute 37-Jährige Anzeigen und beklaute sogar seine Mutter. Daraufhin schmiss sie ihn von Zuhause raus. “Bei meinem Vater konnte ich auch nicht wohnen, sagen wir so”, sagt der Rapper.

Diese Umstände hätten ihn unter anderem zu Drogen geführt. “Ich finde es auch geil, dieser Rausch”, sagt Klauß. Auch Gewalt sei Alltag gewesen. “Es war das Recht des Stärkeren. Wenn du dich nicht durchsetzt, dann stellst du dich hinten an – und ich wollte nicht hinten anstehen. Ich wollte mich durchsetzen und nach vorne kommen”, philosophiert Klauß. Er lernte den Rapper “Bonez MC” kennen und gründete 2006 später mit ihm und anderen die Gruppe “187 Straßenbande”. Seitdem ging es für seine Karriere steil bergauf. 

Hört man dem Rapper so zu, vermittelt er das Bild, er wäre stets ein Opfer seiner Umstände gewesen. Die Straße habe ihn zu dem gemacht, was er ist. Dass ihn diese Erfahrungen geprägt haben, mag auch so stimmen. Aber dass Drogenmissbrauch und Gewalt anderen Menschen gegenüber einfach die logische Konsequenz davon sind, das ist ein Trugschluss. 

“Es ist so lange witzig, bis es nicht mehr witzig ist” 

Als er 2010 zusammen mit “seinen Jungs” einen Laden überfällt und die Mitarbeitenden zusammenschlägt, bekommt er dreieinhalb Jahre Freiheitsstrafe. Seine Partnerin Lisa sagt in der Doku, sie sei viel mehr schockiert darüber gewesen, dass er ins Gefängnis musste, als dass sie sich gefragt hätte, aus welchem Grund. 

Sie besucht ihn die erste Zeit im Gefängnis, dann macht er Schluss, damit sie nicht auf ihn warten müsse. Als Klauß 2013 vorzeitig entlassen wird, steht erst einmal Drogentherapie und betreutes Wohnen auf dem Programm. Therapeut:innen raten ihm, Abstand von seinem alten Freundeskreis zu nehmen – ohne Erfolg. 

Auch Lisa meldet sich bei ihm, und sie kommen wieder zusammen. “Irgendwie hab ich diesen Menschen einfach so abgöttisch geliebt, und ich wollte mit diesem Menschen zusammen sein. Ich weiß nicht, ob das so ein naives Ding war, dass ich gesagt habe: So, dich bändige ich jetzt” sagt Lisa. Sie bekamen ihr erstes gemeinsames Kind. Aber Klauß sei immer noch ein “Rebell” gewesen, sagt Lisa. 

“Sie sieht meinen Autoschlüssel und sie fängt an zu blasen.” 

2015 veröffentlicht Gzuz sein erstes Soloalbum “Ebbe und Flut” und bekommt dafür die Goldene Schallplatte in Deutschland. Seine Texte strotzen vor Frauenfeindlichkeit, dennoch höre ich sie als 15-Jährige rauf und runter – obwohl ich in dem Alter schon meine ersten Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt gemacht habe. Ich höre die Musik, um meiner Wut Raum zu geben. Ich bilde mir ein, dass ich über den Dingen stehen konnte, die mir von Männern angetan wurden. Damit will ich mich von meinen Gefühlen und meiner Person abspalten.

Bis ich verstehe, dass es keine Metaebene, sondern Realität ist, wenn Gzuz rappt: “Ich schlaf’ aus bis um zehn und dann hau’ ich ihr ein paar.” oder “Kein Bock auf Sex? Na dann klatsch’ ich sie weg! Die Schlampe war frech, aber ich schick sie schlafen.

Spätestens als Lisa 2019 in einer Instagram-Story Gewaltvorwürfe gegen Klauß erhebt und dann später wieder zurückzieht, distanziere ich mich von 187. Laut Lisa soll er sie geschlagen und an den Haaren durch die Wohnung gezerrt haben. Und wie reagiert 187-Kollege Bonez MC? Der macht sich über die Gewaltvorwürfe auf X (damals Twitter) lustig. 

Ein Frauenschläger ist kein “Bad Boy” 

Die Amazon-Prime-Doku thematisiert Lisas Vorwürfe gar nicht. Stattdessen zeigt sie im Kapitel “Bad Boy” ein paar Videos, in denen Klauß einen Schwan schlägt oder an Silvester mit einer Schreckschusspistole gen Himmel schießt. Der Rapper äußert sich zu Schlagzeilen, wonach er eine Frau auf einem Festival 2018 sexuell belästigt haben soll. Er habe es “aus der Laune heraus” getan und “teuer bezahlt”. 

Rasenmähen gegen Gewaltvorwürfe 

Die Doku zeigt Klauß stattdessen auf einem Rasenmähertraktor, beim Staubsaugen oder beim Happy Birthday singen für seine Tochter. Seine Straftaten seien lediglich Skandale, die ihm laut 187-Fotograf Pascal Kerouche “angehängt” werden – was die Doku unkommentiert so stehen lässt. Es ist dabei egal, ob du Frauen schlägst, Läden ausraubst oder mit Waffen und Drogen posierst. Die Dokumentation führt eindrücklich vor, dass Täter mit keinen negativen Konsequenzen für ihr öffentliches Image rechnen müssen – im Gegenteil: Sie profitieren davon.

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