Schwer herzkranker 20-Jähriger sagte Ärztin nichts über Vorerkrankung und starb nach Impfung: Wie unverantwortlich Medien damit umgehen
Ein junger Mann aus Kärnten erzählte seiner Ärztin nichts von seiner schweren Vorerkrankung und verstarb kurz nach seiner Impfung.
Aber die Nachricht beunruhigte auch andere Menschen. Sie wirft ja wichtige Fragen auf. Wir sollten alle eine Impfung bekommen. War sie wirklich sicher? Und warum ermitteln die Behörden da angeblich nicht? Dass so eine Meldung verunsichert, ist verständlich.
20-Jähriger war vor Corona-Impfung schwer herzkrank
Nachdem die Geschichte einige Wochen im Informations-Untergrund geschwelt war, stieß der Falter darauf. Chefredakteur Florian Klenk hatte eine E-Mail bekommen und ging der Geschichte nach. Er fand heraus: Der Fall war echt. Was aber in den Nachrichten oft nicht erwähnt wurde, der verstorbene 20-jährige Kärntner hatte schwerwiegende Vorerkrankungen. Er hatte eine Herzschwäche, musste in der Vergangenheit bereits am Herzen operiert werden. Und wie man in Meldungen ein Jahr später erfahren wird: schon nach den ersten beiden Impfungen, hatte er Probleme und er sollte offenbar bald wieder einen Eingriff haben.
Damit war er Teil der Corona-Risikogruppe, für die eine Infektion und COVID-Erkrankung besonders gefährlich wäre – aber es machte ihn eben auch anfälliger für Komplikationen nach einer Impfung. Eine Impfung macht nicht krank, aber sie aktiviert absichtlich das Immunsystem und das kann immer eine kurzfristige Belastung für den Körper sein. Deshalb sollte man sich nach einer Impfung auch ein paar Tage schonen. Das sollte man nicht unterschätzen. Und natürlich ist das bei Leuten, die gesundheitliche Probleme haben, ein zu beachtender Risikofaktor.
Herzpatient hatte Vorerkrankung verschwiegen
Um es klar zu sagen: Eine Impfung wird auch Herzpatient:innen fast immer empfohlen. Denn die Wahrscheinlichkeit großer gesundheitliche Gefahren ist gerade für sie nach einer Corona-Infektion viel größer. Aber die Medizin weiß, dass die kurzfristige Belastung durch die Impfung ein Problem sein kann. Herzpatient:innen sollten von Ärzt:innen bei der Impfung etwas anders behandelt werden. Dazu gibt es je nach genauer Vorerkrankung eigene Empfehlungen. Man soll etwa auf einen gut eingestellten Blutdruck achten, sollte länger zur Nachbeobachtung bleiben oder bei der Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten auch die Einstichstelle einige Minuten komprimieren. Auch stationäre Aufnahmen bei besonders gefährdeten Menschen gehören zu möglichen Maßnahmen – im Fall des 20-jährigen Kärntners wurde nun nachträglich festgestellt, dass das passieren hätte müssen.
Das Problem am Fall des verstorbenen 20-Jährigen war: Der Ärztin, die ihn impfen sollte, und auch am dafür vorgesehenen Fragebogen sagte der Verstorbene leider nicht, dass er diese Vorgeschichte hatte. Das weiß man öffentlich spätestens seit dem Falter-Bericht. Aber jetzt – fast ein Jahr später – wurden deshalb auch offiziell die Ermittlungen gegen die Ärztin eingestellt. Sie konnte davon nichts wissen und wird nicht für die Folgen verantwortlich gemacht. Das macht den Fall nicht weniger traurig und tragisch.
Was Medien heute daraus machen
Ich bin auf diese Nachricht gestoßen, weil ich sie in den Google Trends entdeckt habe. Es ist schockierend, wie heimische Medien damit umgehen, dass die Ermittlungen eingestellt werden.
Hier sind die Überschriften, die in den Google Trends zusammengefasst werden:
Wer auf diese Meldungen klickt, bekommt meist zwei kurze Absätze aus einer Agenturmeldung und erfährt zumindest noch ein paar wichtige Dinge. Wer hingegen nur im Vorbeigehen über diese Nachrichtensammlung blickt, bekommt vermittelt: 20-jähriger, Corona-Impfung, tot. Man nimmt mit, ein junger Mensch sei durch die Impfung gestorben.
Egal wie man zu Impfungen nun persönlich steht, wird man einsehen, dass das ein Dreh ist, der die Geschichte in diesem Fall in die falsche Richtung deutet. In der Berichterstattung über den tragischen Tod des 20-jährigen Herzpatienten geht aus keiner der in Google Trends vermerkten Überschriften deutlich hervor, dass es sich erstens nicht um einen neuen Fall handelt, und es zweitens um eine Person mit schwerer Vorerkrankung geht. Es wird schlicht nicht einmal angedeutet, dass dieser Mensch an einer Herzschwäche starb, nicht an einer Impfung.
