Bezahlkarte statt Bargeld für Asylwerber:innen – ist das reine Schikane?

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hatte es im Vorjahr angekündigt. Ab Mitte Juli erhalten Asylwerber:innen in acht Einrichtungen des Bundes nun tatsächlich Bezahlkarten statt Bargeld. Leistungsberechtigte könnten das Geld sonst ins Ausland an ihre Familien schicken oder für Suchtmittel, wie beispielsweise Alkohol ausgeben, wird behauptet.
Schlechte Vorreiterfunktion
Deutschland machte es Österreich vor. Anfang 2024 einigten sich 14 von 16 Bundesländern auf ein gemeinsames Vergabeverfahren für Bezahlkarten für Asylwerber:innen. Sie sind in allen deutschen Bundesländern im Einsatz, außer in Berlin.
Wie in Österreich ist die Bezahlkarte eine Debitkarte, die monatlich “aufgeladen” wird. Auslandsüberweisungen sind in allen Bundesländern verboten, Inlandsüberweisungen nur teilweise möglich. Beispielsweise sind in Bayern oder Mecklenburg-Vorpommern gar keine Online-Käufe möglich.
Umsetzung in Österreich
Besonderheit in Österreich: Die Bezahlkarten sind auch für konkrete Ausgaben gesperrt: für Alkohol oder Glücksspiel. Die Debitkarte kann mit Taschengeld oder Bezahlung von gemeinnütziger Arbeit beladen werden.
Auch wenn die Umsetzung einer einheitlichen Bezahlkarte bundesweit geplant war, ziehen jetzt nur die Blau-Schwarzen Bundesländer Oberösterreich, Salzburg und die Steiermark mit. Andere Bundesländer vergeben eigene Karten oder zahlen die Grundversorgung weiterhin mit Bargeld aus. Es sei Ländersache, ob sie an der bundesweiten Regelung der Bezahlkarten teilnehmen möchten oder nicht, so Lukas Gahleitner-Gertz von der “Asylkoordination: “Es ist ein Flickenteppich und es bleibt ein Flickenteppich.”
Er begrüße es prinzipiell, wenn die Grundversorgung digitalisiert werde. Das ist zum Beispiel in Wien oder Vorarlberg der Fall, wo das Geld einfach auf ein Bankkonto ausgezahlt wird.
Von wie viel Geld reden wir da überhaupt?
Asylwerber:innen, sowie Asylberechtigte haben einen Anspruch auf Grundversorgung in Österreich. Darunter fallen finanziell eine Unterkunft und Verpflegung, Bekleidungshilfe (150 Euro im Jahr), Schulbedarf für Schüler:innen (200 Euro im Jahr) und die Übernahme der Fahrtkosten bei behördlichen Terminen. Ebenso steht Schutzbedürftigen ein Taschengeld von 40 Euro zur Verfügung.
So besteht die Grundversorgung in Wien aus 235 Euro im Monat. “Wir sprechen hier von fünf bis sieben Euro Essensgeld pro Tag. Das ist sehr, sehr wenig Geld, wenn man bedenkt, wie viel Lebensmittel kosten”, so Gahleitner-Gertz.
“Kein real existierendes Problem”
Der Vorwurf von Politiker:innen der ÖVP und der FPÖ, dass die Grundversorgung von Leistungsberechtigten “missbraucht” werden würde, ist also weit von der Realität entfernt.
“Meines Erachtens wird dadurch viel mehr ein Signal an die eigene Wähler:innenschaft gesendet, als dass ein real existierendes Problem gelöst werden soll”, erklärt Gahleitner-Gertz. Es habe parlamentarische Anfragen zum Missbrauch der Grundversorgung gegeben und für keine konnten Beweise gefunden werden, so der Asylrechtsexperte.
Stattdessen lenke diese Diskussion von der Tatsache ab, dass die Grundversorgung allgemein viel zu niedrig sei. Die Lebenshaltungskosten sind aufgrund der Inflation die letzten Jahre immens gestiegen – doch an diese Entwicklung sei die Grundversorgung nicht angepasst worden.
Gahleitner-Gertz ordnet die Diskussion um Bezahlkarten als “leichtes Thema, wo man Härte zeigen kann” ein: “Es geht darum, einen Sündenbock zu erschaffen, wie wir es seit Jahren in der Asylpolitik sehen.” Dabei fürchtet er, dass die Diskussion in weiterer Folge auch auf andere benachteiligte Bevölkerungsgruppen ausgedehnt wird, wie Empfänger:innen von Sozialhilfe.