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Ungleichheit
Demokratie

Wie die FPÖ die Frau in die 1950er zurückdrängen will

Wie die FPÖ die Frau in die 1950er zurückdrängen will
Worin im Weltbild der FPÖ jede Frau Erfüllung findet. Foto von Karolina Kaboompics
Wenn es um die Sicherheit und Rechte von Frauen geht, kennt die FPÖ nur zwei große Gefahren: Zuwanderung und den Islam. Gleichzeitig will sie selbst die Rechte von Frauen einschränken - etwa bei Schwangerschaftsabbrüchen - und Frauen mit politischen Mitteln in Rollen aus der Vergangenheit drängen. Bestehende Ungerechtigkeiten, die nicht in diese Ideologie passen, werden ignoriert - oder geleugnet.

Die FPÖ weiß, was die “vornehmste Aufgabe des Feminismus” ist. Dieser solle gegen die angebliche “Islamisierung Europas” auftreten, welche ein kultureller Rückschritt sei. Nun sind die Probleme zwischen dem Feminismus und konservativen Strömungen des Islam oder extremistischen Formen wie dem Islamismus relativ offensichtlich. Dass ausgerechnet die FPÖ dem Feminismus erklären will, worum er sich zu kümmern hat, ist allerdings alles andere als das.

Denn die FPÖ ist eine der größten Gefahren für die Gleichstellung der Frau in diesem Land. Und die extrem rechte Partei führt die Umfragen in der Nationalratswahl an. 

Die Passage in ihrem Wahlprogramm veranschaulicht, was für ein doppelzüngiges Spiel die Blauen mit Frauenpolitik treiben. Zuwanderung und Islam werden als Feindbilder gepusht, Kickl und Konsorten als Verteidiger weiblicher Selbstbestimmung verkauft. 

Abseits dieser Lippenbekenntnisse soll es für Frauen in den Augen der Blauen aber in die 1950er-Jahre zurück gehen.

Sündenböcke statt Lösungen

16-mal kommt das Wort Frau – Singular und Plural – im rund 90 Seiten langen Wahlprogramm der FPÖ vor. 11-mal davon in einem Kontext, der auf Immigration hinausläuft. Hauptsächlich werden diese Punkte so verkauft, als ginge es darum, die Sicherheit von Frauen zu gewährleisten. An sich ein wichtiges Thema. Nur wird es hier so gedreht, als ginge die einzige Gefahr für Frauen von Immigranten, insbesondere Muslimen, aus. Gewalttaten gegen Frauen liegen laut FPÖ “zumeist eine religiös bzw. kulturelle Geringschätzung von Frauen zugrunde”. 

Auch Lösungsvorschläge gibt es bis auf die Erhöhung der Polizeipräsenz “in Problemvierteln” nicht. Ausgelassen wird, dass Frauen meistens von Männern aus ihrem näheren Umfeld – oft Partnern – Gewalt erfahren oder ermordet werden. Bis 2018 arbeitete die Polizei mit Gewalt-Schutz-Einrichtungen, dem Jugendamt und Jurist:innen zusammen, um solche Fälle zu verhindern. Dazu gehörten Besprechungen über Risiko-Fälle und darüber, wie betroffene Frauen zu schützen sein, sowie Anti-Gewalttrainings für Männer. Das Projekt wurde vom Innenministerium unter Herbert Kickl gestoppt. Dieselbe schwarz-blaue Regierung kürzte das Budget der Familienberatung.

Schweigen zu wichtigen Themen

Gewalt gegen und Diskriminierung von Frauen in anderen gesellschaftlichen Gruppen in Österreich? Reden wir nicht darüber. Der Abschnitt mit dem Titel „Respekt gegenüber Frauen und Gleichberechtigung der Geschlechter“ ist viereinhalb Zeilen lang. Dort findet man den bereits erwähnten, rechtsextremen Verschwörungsmythos vor einer “Islamisierung Europas”. 

Fünf Punkte im Wahlprogramm, an denen Frauen erwähnt werden, haben nichts mit Immigration zu tun haben. Drei davon sind diese: Der Frauensport müsse vor Trans-Athletinnen geschützt werden, Steuergelder dürften nicht für die Rechte von LGBTI-Personen aufgewandt werden, die Existenz von nur zwei Geschlechtern soll in der Verfassung verankert werden. Wenn die FPÖ über Frauen spricht, will sie vor allem anderen unliebsamen Gruppen das Leben schwer machen: Muslimen, Migrant:innen und LGBTQI-Personen.

Bleiben zwei Erwähnungen: “Der Soldatenberuf soll wieder eine echte Wahlmöglichkeit für junge Männer und Frauen darstellen“. Und: Nur an einer ungünstigen Berechnung der Pensionen (“Aliquotierung”), wenn man zum “falschen” Zeitpunkt eines Jahres in Pension geht, übt die FPÖ Kritik. Die betrifft Frauen (wir berichteten) tatsächlich häufiger.

