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"Böses Fleisch?" Was du über den Fleischkonsum in Österreich wissen musst

"Böses Fleisch?" Was du über den Fleischkonsum in Österreich wissen musst
Das Schnitzel ist den Österreicher:innen heilig. Warum eigentlich? Woher kommt diese starke emotionale Verbindung? Bringt es überhaupt etwas, weniger Fleisch zu essen? Und wie können wir den Fleischkonsum in Österreich verringern?

In unserer Serie “Böses Fleisch?” gehen wir diesen Fragen auf den Grund. Im ersten Teil widmen wir uns den Zahlen: Wie viel Fleisch essen wir und welche Auswirkungen hat die Fleischproduktion auf uns und die Umwelt?

Der Klimarat hat weitreichende Vorschläge zum Kampf gegen die Klimakrise vorgelegt. Manche klingen durchaus radikal. So tritt er für einen autofreien Tag pro Monat und eine niedrigere Höchstgeschwindigkeit auf Bundesstraßen ein. Worüber im Klimarat aber fast nichts gesagt wurde: unseren übermäßigen Fleischkonsum.

Fleisch und Wurst zu kritisieren, ist bei uns nicht leicht. Die Österreicher:innen wollen sich da in der Mehrzahl nichts vorschreiben oder gar das Schnitzel vom Teller nehmen lassen. Und überhaupt: Ist Fleisch wirklich so böse, wie immer alle sagen?

Fleischkonsum in Österreich: Fleischtiger mit schlechtem Gewissen

Die meisten von uns haben zumindest ein etwas schlechtes Gewissen. Die Menschen in Österreich finden Massentierhaltung schlecht. Das sagten zumindest 86 Prozent der Befragten in einer Umfrage. Vier von fünf finden es wichtig, den Fleischkonsum einzuschränken, um der Umwelt und den Tieren etwas Gutes zu tun. Und die Hälfte der Befragten könnte sich sogar vorstellen, auf Fleischersatz umzusteigen – wenn der preislich und geschmacklich passt.

Man könnte meinen, dass wir gar nicht so verrückt nach Fleisch sind. Die Zahlen sprechen jedoch eine andere Sprache. Was wir in Umfragen sagen und dann wirklich tun, klafft sehr weit auseinander.

9 von 10 Menschen in Österreich konsumieren mindestens einmal in der Woche Fleisch oder Wurst. Ein Drittel der Menschen sogar ein oder mehrere Male am Tag. Nur 2,5% gaben bei der Gesundheitsbefragung 2019 an, nie Fleisch oder Wurst zu essen. Das deckt sich allerdings nicht ganz mit anderen Werten, laut denen sich zwischen 6 und 11 Prozent der Menschen in Österreich vegetarisch oder vegan ernähren.
 

 
Fleischkonsum in Österreich: So oft essen wir Fleisch oder Wurst

Bei den Fleischgewohnheiten gibt es übrigens sehr starke Unterschiede zwischen den Geschlechtern. So isst nur jede fünfte Frau täglich Fleisch oder Wurst, bei Männern ist es fast jeder zweite. Konsequenterweise verzichten dreimal so viele Frauen wie Männer auf Fleischprodukte.

 
Fleischkonsum in Österreich: Unterschied zwischen den Geschlechtern

Dieser Fleischkonsum summiert sich zu einer beachtlichen Menge, die wir jährlich zu uns nehmen. 62,6kg Fleisch oder Wurst im Jahr sind es pro Kopf. Diese Werte beziehen sich nur auf das Fleisch, das tatsächlich auf den Teller kommt. Pro Kopf fallen eigentlich 93,8kg an. Darin sind auch Fleischreste und Tierfutter berücksichtigt.

Die gute Nachricht: Der Fleischkonsum in Österreich ist in den letzten Jahrzehnten leicht zurückgegangen. Im Jahr 2000 haben wir noch 68kg Fleisch zu uns genommen. Die schlechte Nachricht: Wir essen fast doppelt so Fleisch, wie der weltweite Durchschnitt. Der liegt bei 34kg.
 

