Ein Altenpfleger spricht: “Wir fühlen uns im Stich gelassen!”
Thomas (Name von der Redaktion geändert) ist wütend. Monatelang haben Pflegekräfte für eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden protestiert. Dann kam Corona. Politik und Menschen klatschen zwar jetzt für SystemerhalterInnen wie sie, aber es gibt nur eine 37-Stunden Woche - und das erst in zwei Jahren. Thomas und viele KollegInnen fühlen sich nicht nur deshalb gerade in der herausfordernden Corona-Krise im Stich gelassen.
Thomas (Name von der Redaktion geändert) ist wütend. Monatelang haben Pflegekräfte für eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden protestiert. Dann kam Corona. Politik und Menschen klatschen zwar jetzt für SystemerhalterInnen wie sie, aber es gibt nur eine 37-Stunden Woche – und das erst in zwei Jahren. Thomas und viele KollegInnen fühlen sich nicht nur deshalb gerade in der herausfordernden Corona-Krise im Stich gelassen.
Ich arbeite erst seit rund einem Jahr als Altenpfleger. Ich bin in den sozialen Bereich gewechselt, da ich der Gesellschaft etwas zurückgeben wollte. Bereits als Zivildiener habe ich mit schwer Demenzkranken zu tun gehabt und wusste daher, was auf mich zukommt. Ich bin mit meiner Entscheidung sehr glücklich.
Die Corona-Krise trifft die PensionistInnen und Demenzkranken hart
Jetzt arbeite ich als Heimhilfe in einem Wiener Pensionistenheim und habe ebenfalls mit Demenzkranken zu tun. Ich bin zwar nur eine Teilzeitkraft und noch jung, aber ich komme jeden Tag aus dem Dienst und bin vollkommen erledigt. Die Arbeit ist auch unter normalen Umständen belastend, aber nun ist sie viel anstrengender. Unsere Bewohner trifft die Corona-Krise natürlich besonders hart, da sie nun ihre Familien nicht sehen dürfen.
Krankheitsbilder verschlechtern sich
Die Besuche von den Angehörigen sind enorm wichtig, sie geben Kraft und Freude. Anrufe und Videochats können den persönlichen Kontakt nicht ersetzen, vor allem haben viele ältere Menschen einfach Probleme mit dieser Art der Kommunikation, da sie zum Beispiel schon schlecht hören und wenig verstehen.
Ich sehe, dass sich die Krankheitsbilder verschlechtern. Die Menschen sind verwirrter, vergesslicher, manche wissen dann nicht einmal mehr, wer sie selbst sind. Wir müssen mit viel Geduld ständig erklären, was das Coronavirus ist und was gerade in unserem Land passiert. Wir haben zum Glück einen Garten, die Bewohner dürfen sich darin aufhalten, aber sie dürfen das Gelände nicht verlassen. Viele Freizeitaktivitäten sind nicht möglich. Die Änderungen der täglichen Abläufe irritiert natürlich zusätzlich.
PensionistInnen haben Angst
Und natürlich sind viele verunsichert, nervös und ängstlich. Unsere Bewohner sehen die Nachrichten und lesen Zeitung und diese Meldungen sind ja allesamt bedrohlich und heftig. Viele meinen, dass diese Situation sie an den Krieg erinnern würde. Und noch schlimmer: So etwas wie jetzt hätten sie in ihrem langen Leben noch nicht erlebt.
Eine Dame fragt mich nun etwa alle zehn Minuten, wann sie ihre Maske bekommt, denn sie hat Angst und in der Zeitung steht ja, dass nun jeder eine tragen muss. Ich muss ihr dann immer wieder sagen, dass wir für sie leider keine haben.
Es mangelt an Schutzausrüstung
Denn sogar wir Pflegekräfte bekommen pro Tag nur jeweils eine Maske, da wir zu wenige haben. Seit einem Monat wird eine Lieferung versprochen, doch wie überall sind solche Schutzausrüstungen vergriffen. Durch die Corona-Krise mangelt es auch an Personal. Wir hatten erst einen positiven Corona-Fall. Zum Glück wurde keine weitere Person infiziert, aber einige MitarbeiterInnen mussten vorübergehend in Quarantäne. Und ihre Arbeit wird dann auf andere verteilt.
Derzeit müssen auch Leute arbeiten, die eigentlich krank sind – aber so lange sie nicht positiv auf Corona getestet worden sind, ist das kein Grund um zu Hause bleiben zu dürfen. Wir haben zwar Hilfe in Form von freiwilligen Zivildienern bekommen, doch ich will mir gar nicht ausmalen, was passiert, wenn es mehr Corona-Fälle bei uns gibt.
Großes persönliches Risiko
Ich und meine Frau, die auch in einem Krankenhaus arbeitet, passen natürlich auch privat sehr auf und gehen nur noch mit Maske aus dem Haus. Wir wollen natürlich niemanden gefährden. Doch wir bräuchten endlich ausreichend Schutzausrüstungen. Wir fühlen uns da vom Arbeitgeber im Stich gelassen.
Uns Pflegekräften wurde für unseren Einsatz in der Corona-Krise ja ein einmaliger Bonus von 500 Euro versprochen – ich fände diesen aber monatlich für die Dauer der Corona-Maßnahmen angebracht. Denn schließlich sind wir sehr gefährdet, selbst infiziert zu werden – und eben mehr als sonst belastet.
„Das ist praktisch nichts“
Derzeit stehen die Pflegekräfte im Rampenlicht und werden von allen Seiten beklatscht. Und da finde ich es unglaublich, dass die Gewerkschaft in dieser Phase nicht schafft, mehr für uns herauszuschlagen. Die Vollzeitkräfte dürfen in zwei Jahren vier Stunden weniger im Monat arbeiten. Das ist ja praktisch nichts. Noch vor einem Monat hat die Gewerkschaft ein ähnliches Angebot abgelehnt. Und das nun als Erfolg zu verkaufen, ist wirklich ein Wahnsinn!
Niemand meiner KollegInnen findet das toll. Wir alle sind richtig zornig.