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Ungleichheit

Dating als trans Frau: “Für Männer bin ich kein echter Mensch”

Man sieht Steffi Stankovic, Transfrau und Aktivistin aus Wien.
Foto: Nicolas White
Steffi würde gerne wie jede:r andere daten. Das ist ihr als trans Frau aber leider nicht möglich. Statt sie als Person kennenzulernen, wollen Männer sie für ihre Porno-trans-Fantasien oder als Prank für ihre Freunde benutzen. Und machen daraus gar kein Geheimnis. 

“Servus, ich hätte gern, dass du mit meinem besten Freund Sex hast und ihm erst später erzählst, dass du ein Mann bist, geht das?” Auf solche Nachrichten muss Steffi sich einstellen, weil sie “transgender woman” in ihrer Tinder-Bio stehen hat. Dating ist schon schlimm genug. Als trans Frau weitestgehend ein Albtraum.

“Ich habe mich schon daran gewöhnt – ich bin immer wieder enttäuscht, aber nicht überrascht. 90% meines Datinglebens ist eine komplett ignorante Sache”, erzählt die 31-jährige Steffi Stanković über ihr wenig erfülltes Liebesleben. “Die meisten Typen fetischisieren trans Frauen, weil sie sie fast nur aus Pornographie kennen. Sonst haben sie ja keine Berührungspunkte. Für sie bin ich kein echter Mensch, ich bin nicht real.” 

Dating als trans Frau: Zwischen Sexualisierung und Pranks

Die meisten Nachrichten, die Steffi bekommt, sind stark sexualisiert und viel zu direkt: “Hast du noch einen Penis, kannst du das und das damit machen?” Oft rufen die Männer solche Nachrichten nach dem “Gesehen” sofort zurück – damit Steffi sie lesen, aber keine Screenshots machen kann. Die restlichen Nachrichten sind Anfragen zum “Pranken” von Freunden. Selten ist eine Nachricht dabei, die nicht herabwürdigend ist. “Online fühlen sich die Leute wohl, dir alles ins Gesicht zu schütten. Ich denke mir bei solchen Typen: Würdest du solche Fragen einem cis Girl stellen, dass dir super gut gefällt? Nein, würdest du nicht, also warum machst du es bei mir? Jede trans Person möchte einfach wie eine cis Person behandelt werden.”

„Ich bin eigentlich nirgends wirklich sicher“

Wer sind eigentlich die Männer, die sowas schreiben? “Die kommen aus jeder Gruppe. Verheiratet mit Ehefrau am Profilbild oder linke Studenten Mitte Zwanzig. Je klischeehafter, desto ärger. Die ‘super männlichen’ tätowierten, patriotischen, Deutschrap-Alpha-Typen sexualisieren extrem”, gibt Steffi Einblick in ihre Privatnachrichten auf Tinder und Instagram. “Es gibt Männer, die sind nett zu cis Frauen, aber ich als trans Frau erfülle ihre Kriterien für eine ‚respektvolle Frau‘ nicht. Sie vergessen, dass ich ein Lebewesen bin und sehen mich als Entertainment – reduziert auf ein Fetischerlebnis oder einen Prank.” 

Steffi wechselte zwischendurch auf Schwulenapps, weil sie davon ausging, dass Männer in der queeren Szene ihr gegenüber offener wären. Doch auf jeder Plattform trifft sie auf solche, die gezielt trans Personen fischen, nur das Sexuelle suchen und respektlos sind: “Ich bin eigentlich nirgends wirklich sicher.”

“In echt ist es noch 10 Mal schlimmer”

Und trotzdem ist Steffi Online-Dating lieber, denn “in echt ist es noch 10 Mal schlimmer”, wie sie sagt. Beim Fortgehen gibt es Abende, wo sie im Club mehrmals von Männern angesprochen wird: “Ich weiß, du bist ein Mann, aber ich glaube, mein bester Freund hat’s nicht gecheckt. Ich geb dir ‘ne Flasche aus, wenn du mit ihm rummachst und ihm später sagst, dass du ein Mann bist.” 

Per Chat kann sie ihre Transidentität ohne große Konsequenzen ansprechen und das Gegenüber blockieren, wenn die Reaktion zu heftig oder die Kommentare zu tief werden. In echt kann es schnell gefährlich werden: “Du hast alle möglichen Idioten. Ich kann mir nicht sicher sein, ob dann kommt ‘du Hund, du hast mich reingelegt’. Ich will diese Konversation nicht führen.”