Das erinnert an Meldungen in den frühen Impf-Monaten, als Schlagzeilen kursierten, wonach ein Mensch „tot im Impfzentrum zusammengebrochen“ sei. Manchmal erfuhr man erst irgendwann nach einigen Absätzen in der Meldung, dass das in der Warteschlange passierte, bevor die Person überhaupt geimpft worden war.
Angst gibt es gratis, für die Wahrheit bitte zahlen
In der Google-Trends-Liste fehlt übrigens zum Beispiel die Meldung zum Thema von Krone.at. Trotzdem schießt das Großmedium den absoluten Vogel damit ab, wie es über den Fall berichtet. „Tod nach Corona-Impfung: Drama um 20-jährigen“ steht dort im ähnlich schlechten Titel. Danach folgen in den ersten Absätzen Cliffhanger im Text, die Spannung erzeugen. Ein Notarztalarm habe eine Obduktion ausgelöst. Es habe lange Ermittlungen und zwei Gutachten gegeben. Hat der Fall strafrechtliche Konsequenzen? Wie konnte es zu dem Drama kommen? Und bevor der Artikel auch nur eine der Fragen beantwortet, bevor er zu erkennen gibt, dass nicht die Impfung hier einen Menschen getötet hat, verschwindet der Text hinter einer Bezahlschranke.
Auch dieses Problem sieht man in Medien zu oft: zuerst wird die eigene Wirkung der Überschrift ignoriert, und danach noch die einer Paywall. Die Folge: Wer kein Monatsabo abschließt, wird vollends verängstigt, erfährt aber nie auch nur annähernd die ganze Wahrheit. Damit agiert die Krone in diesem Fall noch eine Ecke verantwortungsloser als die Kleine Zeitung. Die hat als stets gut informierte Kärntner Bundesländer-Zeitung schon zwei Wochen vorher mit „Kärntner starb nach Corona-Impfung: Ermittlungen eingestellt“ über die Neuigkeiten zum Fall berichtet. Auch dort ist die Überschrift durchaus irreführend. Auch dort verschwindet der Artikel online nach wenigen Sätzen hinter einer Paywall – aber zumindest erfährt man vorher noch etwas darüber, dass der Tote „schwer herzkrank“ war.
Wir sind damit wieder in einer ähnlichen Situation wie vor einem Jahr. Menschen werden von einer sich verbreitenden Nachricht beunruhigt und verunsichert. Nur sind es diesmal nicht impf-feindliche Gruppen oder besorgte Menschen, die einfach keine Recherchefähigkeiten haben können, die sie verbreiten. Es sind kommerzielle Medien mit Journalist:innen, die das beruflich machen und wissen sollten, was sie da tun.
Journalismus muss seine Wirkung verstehen
Was hier passiert, ist verantwortungslos. Es grenzt an Arbeitsverweigerung, die Geschichte so aufzumachen – jedenfalls ist es kein ethisches Arbeiten, das vor allem der Information der Gesellschaft dient.
Journalist:innen, die irgendwas von ihrem Handwerk verstehen, müssen wissen, wie solche Nachrichten sich verbreiten. Dass mehr Menschen Schlagzeilen als ganze Texte lesen. Das gilt schon für die Titelseiten von gedruckten Zeitungen. Journalist:innen fragen bei Kritik an ihren Überschriften die Kritiker:innen gern, ob sie denn den Text gelesen haben.
Aber Profis müssen wissen, dass Titel ihre eigene Wirkung haben. Dass in Sozialen Medien zum Beispiel 6 von 10 Menschen, die eine Meldung sehen, diese gar nicht anklicken – sie aber trotzdem oft weiter teilen. Weshalb sich nur die Informationen – oder bei dummen Überschriften eben Halbwahrheiten und Desinformationen – aus diesen Schlagzeilen verbreiten. Dass eine Bezahlschranke hinter dem Klick dann noch mehr Menschen von der vollständigen Information abhält, liegt auf der Hand. Das ist natürlich kein kluges Verhalten von Nutzer:innen. Aber es wird so gemacht und diesen Fakt müssen Menschen berücksichtigen, die beruflich die Aufgabe haben, die Gesellschaft zu informieren (und die nur zu gern darauf bestehen, dass das als ihr Beitrag zur Demokratie verstanden wird).
Wer weiß oder ahnt, wie Überschriften und Paywall-Teaser von Nachrichten konsumiert werden, hat die berufliche Verantwortung, keinen Mist dorthin zu schreiben und keine besonders wichtigen Informationen wegzulassen. Und das gilt vor allem, wenn es empfindliche und besonders kontroverse Themen betrifft. Etwa wenn ein falsches Verständnis und Gefühl für eine Impfung verbreitet wird, das für manche in der Bevölkerung wirklich gefährliche Folgen haben kann.