 
Fleischkonsum in Österreich: So viel mehr Fleisch essen wir als der Rest der Welt

Im Gegensatz zu Österreich steigt der Fleischkonsum weltweit an. Fleisch zu essen, muss man sich leisten können. Dementsprechend ist es ein Statussymbol, das Wohlstand symbolisiert. Und der hat in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Das sieht man auch an der globalen Fleischproduktion. Die hat sich seit den 1970er-Jahren verdreifacht. 340 Millionen Tonnen Fleisch werden auf der Welt jedes Jahr produziert, 80 Milliarden Tiere dafür geschlachtet

In Österreich essen wir am häufigsten Schweine. Sie liefern das mit Abstand beliebteste Fleisch in Österreich: 50kg Schweinefleisch wurden für jede und jeden von uns 2020 produziert. Die Menge hat in den letzten Jahren etwas abgenommen. Im Gegensatz zu Geflügel. Der Konsum von Hühner- und Putenfleisch ist kontinuierlich gestiegen und lag zuletzt bei 21kg pro Person – wohl auch deswegen, weil das Fleisch als “gesünder” gilt. Rind- und Kalbfleisch ist mit 17kg hinter Geflügel zurückgefallen.
 

 
Fleischkonsum in Österreich: Dieses Fleisch essen wir pro Jahr

Nachdem Österreich ja das selbsternannte “Bio-Land Nummer 1 ist”, essen wir dafür zumindest viel Fleisch in guter Qualität. Oder? 

Davon sind wir weit entfernt. Bei Fleisch und Wurst spielt Bio-Qualität kaum eine Rolle. Der Bio-Anteil von Fleisch und Wurst im Lebensmittelhandel liegt gerade einmal bei 6,2% beziehungsweise 4%. Zum Vergleich: Bei der Milch liegt der Anteil bei 30%, beim Gemüse bei 20%.
 

 
Lebensmittelproduktion in Österreich: So klein ist der Bio-Anteil im Supermarkt.

Die Menge an Fleisch, die wir zu uns nehmen, könnte durch Fleisch aus Biohaltung auch nicht aufrechterhalten werden. Dazu braucht es Massentierhaltung, die mit gängigen Bio-Kriterien oft nicht in Einklang zu bringen ist. Bei Schweinen zeigt sich das sehr deutlich. Der Bio-Anteil bei Schweinefleisch liegt bei gerade einmal 2%, doch jeder fünfte Produzent führt einen Bio-Betrieb. Dort werden aber wesentlich weniger Schweine gehalten als in konventionellen Betrieben.

Die Auswirkungen unseres Fleischkonsums 

Wir essen also sehr viel Fleisch, das nur selten aus halbwegs artgerechter Tierhaltung kommt. Doch auch abseits von Tierwohl hat unser Fleischkonsum Auswirkungen. Er belastet die Gesundheit der Österreicher:innen – auf verschiedenen Ebenen.

Fleisch ist grundsätzlich nicht ungesund. Aus ernährungstechnischer Sicht essen wir aber viel zu viel Fleisch und Wurst. Laut AGES und Österreichische Gesellschaft für Ernährung sollten wir nicht mehr als drei Portionen mit maximal 150g pro Woche zu uns nehmen. Das wären 23,4kg pro Jahr. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ist da noch strenger. Sie empfiehlt maximal 15kg jährlich. Von diesen Mengen sind die durchschnittlichen Österreicher:innen weit entfernt. 

Die Folgen für den Körper: Das Risiko für Herzinfarkte und Darmkrebs steigt, zu hoher Fleischkonsum begünstigt Diabetes und Leberbeschwerden. Gesund ist was anderes.

Fleischkonsum: Zu viel fürs Klima

Unter der Gier nach Fleisch leidet auch die Umwelt. Die Ernährung der Österreicher:innen verursacht etwa mehr Treibhausgase als der Personenverkehr. Das liegt vor allem an Fleisch und anderen tierischen Produkten. Denn nur wenige andere Lebensmittel verursachen so viel CO2.
 

 
Eine Balkengrafik, die zeigt wieviel die Produktion unterschiedlicher Lebensmittel an Treibhausgasen freisetzt. Ein Kilo Rindfleisch benötigt 60 kg CO2-Äquivalente, gefolgt von Lamm mit 24 und Käse mit 21.

Lebensmittel und ihre Emissionswerte.