Kein Wunder also, dass Steffi findet: “Nichts gibt mir so viel anxiety wie Dating.” Sie beschreibt Anflüge von Panik, wenn sie daran denkt, bald “zugeben” zu müssen, dass sie trans ist. Die Frage nach dem passenden Moment schwirrt nonstop in ihrem Kopf herum. Gerade beim Fortgehen oder wenn sie spontan angesprochen wird, ist der Moment fast nie passend: “Man kann ja nicht sagen: Hey, was magst du trinken? Ich bin trans.”

“Clocking” macht unrund

Besonders unangenehm wird es für Steffi, wenn ihr Gegenüber beginnt, ihre Merkmale wie ihre Größe, große Hände oder tiefe Stimme zu kommentieren: “Clocking, also wenn wer mein Transsein herausfindet, macht mich sehr unrund. Denn was ist der Grund? Möchte er das jetzt unbedingt von mir hören? Behandelt er mich dann anders als in der vorherigen halben Stunde? Oder will er es einfach nur wissen?”

Aber muss Steffi es überhaupt sagen? “Ich dachte wirklich schon, ich erwähne es gar nicht. Aber wie sicher ist mein Leben, wenn es erst beim dritten oder vierten Date rauskommt? Ich weiß aus Bekanntenkreisen, dass ich das möglichst schnell ansprechen muss, sonst kann es gewalttätig werden. Ich kann nicht riskieren, Opfer einer Hasstat werden, nur weil jemand denkt “ich trickse ihn aus”. Steffis Sorge ist nicht unbegründet – Gewalt gegenüber queeren Menschen nahm letztes Jahr dramatisch zu.

“Ich möchte ein stinknormales Leben führen”

Dabei will Steffi gar nicht ständig an ihr Transsein erinnert werden. “Ich vergesse oft, dass ich trans bin. Die Gesellschaft erinnert mich nur konstant daran und behandelt mich, als wäre ich anders. Ich hätte gerne ein ganz normales Datingerlebnis, wo wir vielleicht eine halbe Stunde darüber sprechen und dann nicht mehr. Ich möchte einfach ein stinknormales Leben führen.”

Ihre Dating-Erlebnisse haben sie so frustriert, dass sie zwischendurch ganze zwei Jahre niemanden gedatet hat. “Dann kriegst du einfach weniger Scheiß ab. Manchmal wünschte ich, ich wäre asexuell. Aber ich hab keinen Bock auf Zölibat. Ich möchte küssen, mich zu jemanden hingezogen fühlen!”

Das war in den letzten Jahren nur selten der Fall. In den 10 Jahren ihrer Transidentität gab es nur drei Männer, bei denen sie sich wohlgefühlt hat. Doch auch mit ihnen wurde ihr Transsein ab einem gewissen Punkt zum Problem. “Sie denken, sie können damit dealen, aber dann schaffen sie es doch nicht.” Sie haben dann doch Angst, verurteilt oder für schwul gehalten zu werden und so wurde Steffi nie Eltern, Kolleg:innen oder Freund:innen vorgestellt. Niemand wusste, dass sie existiert. Mit 31 lässt sie sich das nicht länger gefallen. “Mit 20 dachte ich noch, ich verdiene das. Hauptsache, jemand will mich. Aber wo ist dann meine Selbstliebe hin? Was ist mit meinem Kampf in dieser Gesellschaft, wenn ich mich weiterhin verstecken und fetischisieren lasse?” 

“Nur weitere Dudes, die trans Pornos schauen”

Steffi übernimmt für ihr Leben und ihren Selbstwert die Verantwortung und durch ihren Aktivismus auch für “die trans Kinder von morgen”. Doch die Verantwortung sieht sie auch bei den Männern, die trans Personen daten: “Sie schließen uns aus. Keiner von denen würde auf eine trans Demo gehen oder mich seiner Familie vorstellen. Dabei wäre diese Normalisierung so wichtig. So sind sie nur weitere Dudes, die trans Pornos schauen und denen trans Frauen nur zu ihrer Befriedigung dienen.”

Aber was macht es mit Steffi, wenn emotionale Nähe so selten ist? “Ich habe sehr gute Freunde, mit denen ich auf Urlaub fahre und mich oft treffe. Ich habe auch eine tolle Familie – für trans Menschen ein Privileg – die mich mit Verständnis, Geborgenheit und Support füttert. Diese Beziehungen pflege ich extrem stark und werde somit emotional ziemlich gut aufgefangen.” Die Hoffnung in die Gesellschaft hat sie nicht verloren: Ich glaube daran, dass mir Gutes passiert und entgegenkommt. Aber wenn was schiefläuft, bin ich super radikal. Ich lasse mir nichts mehr gefallen.”

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