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Arbeitswelt
Klimakrise

Kürzer arbeiten gegen die Krise: Wie wir mit der 4-Tage-Woche Energie sparen

Wir müssen dringend Energie sparen. Wie wäre es damit, kürzer zu arbeiten, etwa in der 4-Tage-Woche? Studien legen nahe, dass weniger zu arbeiten unseren Energiehunger senken kann. Das funktioniert aber nur unter Bedingungen.

Kommt mit der Gaskrise bald die Energiekrise? Aus Russland fließt immer weniger Gas zu uns. Alternative Energiequellen aufzubauen wurde vor allem in Österreich über Jahrzehnte sträflich vernachlässigt. Unser großer Hunger nach Energie könnte bald nicht mehr gestillt werden. Die Gefahr ist groß, dass bald Notfallpläne in Kraft treten, die Strom und Wärme praktisch rationieren. Die Devise heißt: Energie sparen. Und dafür reicht es höchstwahrscheinlich nicht, die Heizung etwas herunterzudrehen oder einen Deckel auf den Kochtopf zu pressen. Gespart werden muss überall.

Warum also nicht auch bei der Arbeitszeit? Wie wäre es damit, nur noch an vier Tagen in der Woche ins Büro, die Fabrik, das Geschäft oder die Werkstatt zu fahren und weniger Stunden in der Woche zu arbeiten? Das könnte dabei helfen, weniger Energie zu verbrauchen. Es liegt auf der Hand: Die 4-Tage-Woche führt zu weniger Arbeitswegen. Und das spart Energie. „Mobilität ist das Thema, wenn es darum geht, mit kürzeren Arbeitszeiten Energie zu sparen“, sagt Katja Hünecke, stellvertretende Leiterin des Bereichs Energie & Klimaschutz beim deutschen Öko-Institut.

Wie viel Energie spart es, freitags zuzusperren?

Weitere Hebel dabei seien, „der Strom und die Wärme, die es braucht, um komfortabel im Büro zu sitzen“, sagt sie zu MOMENT.at. Hünecke ist Mitautorin einer Studienreihe im Auftrag des deutschen Umweltbundesamts. Diese fragte, ob kürzere Arbeitszeiten helfen, Energie zu sparen und die Klimakrise zu bekämpfen. Es erscheint ja naheliegend: Ist der Betrieb an einem Tag der Woche nicht besetzt, dann stehen die Maschinen still. Das Licht und der Drucker sind aus, die Kaffeemaschine bleibt kalt.

Aber spätestens hier wird es kompliziert. Wer nicht in der Arbeit Kaffee trinkt, trinkt ihn vielleicht zuhause oder im Kaffeehaus. Wer ein drei Tage langes Wochenende hat, nutzt die Zeit vielleicht für einen längeren Ausflug. Die für den Arbeitsweg gesparte Energie wird so doch wieder verpulvert. Wer mehr Zeit hat zu konsumieren, konsumiert möglicherweise auch mehr. Studien weisen darauf hin: Es ist keineswegs ausgemacht, dass weniger zu arbeiten, zwingend Energie einspart.

Dabei gibt es Untersuchungen, die genau das nahelegen. Eine Studie des britischen Thinktanks Autonomy Research aus dem Jahr 2020 verglich den Energieverbrauch an Arbeitstagen mit dem an Wochenenden und Feiertagen. Das Ergebnis: Wird weniger gearbeitet, sinkt der Verbrauch an Energie. „Würden wir einen Arbeitstag durch einen Wochenendtag ersetzen, würde das potenziell unseren Energieverbrauch für diesen Tag um 10 Prozent senken.“ Und dabei sei die gesparte Energie durch weniger Pendelverkehr nicht berücksichtigt.

Wird kürzer gearbeitet, ist der Energiehunger kleiner 

Das Political Economy Research Institute der University of Massachusetts verglich Daten zu Arbeitszeit und CO2-Emissionen in 29 Mitgliedsländern der OECD in den Jahren 1970 bis 2007. Dabei zeigte sich, „dass Länder mit kürzeren Arbeitszeiten tendenziell niedrigere ökologische Fußabdrücke und CO2-Emmissionen haben“, so die Forscher:innen. Weniger Treibhausgase auszustoßen, bedeutet vor allem: weniger Energie verbrauchen.

