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Gesundheit

Abtreibungen mit Pille sind einfach und sicher – wieso kosten sie trotzdem so viel?

ÄrztInnen entscheiden in Österreich selbst, wie viel sie für eine medikamentöse Abtreibung verlangen. Die Folge sind intransparente, stark schwankende Preise von bis zu 600 Euro.

Mifegyne heißt die Pille, die den Zugang zu Abtreibungen einfacher und billiger machen soll. Die Tablette wird von ungewollt Schwangeren eingenommen, Nebenwirkungen sind selten. Narkose ist keine nötig, die PatientInnen ersparen sich einen operativen Eingriff.

Trotzdem ist der Abbruch mit Medikament teuer. Nicht nur das, die Kosten schwanken je nach Anbieter stark. Zwischen 200 und 600 Euro müssen ungewollt Schwangere in Wien für einen medikamentösen Abbruch bezahlen, wie MOMENT herausfand. Dabei gibt es in der Hauptstadt zumindest zahlreiche Anbieter für Abbrüche. Zum Vergleich: In Tirol muss ein einziger Arzt alle ungewollt Schwangeren behandeln. In Wien sind es mindestens neun, wahrscheinlich mehr.

Das genau zu sagen ist unmöglich. Seit Sommer 2020 dürfen alle niedergelassenen GynäkologInnen medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Wie viele das auch tun, weiß aber niemand. Es gibt kein Register und erst recht keine vergleichbaren Preislisten.

Wieso ist medikamentöse Abtreibung in Wien so teuer?

„In den meisten Fällen haben Betroffene nicht die Kapazitäten oder das Wissen, um den günstigsten Anbieter herauszusuchen“, sagt Anna Lampert vom Verein Changes for Women. Der Verein sammelt Geld und bezahlt den Abbruch für Frauen in Notsituationen. „Die Kosten für Schwangerschaftsabbrüche sind nicht einheitlich geregelt. Das macht die Sache für ungewollt Schwangere um einiges schwieriger.“

Deswegen wenden sich viele Betroffene an spezialisierte Ambulatorien, die Schwangerschaften durchführen. In Wien gibt es davon mindestens fünf. Dort kostet der Abbruch mit Mifegyne zwischen 490 und 600 Euro. Ebenso wie niedergelassene ÄrztInnen bestimmen sie den Preis einfach selbst.

Wie viel kostet die Abtreibungspille Mifegyne?

Mifegyne kostet zwischen 90 und 155 Euro in der Anschaffung. Es gehört damit zu den teureren Arzneimitteln. Das ist ein Faktor, der den Preis nach oben treibt. Aber wie kommen ÄrztInnen von höchstens 155 auf 600 Euro?

Christian Fiala von Gynmed erklärt das so: „Die Beratung der Frau bei einem Abbruch ist wichtig. Dafür nehmen wir uns so viel Zeit, wie jede Frau braucht.“ Beim Wiener Ambulatorium Gynmed kostet ein medikamentöser Abbruch 560 Euro. Dafür ist dort alles enthalten, von der Narkose bei chirurgischem Eingriff über Ultraschall und der Kontrolltermin. „Deswegen kann man die Preise auch nicht direkt vergleichen, manche verlangen zum Beispiel extra Geld für den Ultraschall oder für die Rhesus-Spritze.“

Teuer ist das dennoch. Krankenhäuser des Wiener Gesundheitsverbunds bieten Abbrüche deutlich günstiger an. 325,40 Euro kostet ein medikamentöser Abbruch in den Kliniken. „Aber einen Termin im Krankenhaus zu bekommen, ist sehr schwierig“, sagt Changes for Women-Sprecherin Lampert, „Oft gibt es wochenlange Wartezeiten.“ Die Zeit hat man in dieser Situation nicht immer.

J. ist Gynäkologe in Wien. Er begleitet medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche und verrechnet dafür 200 Euro. Das ist deutlich billiger als alle anderen Anbieter, die offen Abbrüche machen. Weil eine ungewollte Schwangerschaft eine Notsituation sei, wolle er damit kein großes Geschäft machen. Aber: J. führt Abbrüche nur bei seinen Stammpatientinnen durch. Abtreibungen machen nur einen kleinen Teil seiner Tätigkeit aus, J. weist auf seiner Website nicht darauf hin.

„Am besten wäre es, die Kasse würde die Kosten übernehmen. Solange sie es nicht tut, fände ich am besten, alle niedergelassenen GynäkologInnen würden den medikamentösen Abbruch für ihre Patientinnen günstig anbieten“, sagt er.

Die Wurzel des Problems: Krankenkassen erstatten Kosten für Abtreibung nicht

Angela Tunkel, Koordinatorin der Österreichischen Gesellschaft für Familie (ÖGF), sieht das Problem nicht allein bei den ÄrztInnen und befürwortet ebenfalls eine Erstattung durch die Krankenkasse. „Das Thema ist aber in unserer Gesellschaft ein solches Tabu, dass der Zwang, ungewollt durch eine Schwangerschaft zu gehen, in Kauf genommen wird.  Zurzeit ist der Zugang zur Versorgung in Österreich für Frauen und Familien eingeschränkt.“

Die Krankenkasse schaltet sich erst bei einer medizinischen Indikation ein, also wenn es gesundheitliche Gründe für den Abbruch gibt. Viel häufiger sind aber Abtreibungen nach der Fristenregelung. Diese besagt, dass ein Abbruch in den ersten drei Monaten ohne Angabe von Gründen straffrei ist.

Nur in Wien gibt es von der Stadt eine Kostenerstattung für Menschen mit geringem Einkommen, die ihren Hauptwohnsitz in Wien haben.

Andere Länder machen es vor: Abtreibung auf Krankenschein

Andere Länder sollten für Österreich Vorbild sein, sagt Tunkel. Sogar Irland. Dort sind Abbrüche zwar überhaupt erst seit 2018 möglich, während der Pandemie wurde jetzt aber auf Telemedizin umgestellt. Ungewollt Schwangere können das Medikament also zu Hause nehmen. In Deutschland übernimmt die Krankenkasse die Kosten bei geringem Einkommen. In den Niederlanden sind Abbrüche für alle kostenlos, die im Land leben. Auch in Frankreich können ungewollt Schwangere kostenfrei abtreiben.

In Österreich sieht es jedenfalls nicht aus, als würde der Schwangerschaftsabbruch bald kostenfrei zugänglich sein. Im türkis-grünen Regierungsprogramm steht davon nichts. Das grün-geführte Gesundheitsministerium lehnte ab, ein Statement zu den großen Kostenschwankungen abzugeben.

„Am besten ist es, die ungewollt Schwangeren melden sich bei einer Beratungsstelle wie zum Beispiel ÖGF oder FEM. Wir haben auch einen guten Überblick, was die Kosten betrifft“, sagt Anna Lampert von Changes for Women. Der Verein hat im Jahr 2020 die Kosten für neun Personen übernommen. Heuer waren es schon 30 Kostenübernahmen.

 

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