Über wichtige und aktuelle frauenpolitische Themen wie den Pay Gap, die Ungleichverteilung von Sorgearbeit und den Zugang zu Abtreibung schweigt das Wahlprogramm.

Scheindebatten und menschenunwürdige Schikanen

Das heißt nicht, dass die Partei dazu keine rückschrittliche Einstellung hat, nur dass sie vielleicht verstanden hat, dass eine Abtreibungs-feindliche Haltung so unpopulär ist, dass sie anderen extrem rechten Parteien bereits viele Stimmen gekostet hat. Wie die Partei dazu steht, lässt sich an vielen Aussagen, Aussendungen und Handlungen ablesen.

Um sich in der Abtreibungsdebatte als Verfechter von “Wahlmöglichkeiten” darzustellen, beschwört die FPÖ gerne Scheindebatten. Vergangenes Jahr unterstellte die FPÖ-Familiensprecherin Rosa Ecker den Grünen, „Schwangerschaftsabbrüche permanent als etwas Positives zu bewerben […] um unser traditionelles Frauen- und Familienbild sukzessive aus unseren Köpfen zu entfernen“. Schwanger- und Mutterschaft würden sogar „verteufelt“ werden. 

Noch 2024 forderte Ecker, “Schwangerschaftsabbrüche dürften keinesfalls als alternative Verhütungsmethode gesehen werden”. (Absolut niemand sieht Schwangerschaftsabbrüche als Verhütungsmethode.) “Einen Rechtsanspruch auf Schwangerschaftsabbruch und einen Abbruch als Versicherungsleistung lehnen wir entschieden ab.” 

Die FPÖ will Schwangerschaftsabbrüche im Strafgesetzbuch lassen und nur in Ausnahmefällen erlauben (das ist die gültige Fristenregelung in Österreich). Mit einer verpflichtenden Beratung von Frauen vor Abtreibungen und einer Wartezeit zwischen Beratung und Abtreibung will sie diese aber auch noch erschweren und aushöhlen. Das sind Hürden, die in anderen Ländern wie Frankreich aus guten Gründen vor Jahren abgeschafft wurden. 

Verbote und Verschwörungstheorien

Wolfgang Seidl, FPÖ-Vize-Landesparteiobmann in Wien, verkündete in einer Presseaussendung 2019, die FPÖ stehe “Abtreibungen – im vollen Bewusstsein der Komplexibilität [sic!] – grundsätzlich klar ablehnend gegenüber”. Vergangenen April stimmten EU-Abgeordnete der FPÖ gegen eine Aufnahme des Rechts auf Schwangerschaftsabbrüche in die Grundrechte-Charta der EU. 

Nicht zuletzt ist die FPÖ mit dem “Marsch fürs Leben” involviert, einer jährlichen Demonstration radikaler Abtreibungsfeinde, mit einem erklärten Ziel: “Abtreibung undenkbar machen.” Die Freiheitliche Jugend Wien unterstützt den Marsch fürs Leben unverhohlen. 2022 verbreitete die blaue Jugendorganisation ein Bild von der Demonstration mit der Beschriftung: “Bevölkerungsaustausch durch Hedonismus. Was Emily abtreibt, gebärt Aisha.” Der Kreis zum Rassismus schließt sich. Frauenrechte sind der FPÖ egal bis zuwider. Fraue werden allenfalls instrumentalisiert, um rechtsextreme Verschwörungserzählungen zu verbreiten.

Die Leugnung im Schafspelz

Wie sieht es mit dem Gender Pay Gap aus? Zumindest leugnet die FPÖ nicht, dass dieser an sich existiert. Bei den angeblichen Ursachen und Maßnahmen dagegen bedient sie aber Erzählungen und Theorien, die bereits unzählige Male widerlegt wurden. Die Vorschläge sprechen eine eigene Sprache.

Ein einfaches und harmloses Mittel dagegen wäre etwa Lohntransparenz. Sogar die rechtskonservative ÖVP sieht diesen zentralen Hebel gegen Lohnungleichheit. Die FPÖ ist dagegen (auch das hat sie in ihrem aktuellen Wahlprogramm zu erwähnen vergessen). Zu wissen, was andere in einem Unternehmen verdienen, würde Neid schüren. Stattdessen sucht die Partei das Problem bei den Frauen selbst. Sie suchen sich offenbar einfach die falschen Berufe aus (“Bullshit!”) und können einfach nicht verhandeln (Falsch). 

