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Demokratie
Ungleichheit

Proteste, Tote und blockiertes Internet: Was passiert gerade im Iran? 

Nach dem Tod von Jina Mahsa Amini durch die iranische Sittenpolizei finden im Iran Proteste statt, die weltweite Wellen schlagen. Wir klären alle Fragen: Was passiert gerade im Iran?

Nach dem Tod von Jina Mahsa Amini durch die iranische Sittenpolizei finden im Iran derzeit landesweit Proteste und Streiks statt, die weltweite Wellen schlagen. Zwischen den iranischen Sicherheitskräften und Demonstrant:innen gibt es gewaltsame Auseinandersetzungen und jetzt schon Dutzende Tote. Seit einigen Stunden wurde der Zugang zum Internet blockiert, ein Mittel des iranischen Regimes, um die Proteste zu unterdrücken und nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Menschen, die außerhalb des Regimes leben, werden aufgefordert, die Proteste im Internet weiterhin aufrechtzuerhalten. Wir klären alle Fragen zu den Protesten im Iran.

Was war der Auslöser für die Proteste im Iran?

Am 13. September 2022 wurde die aus der kurdischen Stadt Saqqez stammende Jina Mahsa Amini von der iranischen Sittenpolizei in Teheran verhaftet, da sie ihr Kopftuch angeblich zu locker getragen hat. In Polizeigewahrsam fiel die 22-Jährige ins Koma und musste ins Krankenhaus gebracht werden, drei Tage später wurde ihr Tod gemeldet. Laut polizeilichen Angaben erlitt Amini einen plötzlichen Herzinfarkt, Augenzeug:innen berichten dagegen von Gewalteinwirkung seitens der Polizei. 

 
 
 
 
 
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Wie protestieren die Menschen im Iran?

Mit der Beerdigung von Jina (Mahsa) Amini* begannen, ausgehend von kurdischen Städten wie Saqqez, Menschen zu protestieren und zu streiken, mittlerweile haben sich die Demonstrationen auf viele weitere Städte Irans und sogar in andere Länder ausgeweitet. Mit dem kurdischen Spruch “Jin, Jiyan, Azadî”, auf Farsi “Zan, Zendegi, Azadi” (Frauen, Leben, Freiheit) wird aufgerufen, die Arbeit niederzulegen, Geschäfte zu schließen und zu protestieren. Im Zuge der Straßenproteste sowie in Online-Videos schneiden sich Frauen als Zeichen der Solidarität ihre Haare ab und verbrennen ihre Kopftücher. Tausende Frauen und Männer liefern sich Gefechte mit den Sicherheitskräften, die mit blutiger Gewalt reagieren. Ihre Forderungen: ein Ende des islamischen Regimes und der Unterdrückung der Frauen, dafür Demokratie und Menschenrechte. 

*Ihr kurdischer Name war Jin, ihr iranischer Mahsa

 
 
 
 
 
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Wer ist eigentlich die iranische Sittenpolizei?

Mit der Islamischen Revolution von 1979 wurde neben anderen frauenfeindlichen Gesetzen eine strenge islamische Kleiderordnung für Iraner:innen eingeführt. Für Frauen heißt das, dass sie ihre Haare bedecken und eine lange, lockere Kleidung, die nicht ihren Körper betont, tragen müssen. Bei Verstößen werden Frauen belästigt, verhaftet und teilweise auch hingerichtet. Seit 2005 gibt es eine eigens dafür eingerichtete Sittenpolizei (gascht-e erschād), bestehend aus Männern, aber auch streng religiösen Frauen. Diese tragen oft zivile Kleidung, um nicht sofort erkannt zu werden, und halten Frauen, aber auch nicht-binäre Personen, die sich nicht genderkonform kleiden, an, wenn sie sich nicht vorschriftsmäßig anziehen. Oft werden die Betroffenen zu Polizeistationen gebracht, in der sie zumeist am gleichen Tag wieder freigelassen werden. Es gibt jedoch auch Fälle wie den von Sepideh Rashno im August, die verhaftet und im Gefängnis misshandelt wurde. Mittlerweile ist sie unter Kaution vorübergehend freigelassen worden.

Welche Rolle spielt das Internet für die Protestierenden?

