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Demokratie

Die FPÖ entdeckt die Religion

Die FPÖ entdeckt die Religion
Herbert Kickl (Screenshot: on.ORF.at, Sommergespräch 2025)
Herbert Kickl wurde als FPÖ-Parteiobmann bestätigt. In seiner Rede bedient er den üblichen Kulturkampf der extremen Rechten. Ganz offensiv findet aber auch Religion ihren Platz. Für die FPÖ ist das eine Gratwanderung. Natascha Strobl analysiert.

Es ist nicht das erste Mal, dass Herbert Kickl sich direkt auf das Christentum bezieht. Schon die Plakate bei diversen Wahlkämpfen nahmen Anleihen an die Bibel. Slogans wie “7 gute Jahre” oder  “Euer Wille geschehe” waren direkte Zitate. Am Parteitag in Salzburg zitierte er nun den Apostel Paulus und präsentierte sich als gläubiger Katholik. Den Glauben selbst erklärte er zu einer der Haupttugenden seiner Politik. (Anm.: Kirchenvertreter kritisieren die Inszenierung als parteipolitische Vereinnahmung.)

Kickl mit Religion gegen FPÖ-Geschichte

Diese Art der Verpolitisierung von Religion ist nicht unüblich im internationalen Rechtsextremismus. Für die FPÖ ist es aber parteiintern eine Gratwanderung. Eine Stütze der FPÖ sind traditionell die deutschnationalen Burschenschaften. Diese sind dezidiert, anti-religiös und speziell anti-katholisch.

Das liegt an der Geschichte der bürgerlichen Revolution von 1848 (auf die man sich  beruft, die meisten Burschenschaften wurden aber erst später gegründet), die sich gegen die Herrschaft von Adel und Klerus wandten. Dieses antikatholische Element des "Dritten Lagers" hat also direkt etwas mit den politischen Bedingungen seines Aufstiegs zu tun. Auf dieses deutschnationale Lager beruft die FPÖ sich. Der (politische) Katholizismus war hingegen fest im konservativen Lager verankert.

Das zeigt sich auch gut in der Ausrichtung der zwei Faschismen in Österreich.

  • Der Austrofaschismus entsprang dem Konservatismus und war ein katholischer Klerikalfaschismus.
  • Der Nationalsozialismus hat seine Hochburgen in protestantischen Gebieten und spielte auch mit einem anti-katholischen Ressentiment. (Was Teile der katholischen Kirche nicht von der Kollaboration abhielten.)

Wandel der extremen Rechten

Seit 20 Jahren ist ein Wandel der extremen Rechten zur Kulturkampf-Rechten zu beobachten. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass sicher geglaubte Dogmen aufgeben werden.

Stattdessen wird alles gemacht, was Aufmerksamkeit und Einfluss in den Sozialen Medien sichert. Da wähnt man sich manchmal plötzlich als Verteidiger von Frauenrechten (mit einem ganz eigenen Frauenbild) und sieht sich als Schützerin von Homosexuellen (auch das aber - sagen wir eher "interessant"), beides Gruppen, die man vehement bekämpft hat.

Religion spielt hier eine wichtige Rolle. Sie wird zum Identitätsmarker gegen "die Anderen" - vor allem Muslime. Sie ist aber auch Rettungsanker gegen eine vermeintliche Dekadenz von links.

Religion in der FPÖ: Eine Ansage nach innen

Der ehemalige FPÖ-Chef HC Strache hat das als FPÖ-Chef schon für sich genutzt. Es gibt nicht nur das berühmte Bild von ihm auf einer-Demo gegen ein muslimisches Zentrum mit einem Kreuz in der Hand. Die FPÖ selbst hat aber lange mit dieser Vereinnahmung von Religion gefremdelt, weil es nicht in das dogmatische Bild der Burschenschafter passt. Kickl ist kein Burschenschafter und hat den Einfluss dieser Gruppe und nach zurückgedrängt (für FPÖ-Verhältnisse). Die offensive Bewerbung seines Glaubens ist dementsprechend auch als interne Ansage zu verstehen.

Er holt damit auf jeden Fall zum internationalen Trend der extremen Rechten auf. Die FPÖ war als lang bestehende Altpartei mit ihren NS-Wurzeln lange immun gegen diesen Trend. Nun geht auch sie in dieselbe Richtung ihrer Schwesterparteien: hin zum christlichen Nationalismus, rechten Katholizismus und völkischen Traditionalismus.

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  • Stefan Merk
    06.10.2025
    Illiberale Demokratie und Religion: In vielen illiberalen Demokratien sowie in autokratischen oder diktatorischen Systemen lässt sich beobachten, dass religiöse Elemente gezielt in der Politik eingesetzt werden, um die eigene moralische und politische Autorität zu stärken und den Machtanspruch zu festigen. Ziel ist es, eine Art göttlicher Bestimmung dieses Machtanspruchs zu suggerieren. Max Weber (Max Weber (2010) beschreibt in seiner Typologie der Herrschaftsformen die charismatische Herrschaft als eine Form, bei der der „Führer“ als von Gott gesandt und zur Ausübung von Macht autorisiert gilt. Diese religiöse Rhetoriken findet nicht nur in illiberalen und autokratischen Systemen wieder, auch in vielen liberalen Demokratien sind diese Ansätze zu finden, wie schnell sich Demokratien durch solch Narrative destabilisieren lassen sieht man heute an zahlreichen vormals als „stabil“ geglaubten Staaten, wehret den Anfängen.
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  • Klaus Riedl
    02.10.2025
    Wahrscheinlich orientiert sich Kickl am Vorbild des amerikanischen Postliberalismus. Im Zentrum steht dabei Patrick Deneen, Professor an der Katholischen Universität Notre Dame USA. Sowohl J.D. Vance und auch Hegeseth sind mit den Thesen von Deneen eng verbunden. Der Postliberalismus steht nun an einem Scheideweg. Wird sich die kommunitaristisch- reformistische Seite durchsetzen, die autoritäre Elemente aufweist, aber immer noch einhegt, oder die revolutionär antiliberale Seite, die die derzeitige Gesellschaft grundsätzlich infrage stellt und daraus folgernd auch bereit ist Gewalt (in diversen Formen) einzusetzen um den "deep state" zu zerstören (Desruption) um dann eine neue Gesellschaft zu formen. Die Europäische Rechte ist nun herausgefordert sich zu positioniern. Und das wird noch ein Eiertanz, weil kein Mensch voraussehen kann wie sich das amerikanische Experiment entwickeln wird.
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  • commoner
    01.10.2025
    wenn autokraten keine legimitation mehr durch wahlen haben, holen sie sich die wieder von gott - auch in den usa wird ja rund um thiel für die zukunft eine katholische monarchie (mit j. d. vance als könig) angedacht
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  • Human
    01.10.2025
    LH-Stv. Svazek hat hier aus meiner Sicht einen großen Anteil in der Partei. Sie fährt die Strategie auch dediziert gegen die ÖVP und hat einige, fundamental grenzende, Kolumnen verfasst. Das Engelsgesicht, das Tor und Tür zur Hölle öffnet.
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