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Demokratie
Kapitalismus

Fehlende Transparenz, mehr Korruption: "In Österreich werden Interessenskonflikte hinter verschlossenen Türen verhandelt"

Fehlende Transparenz, mehr Korruption: "In Österreich werden Interessenskonflikte hinter verschlossenen Türen verhandelt"
Eine Woche ist es her seit es in Österreich einen neuen Fall von Korruptionsverdacht gab. Es gab Hausdurchsuchungen bei Finanzminister Blümel und Pechspielkonzern Novomatic. Für alle gilt die Unschuldsvermutung. Neben der Diskussion zur Unabhängigkeit von Justiz und Korruption in Österreich bleibt auch die Frage: Was muss sich jetzt ändern? 

Es braucht mehr Transparenz auf Seiten der politischen EntscheidungsträgerInnen sagt Mathias Huter. Er ist Experte für Anti-Korruption und Parteienfinanzierung beim Forum für Informationsfreiheit. Ein Recht auf Information könne das Korruptionsrisiko in Österreich reduzieren.

MOMENT: Was läuft falsch in diesem Land in Sachen Korruption und Transparenz?

Huter: Österreich ist im europäischen Vergleich Schlusslicht beim Thema Transparenz. Wir sind die einzige Demokratie in der EU, die BürgerInnen und JournalistInnen kein Recht auf Zugang zu staatlichen Dokumenten einräumt. Die fehlende öffentliche Kontrolle führt zu einem Korruptionsrisiko.

MOMENT: Wie kann die Transparenz verbessert werden?

Huter: Es braucht ein Informationsfreiheitsgesetz. Es müsste Behörden dazu verpflichten, bestimmte Dokumente automatisch online zu veröffentlichen – und der Öffentlichkeit das Recht geben, Informationen und Dokumente zeitnah zu bekommen. Bei konkreten Verdachtsfällen könnten dann zum Beispiel Interessierte den Briefwechsel von politischen EntscheidungsträgerInnen anfordern. Das Recht auf den Zugang zu staatlicher Information müsste ein Grundrecht werden, das in der Verfassung steht.

MOMENT: In der letzten Woche wurde öffentlich über die Unabhängigkeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft diskutiert. Ist die österreichische Justiz unabhängig genug?

Huter: Eine unabhängige Justiz und Staatsanwaltschaft sind wichtig. Wie man das sicherstellen kann, muss die Politik entscheiden. Neben der Strafverfolgung muss aber auch die Kontrolle durch die Öffentlichkeit gestärkt werden, vor allem in korruptionsanfälligen Bereichen.

MOMENT: Was sind korruptionsanfällige Bereiche?

Huter: Das sind Bereiche, wo es nicht sofort ums Strafrecht geht, sondern um Unvereinbarkeiten und Interessenskonflikte. Da gibt es in Österreich großen Aufholbedarf. Es beginnt bei einem Verhaltenskodex für politische Entscheidungsträger wie Abgeordnete oder Regierungsmitglieder, Verwaltung, aber auch ManagerInnen in staatsnahen Unternehmen. Wie gehe ich konkret mit Geschenken und Interessenskonflikten um? Hier bräuchte es wie in vielen anderen Ländern eine Offenlegung von finanziellen und anderen Interessen. Hat zum Beispiel ein Abgeordneter Aktienpakete, Kredite, die Zusage für einen Beratungs-Vertrag eines Unternehmens, oder andere finanzielle Interesse, die zu möglichen Interessenskonflikten führen können? Ist der Lebenspartner, die Partnerin bei einem relevanten Unternehmen tätig?

MOMENT: Ab wann ist etwas ein Interessenskonflikt?

Huter: Es geht nicht immer um einen tatsächlichen Interessenskonflikt. Es reicht, wenn die Öffentlichkeit ihn wahrnimmt. Daher ist eine jährliche Offenlegung der Interessen so wichtig.  Aber schlussendlich muss es im Einzelfall bewertet werden, wie man mit einem konkreten oder möglichen Konflikt umgehen kann. In Österreich gibt es dafür keine Kultur. Stattdessen werden Fragen zum Umgang mit Konflikten hinter verschlossenen Türen verhandelt. Hier braucht es klare Vorgaben.

