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Klimakrise
Ungleichheit

Wie Privatjets in Österreich zum Klimakiller werden

Eine Reiche Frau, wie sie im Auto sitzt, dahinter ein Privatjet.

Ein Flug mit dem Privatjet bezahlen Reiche aus der Portokasse - fürs Klima kommt er teuer zu tragen.

Ein Flug mit dem Privatjet bezahlen Reiche aus der Portokasse - fürs Klima kommt er teuer zu tragen.

Während Corona das Linienfluggeschäft nach wie vor in der Mangel hat, boomen Flüge mit dem Privatjet. Österreich besitzt EU-weit die fünftgrößte Flotte, die hauptsächlich kurze Strecken innerhalb Europas fliegt. Auch wenn der Sektor nur einen kleinen Teil der Luftfahrt ausmacht – sein ökologischer Fußabdruck ist enorm.

“Am Nachmittag ein Business-Meeting in London, Paris oder Berlin absolvieren und abends wieder pünktlich zur Gutenachtgeschichte zu Hause bei den Kindern sein.“ So bezeichnet das Oberösterreicher Privatflug-Unternehmen GlobeAir den „typischen Rhythmus“ ihrer Kund:innen. Der europäische Marktführer für Leichtjets zählt „Unternehmer, Führungspersönlichkeiten, Vorstände, Manager sowie Spitzensportler und Schauspieler“ zu seiner Klientel. Alle sollen sie eines gemeinsam haben: Einen dichten Terminplan.

Privatjets: Von Krise keine Spur mehr

Daran hat auch COVID-19 nichts geändert. Als die meisten Europäer:innen noch zu Hause blieben, hoben Superreiche wieder fleißig ab. Charterunternehmen haben sich von den Lockdowns bestens erholt – die Anzahl der Flüge hat sich sogar über dem Vorkrisen-Niveau eingependelt. Auch GlobeAir kann sich neben der exklusiven Klientel auch Zuwachs auf die Fahne schreiben. Bereits im Juli 2020 konnte das Unternehmen 11 % mehr Verkäufe als im gleichen Monat 2019 erzielen. Die 21-Cessna-starke Flotte fliegt mittlerweile nach 976 Destinationen, viele von ihnen haben seit der Krise keinen Airbus oder Boeing mehr gesehen: Das Business profitiert von ausbleibenden Flügen im kommerziellen Bereich.

Privatlinienflüge vor und nach Corona

„Das Schlechteste, was man für die Umwelt tun kann.“

Der Siegeszug der Privatjet-Unternehmen ist eine herbe Niederlage für das Klima. Zwar machen Privatjetflüge nur rund 2 % der Luftfahrt aus, ihre Auswirkungen auf das Klima sind allerdings katastrophal. „Mit dem Privatjet zu fliegen ist das schlechteste, was man für die Umwelt tun kann“, sagt Andrew Murphy von der NGO „Transport & Environment“. Die hat sich den CO₂-Ausstoß der Kleinmaschinen etwas genauer angesehen: Bis zu 14 Mal mehr CO₂ pro Person stößt ein Privatjet gegenüber einem Linienflug aus, bis zu 50 Mal mehr als ein Zug.

 

 
Co2-Ausstoß Privatjets Vergleich

Das liegt vor allem daran, dass viel weniger Personen mit einem Privatjet transportiert werden können. Um die Emissionen von Flugzeugen vergleichen zu können, hat das Momentum Institut deshalb den CO₂-Ausstoß pro Personenkilometer berechnet. Bei einer Flugdistanz von 500 Kilometer stößt eine Cessna Citation Mustang (der Jet des österreichischen Unternehmens GlobeAir) pro Kilometer und pro Person rund 1,09 Kilogramm CO₂-Äquivalente aus. Bei der ebenfalls beliebten Dassault Falcon 200 sind es sogar mehr als 1,4 Kliogramm. CO₂-Äquivalente drücken das Treibhauspotenzial aller ausgestoßenen Emissionen in CO₂-Einheiten aus – also wie viel CO₂ man ausstoßen könnte, um den gleichen Beitrag zur Erderwärmung zu leisten. Bei Privatflugzeugen ist dieses Potenzial besonders hoch. Die meistgenutzten Linienflieger wie der Airbus A320 verursacht dagegen pro Person und pro Kilometer unter 0,2 Kilogramm – immer noch viel zu viel, aber weniger als ein Zehntel des Verbrauchs des Cessna-Modells.