Spätestens seit den Protesten rund um die Präsidentschaftswahlen 2009 ist das Internet ein wichtiges Mittel für die iranische Bevölkerung, um die Gräueltaten des Regimes festzuhalten und mit der Außenwelt zu teilen. Der Iran liegt laut dem World Press Freedom Index weltweit auf dem drittletzten Platz, was die Freiheit von Presse und Journalist:innen betrifft, offiziell sind nur staatliche Medien erlaubt. Hierbei dient das Internet bzw. Social-Media-Kanäle wie Instagram, Twitter, Telegram und TikTok als wichtige Plattformen, um von Protesten und Menschenrechtsverletzungen zu berichten, aber auch, um sich für Demonstrationen zu organisieren. Seit 2014 gibt es feministische Online-Kampagnen wie #mystealthyfreedom, #whitewednesdays oder #girlsofrevolutionstreet, wo Frauen ihre Kopftücher abnehmen, gegen das Regime demonstrieren und sich dabei filmen. Der diktatorischen Regierung ist das Internet ganz klar ein Dorn im Auge.

Welche Folgen hat ein Internet Shutdown im Iran?

Umso weniger überraschend wurde laut netblocks.org der Internetzugang für Iraner:innen stark eingeschränkt, Plattformen wie Twitter, Whatsapp oder Instagram sind teilweise komplett gesperrt. 

 

 

Während hierbei normalerweise VPNs Abhilfe schaffen (Soziale Medien bis auf Instagram sind im Iran gänzlich verboten bzw. gefiltert), befürchten viele, dass es zu ähnlichen Situationen wie im “Internet Shutdown” 2019 kommen wird. Damals kam es zu einer wochenlangen kompletten Sperre des Internetzugangs, um Proteste rund um die steigenden Ölpreise niederzuschlagen. Da nur das nationale Informationsnetzwerk, also ein staatlich kontrolliertes Internet, den Menschen zur Verfügung stand, konnten Menschenrechtsverletzungen des Regimes gegen die eigene Bevölkerung nicht geteilt werden. Die Proteste wurden somit blutig niedergeschlagen, insgesamt starben 1500 Menschen. Viele Iraner:innen und Kurd:innen im In- und Ausland befürchten, dass sich der Vorgang des Regimes wiederholen wird. Sie fordern Menschen, die nicht in Iran leben, dazu auf, Videos, Fotos und Artikel rund um die Proteste weiterhin zu veröffentlichen und zu teilen. Auch die Benutzung der Hashtags #mahsaamini #zinaamini #iranprotests soll dabei helfen, die im Iran stattfindende Bewegung weiterhin aufrechtzuerhalten. 
 
https://www.instagram.com/p/CiyeOv7II56/

Einige Iraner:innen rufen sogar Elon Musk dazu auf, das von SpaceX entwickelte Satelliteninternet Starlink in den Iran zu liefern. Dadurch könnte den Protestierenden ein Internetzugang, der nicht vom iranischen Regime kontrolliert wird, möglich gemacht werden. Allerdings müsste dafür ein Teil der Sanktionen der USA gegen den Iran ausgesetzt werden.

 
Twitter-Konversation: Ein Iraner fragt Elon Musk, ob er Starlink im Iran zugänglich machen kann. Er antwortet, er wird um eine Aussetzung der Sanktionen seitens der USA nachfragen.

Was kannst du tun?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Menschen im Iran zu helfen. Wichtig ist vor allem, die Proteste nicht absterben zu lassen und online sowie offline weiterhin auf die Zustände aufmerksam zu machen. Das spielt vor allem eine starke Rolle, wenn die Menschen vor Ort aufgrund des blockierten Zugangs zu Sozialen Medien keine Möglichkeiten mehr haben, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. 

Eine weitere Möglichkeit, die Zensur zu umgehen: Snowflake. Das ist eine Übertragungsart, die im sogenannten Tor-Browser verfügbar ist. Tor-Browser bieten besondere Privatsphäre und Anonymität in Ländern mit staatlicher Überwachung und Zensur. Snowflake hilft dabei, Zensur im Internet zu umgehen, Benutzer:innen können auf das offene Internet zugreifen, selbst wenn Tor-Verbindungen zensiert werden. Das Gute dabei ist, dass jede:r mit Snowflake mithelfen kann, den Menschen in Iran eine Verbindung zu Tor-Netzwerken zu ermöglichen, also vor allem Menschen in Ländern mit unzensiertem Internet. Indem man die Browsererweiterung installiert und einfach den Browser laufen lässt. Mit dieser Erweiterung wird dein Browser zu einem Proxy, über den die Nutzer:innen im Iran ins Tor-Netzwerk gelangen können. 

Downloaden könnt ihr die Erweiterung beispielsweise hier.
  
Wer keine Erweiterung installieren will, kann Snowflake über diese Website erreichen und einfach den Tab offenlassen.

Hast du das schon gesehen?

Gestern hat MOMENT einige eindrucksvolle Videos der iranischen Proteste für dich gesammelt.

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