MOMENT: Was sollte die Konsequenz sein, wenn es wirklich einen offensichtlichen bzw. wahrgenommen Konflikt gibt? 

Huter: Dann sollten die Person nicht mehr an der bestimmten Entscheidung bzw. Prozess mitwirken. Diese Kultur gibt es in Österreich aber kaum bis gar nicht.

MOMENT: PolitikerInnen haben oft Erinnerungslücken in U-Ausschüssen oder Befragungen. Ist das auch eine österreichische Spezialität?

Huter: Ich kann nicht bewerten wie das Erinnerungsvermögen von PolitikerInnen in anderen Ländern ist. Was ich beurteilen kann, ist, dass das österreichische Parlament nur sehr schwache Kontrollrechte hat, das gilt für den Nationalrat und die Landtage. Auch Abgeordnete sind mit dem Amtsgeheimnis konfrontiert und bekommen oft nur sehr kurze und unzureichende Antworten von der Regierung, aber in der Regel keine Dokumente. Durch ein Informationsfreiheitsgesetz steigen auch die Kontrollmöglichkeiten des Nationalrats, es wäre ein Recherchetool für alle.
Der Teufel liegt dabei im Detail. Die Frist für eine Beantwortung muss kurz sein. Also es soll nicht um Monate gehen, sondern um Tage, vielleicht zwei Wochen.

Seit zehn Jahren müssen in der Slowakei alle Verträge der öffentlichen Hand online abrufbar sein, sonst sind sie nicht gültig. 

MOMENT: Wie kann eine demokratische öffentliche Kontrolle funktionieren?

Huter: Es braucht eine unabhängige Informationsfreiheitsbeauftragte, die kontrolliert, ob das Gesetz in der Praxis umgesetzt wird. In Slowenien hat sie zum Beispiel eine sehr starke Stellungen. Sie ist Anlaufstelle für die Öffentlichkeit und unterstützt BürgerInnen dabei, Informationen zu beantragen und auch zu bekommen. Der Verwaltung hilft sie, Fragen zu klären, wann was freigegeben und was geheimgehalten werden muss. Es geht darum den gläsernen Staat zu schaffen und nicht gläserne BürgerInnen.

MOMENT: Sie beschäftigen sich auch mit Parteispenden und fordern mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Was sollte jetzt verbessert werden?

Huter: Der Rechnungshof sollte echte Prüfrechte für eine Kontrolle der Parteienfinanzierung bekommen. Er darf momentan keine Konten einsehen, sondern nur die Berichte der Parteien prüfen. Außerdem braucht es echte Transparenz bei den Finanzen in Wahlkämpfen – und zwar schon vor dem Wahltag.

In der Slowakei müssen alle Wahlkampagnen über gläserne Bankkonten abgewickelt werden. Da kann jedeR in Echtzeit einsehen, von wo und wohin wieviel Geld fließt. Das gibt es seit zwei Jahren. Und seit zehn Jahren müssen in der Slowakei alle Verträge der öffentlichen Hand online abrufbar sein, sonst sind sie nicht gültig. In Österreich gibt es oft so gut wie keine Nachvollziehbarkeit, wie öffentliche Gelder verwendet werden, zum Beispiel bei den Covid-Hilfsgeldern.

MOMENT: Es gibt viel zu tun in Sachen Transparenz. Was sollte jetzt als Erstes passieren?

Huter: Die größte Wirkung hätte ein Informationsfreiheitsgesetz. Es würde Vertrauen in Politik stärken.

MOMENT: Würde sich dann auch die politische Kultur ändern?

Huter: Es würden neue Anreize geschaffen werden. Korruption kann verhindert werden, wenn EntscheidungsträgerInnen im Hinterkopf haben, dass ihre Handlungen nachvollzogen werden können. Es würde sich auch das Verhältnis von BürgerInnen und Staat verändern. Informationen nicht herauszugeben, wäre dann kein Machtinstrument der Verwaltung mehr, denn jeder hätte ein druchsetzbares Recht, diese zu bekommen.


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