Alternative Medizin? Natascha Strobl analysiert das Problem mit den Heilpraktiker:innen.
Entwurmungs-Mittel, Ingwertee oder Desinfektionsmittel: Die Corona-Leugner-Szene ist voll von Tipps mit „alternativen“ Behandlungsmethoden. Dabei taucht immer wieder die Bezeichnung „alternative“ Medizin auf. Doch das ist ein Marketing-Gag für ein zweifelhaftes Geschäftsmodell.
„Alternative“ Medizin ist Geschäftemacherei
„Alternative“ Medizin wird gerne als Gegenstück zur „Schulmedizin“ dargestellt. Das suggeriert, es gäbe zwei verschiedene Stränge von Medizin, die man nebeneinander (oder auch nicht) verwenden kann. Das Bild wirkt so, als könnten beide Stränge gleichberechtigt nebeneinander stehen.
Doch das stimmt nicht. Es gibt nur Medizin und keine Medizin. Medizin sind alle Mittel, die eine nachgewiesene Wirkung haben, egal ob natürlich oder im Labor entwickelt. Der Einsatz von Medizin wird erforscht und getestet, dann wird sie zugelassen und angewendet.
Es gibt hier verschiedene Ebenen. Viele Medikamente sind etwa rezeptpflichtig. Das heißt, ihr Einsatz wird durch Ärzte und Ärztinnen überwacht. Sie sind dementsprechend auch nur in einer Apotheke zu bekommen, wo Apotheker:innen auch noch einmal beratend zur Seite stehen. Es gibt hier also sehr viele Kontroll-Ebenen.
„Alternative“ Medizin wird nicht kontrolliert
„Alternative“ Medizin hingegen unterliegt keinen dieser Kontrollmechanismen und muss sich auch nicht einer wissenschaftlichen Community stellen. Die Wirkung muss auch nicht nachgewiesen werden. Weil es keinerlei nachgewiesene Wirkung gibt, die über einen Placeboeffekt hinaus geht.
Schon seit über 100 Jahren versuchen Scharlatane und Kurpfuscher ihre Geschäftsmodelle mit echter Medizin gleichzusetzen. Dafür haben sie den Begriff „Schulmedizin“ erfunden. Als sei diese eben nur eine unter vielen möglichen medizinischen Richtungen.
Der Begriff hat sich zwar schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts eingebürgert, doch ist es immer wieder wichtig darauf hinzuweisen, was der ursprüngliche Zweck dieser Begriffsunterscheidung war. Zumal der Begriff zur Zeit des Nationalsozialismus stark antisemitische Untertöne bekommen hat. Progressive sozialmedizinische Ansätze wurden zugunsten völkischer und naturheilkundlicher Wege abgelehnt.
Medizin ist immer nachweisbar
Umso wichtiger ist es, sorgsam mit dem Begriff umzugehen. Es gibt nur eine Medizin. Das kann eine Tablette sein, an der Jahre geforscht wurde – oder durchaus auch ein lang bekanntes Kraut aus dem Wald. Aber Medizin ist IMMER das, was nachweisbar wirkt. Es lässt sich immer durch Studien und in wissenschaftlichen Verfahren bestätigen und überprüfen. Es lassen sich dabei neue Erkenntnisse finden und manche werden sich auch verändern. Aber niemand agiert dabei nach Bauchgefühl und ratet herum.
Und Ärztinnen und Ärzte lernen das in ihrer Ausbildung. Die Herstellung, Verschreibung, Ausgabe und Verabreichung von Medizin wird von Leuten überwacht und vollzogen, die dafür lange studiert haben und sehr genaue Regeln befolgen müssen.
Alles andere hat nichts mit Wissenschaft oder Medizin zu tun. Im harmlosen Fall haben diese anderen Mittel einen Placeboeffekt und lassen ein gutes Gefühl zurück. In etwa so, wie wenn man Vanillekipferl von der Oma isst. Auch keine Medizin, aber irgendwie helfen tut es doch fürs Wohlbefinden.
Im schlimmsten Fall ist es dreiste Abzocke oder sogar schädlich. Dann hat sich jemand etwas ausgedacht, um einmal gut abzucashen und um die Naivität und Verzweiflung von Menschen auszunutzen. Das ist aber dann erst recht keine Medizin. Tun wir ihnen nicht den Gefallen und bezeichnen es so.