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Klimakrise

Katharina Rogenhofer: "Es braucht beim Klimaschutz auch Radikalität"

Gerade in der Corona-Krise sollten wir laut für den Klimaschutz trommeln. Denn jetzt könnten die Weichen in Richtung einer Klimawende gestellt werden. "Das passiert aber noch nicht", sagt Katharina Rogenhofer vom Klimavolksbegehren.

Gerade in der Corona-Krise sollten wir laut für Klimaschutz trommeln. Denn jetzt könnten die Weichen in Richtung einer Klimawende gestellt werden. „Das passiert aber noch nicht“, sagt Katharina Rogenhofer vom Klimavolksbegehren.  PolitikerInnen sollten aufhören, Klimaschutz als ein Luxusthema zu behandeln. „Klimaschutz sollte zur Norm werden.“ Damit das passiert, „braucht es wahrscheinlich auch Radikalität, natürlich ausschließlich gewaltfrei“. Staatshilfen für Unternehmen wie die AUA soll es nur unter Bedingungen geben, die auch dem Klima gut tun.

MOMENT: Anlässlich des weltweiten Netzstreik fürs Klima am Freitag vergangener Woche, hast Du gesagt, die fossilen Konzerne könnten als Gewinner aus der Corona-Krise herausgehen. Was meinst Du damit?

Katharina Rogenhofer: In Österreich will zum Beispiel die Austrian Airlines 800 Millionen Euro Staatsförderungen. In vielen anderen Ländern gibt es solche Hilfen für Unternehmen schon. Die werden aber oft nicht an Bedingungen geknüpft, die klimarelevant sind. Schon in der Finanzkrise 2008 sind nur 30 Prozent der Investitionen in sogenannte zukunftsfähige Branchen gegangen. Wobei „zukunftsfähig“ ein breit gefasster Begriff ist.

Eine Abwrackprämie wird „ökologisch“ genannt, es ist aber in Frage zu stellen, ob das irgendetwas bringt. Jetzt sieht man: Flugkonzerne, Kreuzfahrtunternehmen und Industrien, die sehr verhaftet sind im fossilen System, sollen Geld bekommen. Damit investieren wir aber in Branchen, die uns an diesen fossilen Weg fesseln, statt uns rauszubringen. Gerade in Krisen wie dieser kann man mit großen Investitionen auch Weichen in Richtung einer Klimawende stellen. Das passiert aktuell noch nicht.

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MOMENT: Um bei der AUA zu bleiben. Klar ist, dass die Luftfahrt klimaschädlich ist. Klar ist aber auch, dass das Unternehmen jetzt in Schieflage gerät und Tausende Arbeitsplätze in Gefahr sind. Muss man da nicht eingreifen?

Rogenhofer: Ich würde da gerne unterscheiden, wen und wie man unterstützt. Diese Arbeitsplätze dürfen nicht von heute auf morgen wegfallen. Niemand soll morgen auf der Straße stehen ohne geregeltes Einkommen und Existenzängste durchleiden müssen. Die Frage ist, was passiert mit dem Geld. Bei der OMV stand im Raum, Staatshilfen auszuzahlen. Gleichzeitig sollten Dividenden an Aktionäre ausgeschüttet und Manager weiterhin unverhältnismäßig hohe Gehälter beziehen. Das ist fragwürdig. Diese Staatshilfen, die wir Unternehmen zahlen, damit sie über diese Krise kommen, sind immerhin unsere Steuern. Und dieses Geld kann in vielen Fällen uneingeschränkt positiv eingesetzt werden. In manchen Fällen muss es an Bedingungen geknüpft werden.

Für unser Steuergeld sollten wir auch mitreden dürfen, wie es in Zukunft mit diesem Konzern weitergeht.

MOMENT: Welche könnten das im Fall der AUA sein?

Rogenhofer: Zum Beispiel Kurzstreckenflüge zu streichen und dafür die Bahn auszubauen. Außerdem sollten Hilfen auch verknüpft werden damit, dem Staat Anteile am Unternehmen und ein Mitbestimmungsrecht zu sichern. Für unser Steuergeld sollten wir auch mitreden dürfen, wie es in Zukunft mit diesem Konzern weitergeht. Er muss auch im Sinne des Pariser Klimaabkommens neu ausgerichtet werden. Und: Die Menschen haben ein Recht darauf, zukunftsfähige Arbeitsplätze zu haben.