Öl- und Gaskonzerne werden – völlig zurecht – als Verursacher der Klimakrise gebrandmarkt. Doch die Fleischunternehmen stehen ihnen nicht so viel nach. Die fünf größten Unternehmen sind für mehr Emissionen verantwortlich, als Konzerne wie BP, Exxon oder Shell. 15 Prozent der gesamten Treibhausgase weltweit gehen auf ihr Konto. 

Der Bedarf an Fleisch steigt weiter an und damit auch die CO2-Emissionen aus der Produktion. Auf die Unternehmen wird jedoch kaum öffentlicher Druck ausgeübt, das zu ändern. Dabei wäre das dringend notwendig. Selbst wenn wir sofort den Ausstoß aller anderen Treibhausgase stoppen würden, könnten wir wegen des globalen Nahrungsmittelsystems die Erderhitzung nicht unter 2 Grad halten.

Die böse Sojabohne

Doch nicht nur die direkten Emissionen sind problematisch. Denn Viehzucht und der dazu notwendige Futteranbau verbraucht enorm viel Platz. Die Hälfte des bewohnbaren Landes auf der ganzen Welt wird für Landwirtschaft genutzt, davon wiederum 80% nur für Viehzucht. Um den weltweiten Fleischbedarf zu decken, verbrauchen wir eine Fläche, die so groß wie Süd- und Nordamerika ist. Dabei ist der Nutzen eigentlich relativ gering: Der überwiegende Teil des menschlichen Kalorienverbrauchs wird von pflanzlicher Nahrung gedeckt.
 

 
Fleischkonsum in Österreich: So viel Fläche brauchen wir für Viehzucht weltweit

Die Nachfrage nach Fleisch steigt, dadurch benötigt die Industrie auch immer mehr Land. Nicht nur für ihre Tiere, sondern vor allem für den Anbau von Futtermitteln. Hier kommt Soja ins Spiel. Das hat deutlich mehr Eiweiß als andere Bohnen und wird deswegen vor allem in der Massentierhaltung als Futtermittel verwendet. Vor allem in Südamerika werden für den Anbau enorme Flächen in Ackerland umgewandelt. Nicht zuletzt, indem der Regenwald dort gerodet wird.

Wenn Soja so böse ist, dann sind doch auch Vegetarier:innen und Veganer:innen daran Schuld – schließlich essen sie viele Produkte auf Sojabasis? Das ist ein Trugschluss: Denn einerseits verbrauchen wir viel mehr Soja für Tierfutter, als wir Menschen essen. Andererseits wird das Soja für solche Produkte vor allem in Europa angebaut.
 

 
Fleischkonsum in Österreich: So viel Soja wird produziert

Der Anbau von Tierfutter ist also oft nicht nur schädlich, sondern auch ineffizient. Das betrifft nicht nur Soja: Weltweit wird mehr Getreide für Tiere als für Menschen angebaut. In Österreich landet nur 17% des angebauten Getreides auf unseren Tellern. 47% bekommen die Tiere als Futter. 

Wie man es auch dreht und wendet: Unser Fleischkonsum bringt viele schwerwiegende Probleme mit sich. Wie extrem der Wunsch nach Fleisch eigentlich ist, zeigt sich nicht zuletzt in der Anzahl der Säugetiere weltweit. Über 90% von ihnen existieren nur, um von uns geschlachtet und verarbeitet zu werden.
 

 
Fleischkonsum in Österreich: So viele Säugetiere gibt es

Weniger Fleisch zu essen hat also viele positive Auswirkungen für Mensch, Tier und nicht zuletzt das Klima. Es ist tatsächlich die beste und wohl auch einfachste Methode, den eigenen CO2-Fußabdruck zu verringern. 

Doch wie bei anderen Maßnahmen gegen die Klimakrise gilt auch hier: Individuelle Handlungen sind schön und wichtig, das grundsätzliche Problem können sie aber nicht lösen. Die Fleischindustrie wird ihre Praktiken nicht freiwillig ändern und viele Landwirt:innen sind von diesem System abhängig. Es braucht tiefgehende strukturelle Veränderungen, die von der Politik getragen werden müssen. Welche das sein könnten, wollen wir in dieser Serie beleuchten.
 

 

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