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Kapitalismus
Klimakrise

Hast du Angst etwas zu versäumen?

FOMO steht für „Fear Of Missing Out“, also die Angst, etwas zu versäumen. Dieses Phänomen ist weit verbreitet und durch die Dauerkommunikation online noch verstärkt worden: Man kann sehr leicht das Gefühl bekommen, ständig etwas zu verpassen. FOMO ist auch ein grandioses Tool, um Menschen an Marken zu binden. Man folgt der Marke auf allen verfügbaren Kanälen, um sofort zu sehen, wenn neue Modelle präsentiert werden. Warum das ein Problem ist, erklärt Autorin Nunu Kaller in der neuen Video Kolumne.
 

Das Video zum Nachlesen: Fomo – Angst etwas zu versäumen?

Soll ich, oder soll ich nicht? Wenn ich es nicht tue, kriege ich es nie wieder, aber ich brauche es auch nicht. Das ist gerade der Trend auf Instagram! Alle haben es. Hilfe!

Kennt ihr das auch? Man geht in einen Laden, sieht einen superschönen Pullover und ist sich noch nicht ganz sicher, ob man ihn will oder nicht? Aber man weiß, dass man zugreifen muss, weil er sonst nicht mehr da ist? Während früher Kleidungsstücke, die in unserer Größe im Laden gerade nicht verfügbar waren, problemlos nach bestellbar und ein paar Wochen später im Laden abholbar waren, gibt es heute in den Filialen der großen Fast-Fashion-Ketten wie H&M oder Primark nur noch das, was gerade im Shop verfügbar ist. Nachbestellen? Fehlanzeige. Nach einer Woche Grübeln, ob man sich das in der Auslage gesehene Oberteil wirklich kaufen soll, ist es häufig schlicht und einfach schon zu spät. Dieser Stress, der beim Einkaufen entsteht, dieses „Jetzt oder nie“, drückt in vielen Menschen ganz stark aufs FOMO-Knopferl. 

Fear of Missing Out

FOMO steht für „Fear Of Missing Out“, also die Angst, etwas zu versäumen. Dieses Phänomen ist weit verbreitet und durch die Dauerkommunikation online noch verstärkt worden: Man kann sehr leicht das Gefühl bekommen, ständig etwas zu verpassen und nicht am Ort des Geschehens zu sein. Durch Social Media bekommt man zwanzig verschiedene Geschehen gleichzeitig in die Timeline gespült, während man selbst im Pyjama am Sofa hockt und sich leidtut, weil es allen Freunden anscheinend besser geht als einem selbst. 

Gut, diese Angst, etwas zu verpassen, gibt es, seit es Menschen gibt. Da war sicher schon mal der Höhlenmensch sauer, weil er in der Nachbarhöhle die Zeichnungen von der Party letzte Woche sah und sich dachte: „Shit, warum musste ich gerade da unterwegs sein und ein Mammut erlegen!“ Die Konsumgesellschaft sowie unsere hochtechnologisierte Gegenwart bilden eine Sonderform des FOMO: Ich könnte verpassen, etwas zu kaufen, das signalisiert, wie super ich bin oder wie sehr ich zu einer bestimmten Gruppe dazugehöre. Wenn ich nicht online auf Instagram oder Facebook zeige, dass ich jetzt auch diese eine ganz bestimmte Sneakermarke trage, dann gehöre ich nicht zu den Fashion Forwards in meinem Umkreis. Und das erzeugt nicht nur innere Unruhe, sondern auch den Verlust der Fähigkeit, Dinge zu genießen. Und es ist kein Randphänomen. 

Hauptsache, nichts versäumen

Siebzig Prozent der Millennials und jüngeren Generationen leiden darunter: Hauptsache, nichts versäumen. Ich find’s ja auch immer wieder lustig, wie sehr man, während man Trends nachrennt, über den eigenen Geschmack drüber marschiert. Zum Beispiel weiße, hochgezogene Sportsocken in Sneakers. Also meine persönliche Geschmacksgrenze ist da eindeutig überschritten. Und ich habe mich immerhin sogar mit Mom-Jeans anfreunden können. 

FOMO wird wenig überraschend vonseiten der Industrie nicht nur als netter Nebeneffekt ihres Schnelldrehendes Angebots, sondern vielmehr als Verkaufsförderer dessen wahrgenommen. Studien zufolge ist es besonders Menschen der Generation Z wichtig, nichts Populärkulturelles zu verpassen. Die richtigen Sneakers, Jeans, ja sogar die richtige Koffermarke. Das lässt sich natürlich marketingtechnisch super aufblasen: Jahrzehntelang war ein Koffer eine typische „einmal im Leben“-Anschaffung, aber in den letzten Jahren haben Kofferhersteller es geschafft, durch „Limited Editions“ und durch Zusammenarbeit mit bekannten Designern eine Trendspirale zu erschaffen: Wer jetzt in sein will, muss genau drauf schauen, mit was für einem Trolley er oder sie zum Flughafen-Gate hetzt. Schöner Nebeneffekt für die Industrie: Wer einen Designertrolley haben möchte, muss inzwischen locker 4000 US-Dollar hinblättern. Ein Koffer!

Konzerne nützt die Angst, etwas zu verpassen

Doch nicht nur im High-End-Bereich arbeiten Firmen mit unserer Angst, etwas zu verpassen. In Fast Fashion Filialen wird ständig neue Kleidung gezeigt, ohne dass die Filialen größer werden. Das heißt also: Es wird auch jeden Tag etwas aus den Regalen genommen. Die Angst, die dabei getriggert wird, ist daher: Ich muss unbedingt heute hin, denn morgen könnte es einige der angebotenen Sachen nicht mehr geben. FOMO ist also ein grandioses Tool, um Menschen an Marken zu binden. Man folgt der Marke auf allen verfügbaren Kanälen, um sofort zu sehen, wenn neue Modelle präsentiert werden. Modekonsum als Spiel mit der Angst, etwas zu verpassen. Hätte sich meine Oma wohl auch nicht gedacht.

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