Schon immer in der Geschichte sind manche Arbeitsplätze in Branchen weggefallen. Dann müssen wir uns Alternativen überlegen. Ziel kann es nicht sein, die Schreibmaschinenindustrie zu fördern, wenn wir gleichzeitig Computer haben.  Wir müssen uns entscheiden, welche Branchen in welcher Form weiterbestehen sollen und welche Arbeitsplätze möglicherweise mithilfe von Umschulungen, durch Frühpensionen und staatliche Unterstützung in eine andere Richtung gehen können.

MOMENT: Die Unternehmen können prinzipiell nichts für die Krise des Coronavirus. Es wirkt ein wenig, als ob man sie bestrafen will, weil die Gelegenheit günstig scheint. Die Wirtschaft liegt am Boden, also können wir das nutzen für Klimapolitik. Ist das fair denen gegenüber?

Rogenhofer: Man muss klar sagen, dass wir diese Schritte sowieso unternehmen müssen, ganz unabhängig von der Corona-Krise. Schon vorher haben wir gesehen, dass die Art wie wir jetzt wirtschaften nicht vereinbar ist mit Umweltschutz. Wir verbrauchen zu viele Ressourcen, wir werfen zu viel weg, wir haben zu hohe Emissionen. Wenn wir nicht umlenken, landen wir in katastrophalen Verhältnissen.

Was aber richtig ist: Durch diese Wirtschaftskrise ist der Staat erstmals in einer Position, das zu fördern, was zukunftsfähig ist. Die Corona-Krise sehe ich dabei schon als Chance, weil jetzt zum ersten Mal derartig hohe Geldbeträge in die Hand genommen werden. Klar ist: Es soll nicht auf Kosten der ArbeitnehmerInnen gehen. Aber ich glaube, es ist eine Chance zu überlegen, welche Branchen wie weitermachen können.

Wenn wir Luftfahrt staatlich finanzieren, dann nur mit einem Plan, wie das klimakonform sein kann und mit einem Umdenken im Transport. Hilfen an Bedingungen zu knüpfen, heißt nicht, wir wollen, dass ein Unternehmen stirbt und niemand mehr dort arbeiten soll, sondern dass es nun überall eine zukunftsfähige Ausrichtung braucht.

Es gibt PolitikerInnen, die sagen, Klima sei ein Luxusthema. Klimaschutz sollte zur Norm werden.

MOMENT: Staatshilfen den fossilen Unternehmen zu verweigern, wird auch unter unseren Artikeln von manchen LeserInnen als zu radikal kritisiert. Die Klimabewegung mache sich dadurch keine Freunde. Aber: Muss man nicht auch mal radikal sein und Leute vor den Kopf stoßen?

Rogenhofer: Das ist das Thema, das mich in den letzten Jahren am meisten beschäftigt hat. Ich glaube, es geht darum, nicht immer ganz konform zu sein. Anders gäbe es ja keine Veränderung. Und wenn das schon radikal ist, dann braucht es wahrscheinlich auch Radikalität, natürlich ausschließlich gewaltfrei. Man muss aufzeigen, was falsch läuft und das muss man manchmal auch plakativ machen. Es sollte einen Aha-Moment geben. Die Leute sollen erkennen, wie absurd es ist, dass klimaschädliches Verhalten die Norm ist, weil es billig ist und bequemer, und dass man sich fürs klimafreundliche Verhalten entscheiden muss.

Es gibt auch PolitikerInnen, die sagen, Klima sei ein Luxusthema. Es könne sich jetzt nicht jeder mit dem Klima beschäftigen. Die Menschen hätten andere Probleme, zum Beispiel am Ende des Moments überhaupt noch Geld im Geldbörserl zu haben. Da sage ich: Ja! Absolut. Aber dieses Argument wird großteils von Menschen vorgeschoben, die keine gute Sozialpolitik machen.

Warum müssen sich die Leute damit beschäftigen, dass sie am Ende des Monats noch genug Geld im Börserl haben? Warum gibt es so viele Leute, die jetzt um ihren Job bangen? Warum gibt es so viele Menschen, die vor Existenzängsten stehen, weil sie alleinerziehende Mütter sind und im Home Office jetzt nicht mit der Betreuung der Kinder zurechtkommen? Das sind tiefgreifende soziale Probleme und ich will nicht das Klimathema dagegen ausspielen – wir müssen eine Lösung für beides finden: eine faire und nachhaltige Zukunft.

Die Politik sollte das deshalb nicht zum Thema jedes Einzelnen machen, für das sich auch jeder einzeln entscheiden muss. Klimaschutz sollte zur Norm werden. Pflicht der Politik ist es, dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass auch weitere Generationen eine gute Zukunft haben, zukunftsfähige Jobs in Österreich finden und eine intakte Umwelt.

MOMENT: Was können wir tun, damit Klimaschutz jetzt eben nicht wieder auf die lange Bank geschoben wird?