Diesem Irrglauben entsprechend müssten “Maßnahmen ergriffen werden, die [Frauen] Mut geben, Verantwortung in Führungspositionen, aber auch schon bei Gehaltsverhandlungen zu übernehmen.“ Mädchen und Frauen müssten deshalb bei Ausbildungs- und Berufsentscheidungen verstärkt auf Verdienstmöglichkeiten hingewiesen werden. (Anmerkung: Frauen verdienen statistisch in allen Berufen weniger als Männer, sogar in denen, in denen mehr Frauen als Männer arbeiten. Studien zeigen: Je mehr Frauen in einen Beruf drängen, desto niedriger wird dort das Einkommen.) Und natürlich muss auch das wahre Problem hinter dem Gender Pay Gap aus dem Ausland kommen: “Migranten erhalten mehr finanzielle Wertschätzung als Einheimische”, heißt es in derselben Aussendung.. 

Zu allen genannten Einwänden kommt: Die Statistik Austria führt regelmäßig EU-weite Analysen zum Einfluss verschiedener Faktoren auf den Pay Gap durch. Darunter Branche, Beruf, Ausbildung, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit, und ob Teilzeit gearbeitet wird. Für all die Unterschiede in diesen Bereichen gibt es wichtige und auch diskriminerende Gründe. Aber würden Männer und Frauen sich in diesen Merkmalen vollständig gleichen, wäre die Lohnschere trotzdem nur um etwa ein Drittel kleiner. An strukturellen Ungerechtigkeiten lässt sich entgegen der erkennbaren FPÖ-Haltung als einzelne Frau allein nichts ändern.

Die Herdprämie

In Sachen Kinderbetreuungsgeld orientiert sich die FPÖ am Berndorfer Modell. Es gibt mehr Geld, je länger man daheimbleibt – bis zu einer maximalen Karenzzeit von drei Jahren. Laut FPÖ soll das “Wahlfreiheit” darüber ermöglichen, wie Eltern die Frühbetreuung ihrer Kinder organisieren wollen. 

Nur: Das Wiedereinstiegsmonitoring der Arbeiterkammer zeigt, dass Frauen umso schwerer wieder einen Job finden, umso später nach der Geburt ihres Kindes sie wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen. Es wird für sie also auch noch schwieriger, einen Job zu finden, in dem sie gleich bezahlt werden wie davor. Im FPÖ-Modell will man diese Zeit noch länger gestalten. Theoretisch könnte das natürlich auch Väter betreffen – aber meist sind es Mütter. Wie man mehr Vätern die Karenz ermöglichen will? Kein Wort darüber im Wahlprogramm.

Die Wahrheit über „Wahlfreiheit“

Momentum-Ökonomin Katharina Mader erklärt, dass lange Karenzzeiten, Teilzeit und schlechter bezahlte Jobs den Wage Gap erhöhen. “Das bedeutet für Frauen weniger finanzielle Unabhängigkeit. Sie kommen weniger leicht aus Partnerschaften, auch gewalttätigen, heraus.” Sie erklärt auch, warum das hauptsächlich Frauen betrifft: “Laut aktueller Zeitverwendungsstudie übernehmen Frauen immer noch zwei Drittel aller unbezahlten Arbeiten. So zu tun, als würde man das den Familien zahlen, ist also ein Schmäh. Natürlich kriegen das die Mütter, nicht die Väter.”

Die “Wahlfreiheit” sei auch nicht gegeben, nur weil man Frauen Geld dafür bietet, daheimzubleiben. Denn es gibt nicht genug Kindergartenplätze, um die Alternative zu ermöglichen. Die FPÖ ist als einzige Partei im Wahlprogramm 2024 offen gegen das Paket eines Rechtsanspruches auf  Kinderbetreuungsplätze ab dem ersten Jahr und eines zweiten verpflichtenden Kindergartenjahres.

Wo das alles hinführt

Was die FPÖ frauenpolitisch machen will, was sie alles an Problemen ignorieren und an Wahlmöglichkeiten beschränken will, hat System. Hinter der Frauenpolitik steckt ein reaktionäres Frauenbild, das vergangenen Zeiten nachtrauert und sie wieder herstellen will. 

Diese Familienformen sind natürlich legitim. Solange das nach dem freien Willen jener geschieht, die danach leben. Der Kurs der FPÖ soll Menschen aber in diese Rollen drängen. Die typische Frau kriegt dann Kinder, bleibt daheim, kümmert sich um den Haushalt und ist finanziell von ihrem Mann abhängig. Die blaue Frauenpolitik hält ihr dann die Islamisierung vom Leib – und ach ja – auch den Feminismus mit seinen lästigen Ideen von Gleichstellung, Karriere, finanzieller Unabhängigkeit, Lohntransparenz und der Entscheidungshoheit über den eigenen Körper. 

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