Besonders Kurzstreckenflüge sind CO₂-Sünden

Hinzu kommt, dass Flugzeuge umso effizienter werden, je weiter man mit ihnen fliegt. Denn bei Start und Landung werden besonders viele Emissionen verursacht. Die durchschnittliche Flugdistanz beträgt bei in Österreich startenden oder landenden Privatjets rund 950 Kilometer. Jeder zehnte Privatflug findet außerdem innerhalb von Österreich statt. Im Schnitt beträgt dort die Flugdistanz lediglich 250 Kilometer – Distanzen, die sich in kurzer Zeit mit dem Auto oder dem Zug bewältigen lassen.

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Denn laut T&E nutzt fast die Hälfte Privatjets, um Familienmitglieder zu transportieren oder eine Zweitheimat zu besuchen. Es gibt einen klaren Anstieg in den Sommermonaten, besonders Urlaubsziele an der Côte d’Azur sind beliebt. Drei Viertel dieser Destinationen ließen sich auch mit dem Linienflieger erreichen. Der Privatflug von Wien nach St. Tropez macht hingegen rund 80 % des jährlichen Pro-Kopf-Treibhausgas-Ausstoßes von Durchschnittsösterreicher:innen im Jahr aus. Was für Reiche Kleingeld ist, ist für unser aller Klima teuer.

 
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Überreiche werden nicht zur Kasse gebeten

Trotz der gewaltigen Ineffizienz werden Privatjets nicht besteuert. Die Branche ist vom EU-Emissionshandel (EU-ETS) ausgenommen, eine Kerosinsteuer gibt es auch nicht. Laut T&E könnte eine solche Steuer 325 Millionen Euro im Jahr einbringen, wenn sie bei allen Starts in der EU zur Anwendung käme. Doch nicht einmal für Inland-Flüge gibt es sie in Österreich. Bisher ist die Schweiz das einzige europäische Land, das eine Steuer erhebt. Dabei besitzt der durchschnittliche Privatjet-Eigentümer ein Vermögen von 1,3 Milliarden Euro, da wäre also eine Steuer problemlos leistbar. Auch die Preissteigerungen durch nachhaltigere Treibstoffe oder Elektro- und Hydro-Flieger würden mit maximal 10 % höheren Preisen kaum ins Gewicht für diese Klientel fallen.

Die Top 1 % der Einkommensbezieher:innen in Österreich verursachen mit ihrem Konsum pro Jahr rund 150 Tonnen an Treibhausgasausstoß, während der gesamtösterreichische Durchschnitt bei rund 10 Tonnen pro Jahr liegt. Sie tragen somit rund 15-mal mehr zur Klimakrise bei als der Durchschnitt. Der höhere Konsum und das Flug-Reiseverhalten sind ausschlaggebende Gründe dafür.

Die Schräglage und Klimazerstörung wird sich nicht ändern, wenn man Reiche und Überreiche nicht einmal für ihr Verhalten sanktioniert. GlobeAir bietet seinen Kund:innen zumindest bereits eine CO₂-Kompensation für Flüge an. Für 33 Euro pro Flugstunde fliegt man „CO₂-neutral“, für 66 € gleich “doppelneutral”. Das geschieht mit dem Kauf von CO₂-Zertifikaten – was für sich ein kritisch zu beäugendes Geschäft ist. Ob diese Kleinsummen ausreichen, um abends nach der Gutenachtgeschichte mit einem guten Gewissen schlafen zu dürfen, ist zu bezweifeln.

Emissionen nach Einkommen

Was man bei alldem nicht vergessen darf: Linienflüge kommen hier im Vergleich gut weg, sind aber natürlich auch nicht die nachhaltige Alternative zum Privatjet. Sie sind zwar ein weniger obszönes, aber ebenfalls ein klares Problem für das Klima. Und sie sich leisten zu können, ist ebenfalls ein Privileg weniger. Über ein Drittel der Bevölkerung Österreichs fliegt überhaupt nie, eine weitere Hälfte maximal einmal im Jahr. Nur ein kleiner Teil der Österreicher:innen steigt regelmäßig ins Flugzeug – und ein noch viel kleinerer Teil steigt ins eigene oder eigens angemietete. 

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