Rogenhofer: Es ist für uns jetzt wichtig laut zu sein und weiterhin unsere Stimme zu erheben. Letzte Woche gab es den Netzstreik von Fridays for Future. Auch wir als Klimavolksbegehren machen darauf aufmerksam: Wir müssen jetzt etwas tun, wenn wir nicht von einer Krise in die nächste stolpern wollen. Denn wenn die Klimakrise zur Katastrophe wird, gibt es kein „zur Normalität zurückkehren“ mehr.

Deshalb müssen wir weiterhin Druck machen. Jede und jeder Einzelne kann etwas tun: An den Bürgermeister schreiben, sich an Energiegenossenschaften beteiligen, als LehrerIn Bildungsarbeit leisten. Als Unternehmen kann ich darüber nachdenken, wie ich in umweltverträglichere Richtung gehen kann. Und ich kann die Politik auffordern, endlich zu Handeln. Wichtig ist, nicht leise zu werden. Denn jetzt entscheidet sich so viel.

Was beim Klimaschutz tun wäre, ist klar, vieles davon steht im Regierungsprogramm. Gemacht wurde kaum etwas.

MOMENT: Das Klimavolksbegehren hat schon vor Beginn der Corona-Krise mehr als die benötigten 100.000 Unterschriften gesammelt. Im Juni hätte die Eintragungswoche starten sollen, die jetzt sehr wahrscheinlich verschoben wird. Was fordert ihr und wie soll sich der Nationalrat damit auseinandersetzen?

Rogenhofer: Wir haben unsere Forderungen in Kooperation mit KlimawissenschaftlerInnen und anderen Organisationen im vergangenem Jahr ausgearbeitet. Inzwischen haben wir diese noch einmal konkretisiert, weil es inzwischen eine neue Regierung gibt und die Umstände andere sind als unter schwarz-blau. Manche unserer Forderungen sind schon im neuen Regierungsprogramm untergekommen, teilweise Wort für Wort.

Passiert ist aber noch immer nichts. Sowohl ist 2040 als Ziel für Klimaneutralität noch nicht festgelegt als auch kaum konkrete Maßnahmen umgesetzt worden, die im Programm stehen. Ein neues Klimaschutzgesetz wird jetzt ausgearbeitet. Gerade in Zeiten der Konjunkturpakete wollen wir Einfluss ausüben, wie und wo die investiert werden. Gerade jetzt sollten geplante Maßnahmen vorgezogen werden, wie eine rigorose Sanierungsoffensive und wir müssen auch jetzt raus aus den fossilen und rein in die erneuerbaren Energien. Das bringt langfristig Arbeitsplätze, Wertschöpfung vor Ort und hilft uns im Kampf gegen die Klimakrise.

MOMENT: Inzwischen sind die Grünen in der Regierung. Ihr Eindruck: Passiert jetzt mehr im Kampf gegen die Klimakrise als vorher?

Rogenhofer: Es wird mehr darüber gesprochen. Ich mache mir aber nichts vor, denn passiert ist nicht viel. Klimaministerin Leonore Gewessler war vorher bei Global 2000, sie ist ein Profi in ihrem Fach. Was zu tun wäre ist klar, vieles davon steht im Regierungsprogramm. Es steht aber auch vieles nicht im Programm, was es bräuchte und gemacht wurde kaum etwas.

Auch Äußerungen von Gewessler, dass Förderungen für die AUA an Bedingungen geknüpft werden müssen, waren bisher nur Worte. Was für Bedingungen das sein sollen und in den Verhandlungen überhaupt darüber geredet wird, weiß man nicht. Finanzminister Gernot Blümel hat sich bisher zu nichts geäußert. Von der Seite, von der die Gelder verteilt werden, gab es also noch keine Anzeichen, dass Klimaschutz ernst genommen wird.

Daher braucht es mehr Druck von uns und mehr Bemühungen der ganzen Regierung. Denn die haben sich nicht ohne Grund auf dieses Programm geeinigt. Ich fordere von beiden Regierungsparteien sich zu dem zu bekennen, was sie im Programm stehen haben. „Das Beste aus beiden Welten“ kann nicht nur das Beste aus einer Welt bleiben.

Zur Person: Katharian Rogenhofer (geboren 1994) studierte Zoologie in Wien und Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement in Oxford (UK). Sie war eine der InitiatorInnen für den Start der „Fridays for Future“-Bewegung in Wien. Seit April 2019 leitet sie das Klimavolksbegehren. Dessen Ziel: Der Politik Druck zu machen, mehr für den Klimaschutz zu tun.

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