Das Center for Economic and Policy Research CEPR untersuchte im Jahr 2006, wie sich Energieverbrauch und CO2-Ausstoß verändern würden, wenn die US-Bürger:innen ihre lange Arbeitszeit auf europäisches Niveau senken könnten. Ergebnis: „Die Erwerbstätigen hätten insgesamt sieben Wochen mehr Freizeit. Die Vereinigten Staaten würden etwa 20 Prozent weniger Energie verbrauchen.“

Doch so einfach ist es nicht. Entscheidend dafür, ob weniger Arbeiten auch weniger Energieverbrauch bedeutet, ist am Ende: die Höhe des Einkommens. „Wenn bei kürzerer Arbeitszeit kein voller Lohnausgleich stattfindet, dann sinken der Energieverbrauch und die Emissionen in hohem Maße“, sagt Hünecke. Aber: „Bei vollständigem Lohnausgleich, passiert so gut wie gar nichts. Dann verbrauchen die Leute genauso viel wie vorher.“

Das soziale Dilemma der Arbeitszeitverkürzung

Die Studie des Öko-Instituts unterscheidet zwischen diesen Szenarien: Kürzer zu arbeiten und dabei das volle Gehalt zu bekommen. Und Arbeitszeitverkürzung mit entsprechend weniger Gehalt. Das Ergebnis heißt im Klartext: Weniger Einkommen führt zu weniger Konsum und das spart Energie. Auch die Organisation Degrowth Switzerland hielt in einem Policy Brief jüngst fest: „Kürzere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich würde die Kaufkraft der Menschen verringern, und damit potenziell verbrauchsbedingte Umweltauswirkungen.“

Die Forscher:innen des Öko-Instituts um Katja Hünecke sehen hier ein „soziales Dilemma ökologisch erfolgversprechender Arbeitszeitverkürzung“. Denn: „Mangelnder Lohnausgleich führt zu finanzieller Schlechterstellung und kann daher insbesondere in niedrigeren Entgeltgruppen und bei prekären Arbeitsbiographien (oft: Frauen) Verarmungsrisiken erhöhen“, heißt es in ihrer Studie.

Das kann nicht der Ansatz sein, und ist es auch nicht für Hünecke. Ihr Vorschlag: „Wenn wir Arbeitszeit verkürzen, dann bitte mit einem sozialverträglichen Lohnausgleich bei den unteren Einkommen.“ Gut verdienenden Haushalten würde weniger zu arbeiten beim Einkommen weniger schaden. „Denen macht die Arbeitszeitverkürzung kaum etwas aus“, sagt Hünecke.

Je reicher, desto mehr Energie wird verpulvert

Dass mehr Einkommen und Vermögen zu mehr klimaschädlichem Konsum führt, ist bekannt und hat ein umgekehrtes Extrem. Stichwort Kylie Jenner und der 17-minütige Flug ihres Privatjets: Das reichste ein Prozent der Weltbevölkerung produziert mit seinem Lebensstil doppelt so viel Treibhausgase wie die unteren 50 Prozent zusammen. In Europa produziert das reichste ein Prozent der Haushalte pro Kopf 11-mal mehr CO2 als die Personen in der unteren Hälfte.

Wollen wir nachhaltig Energie sparen und weniger Treibhausgase ausstoßen, müsse „insbesondere bei den einkommensstarken Bevölkerungsgruppen“ etwas passieren, heißt es einer Studie der University of Edinburgh. Und um mit weniger Arbeitszeit wirklich Energie zu sparen, kommt es auch darauf an, wie die freie Zeit genutzt wird. In der Studie aus Edinburgh heißt es: Durch kürzere Arbeitszeiten „steht mehr Zeit zur Verfügung, in der Wohlbefinden auf weniger konsumintensive, aber zeitaufwändigere Weise angestrebt werden kann.“

Das heißt etwa: Statt aus Zeitmangel energieintensive Tiefkühlkost zu erhitzen, können frische lokale Zutaten verkocht werden. Statt mit dem Auto zu fahren, wird häufiger das Fahrrad genommen. Nur: Machen das genug Leute auch, damit es auch hilft, Energie einzusparen und den CO2-Ausstoß zu verringern? „Die Konsummuster verändern sich, wenn man mehr freie Zeit hat“, sagt Katja Hünecke.

Wer mehr Zeit hat, muss ja nicht konsumieren

Statt die kaputte Waschmaschine wegzuwerfen und eine neue zu kaufen, „schaut man noch mal, ob man sie reparieren kann“, sagt sie. In Zeiten der doppelten Krise von drohendem Energiemangel und fortschreitender Klimakatastrophe müssten wir, „verstehen, dass wir unser Verhalten ändern müssen“, sagt Hünecke. Das Wort Verzicht sei ein ungeliebtes Stichwort, „aber ohne wird es nicht gehen“.

In ihrer Studie halten sie und ihre Kolleg:innen fest, „dass nur ein gesellschaftlicher Wandel hin zu einer nachhaltigen Zeitnutzung ökologische Entlastung bewirken kann“. Die Arbeitszeit verkürzen „kann den gewünschten Wandel alleine nicht bewirken. Sie kann jedoch durchaus die Umsetzung nachhaltiger Lebensstile begünstigen“, heißt es da. Kürzer zu arbeiten gibt also zumindest die Möglichkeit, Energie zu sparen.

Wer mehr freie Zeit konsumieren kann, muss ja nicht mehr konsumieren. Sondern kann sich auch in die Wiese legen – während der Computer im Büro ausgeschaltet bleibt.

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