Wahlprogramm-Check: Die große Übersicht über die wichtigsten Positionen der Parteien
Dafür wurden neben den Wahlprogrammen der einzelnen Parteien, auch deren Antworten bei wahlkabine.at, wahlrechner.at, gutewahl.oegb.at und austria.smartvote.org, sowie Medienberichte analysiert.
Wie die Inhalte bewertet werden, erfolgt nach dem Ampelsystem: Grün bedeutet eine eindeutige Zustimmung im Wahlprogramm, Rot eine eindeutige Ablehnung. Gelb wird eine Aussage oder Frage dann bewertet, wenn sie im Wahlprogramm zwar erwähnt wurde, aber keine konkreten Maßnahmen genannt wurden. Wurden zum jeweiligen Thema keine oder keine ausreichenden Angaben gemacht wurden, bleibt der Kreis weiß.
Steuern: Wie wollen die Parteien Staat und Gemeinwesen finanzieren?
Steuern sind unsere Beiträge zu einer Zivilisation – ohne gemeinsame Einnahmen und Ausgaben ist eine lebenswerte Gesellschaft für die große Mehrheit nicht leistbar. Österreich ist in manchen Bereichen ein Hochsteuerland, in anderen nicht. Bei der Veränderung dieser Struktur tut sich zwischen linken Parteien (SPÖ, Grüne, KPÖ) und rechten bzw. neoliberalen Parteien ein deutlicher Spalt auf.
Linke Parteien wollen Steuern auf Vermögen und Erbschaften sowie höhere Steuern auf Unternehmensgewinne. Damit soll die Leistung, unseren Staat zu finanzieren, ein wenig von der arbeitenden Bevölkerung auf große Vermögen und Konzerne verlagert werden. ÖVP, FPÖ, Neos und auch die Bierpartei wollen davon nichts wissen.
SPÖ und KPÖ wollen auch – genauso wie die Bierpartei – die Lohnnebenleistungen beibehalten, während die anderen Parteien sie senken wollen. Damit würden Arbeitgeber:innen weniger Beiträge zum Sozialstaat leisten. Für Arbeitnehmer:innen geht es dabei um wichtige Leistungen wie Arbeitslosengeld, Pensionsversicherung, Krankenkasse oder Unfallversicherung. (Erklärstück: Was sind Lohnnebenkosten?).
Wohnen: So stehen die Parteien zu leistbarem Wohnraum
Die SPÖ, KPÖ, die Grünen und die Bierpartei stellen sich auf die Seite der Mieter:innen und setzen sich für die Abschaffung befristeter Mietverträge ein, befürworten mehr öffentlichen Wohnbau sowie gesetzliche Obergrenzen für Mieten und wollen Mieter:innen im Mietrecht besser stellen. All das sind Maßnahmen, um Mieten zu senken und leistbareren Wohnraum zu schaffen.
Sie fordern außerdem eine Leerstandsabgabe. Vermieten Besitzer:innen ihre Immobilien absichtlich nicht, müssen sie diese Abgabe bezahlen. So sollen Eigentümer:innen motiviert werden, Wohnraum auch für Wohnen zur Verfügung zu stellen – ÖVP, FPÖ und Neos stimmen dagegen. Für sie richten einfach gesagt, der Markt und private Profite beim Wohnen alles.
Bildung: Das stecken die Parteien künftig in Kindergarten, Schule und Studium
Für einen Rechtsanspruch auf kostenlose Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr und für verpflichtende zweite Kindergartenjahre sind alle Parteien, bis auf die FPÖ – die ÖVP nennt dazu keine konkreten Maßnahmen. Dabei ist der Kindergarten in unserem Bildungssystem der größte Hebel, um das auszugleichen, was Familien mit weniger finanziellen Mitteln aus eigener Kraft nicht schaffen können. Denn wer in eine arme Familie geboren wird, profitiert mehr als alle anderen von den Bildungseinrichtungen am Beginn des Lebens. Im Kindergarten lässt sich das leichter aufholen als später in der Schule oder gar auf der Uni.
ÖVP und FPÖ stellen sich außerdem gegen eine gemeinsame Schule für Kinder zwischen 10 und 14 Jahren, kostenlose Nachhilfe und Programme zur Sprachförderung. Eine private Nachhilfe kostet häufig viel Geld und verschärft damit die Benachteiligung ärmerer Kinder.
Eine breite Mehrheit unter den Parteien gibt es auch gegen Hürden beim Zugang zum Studium: Studiengebühren, Zugangsbeschränkungen und eine verordnete Beschränkung der Zahl der Studienplätze. Die Neos wollen die Zahl der Studienplätze beschränken und Studiengebühren von bis zu 1.500 Euro pro Monat. ÖVP und FPÖ, die einst die Studiengebühren eingeführt haben, machen zu diesem Thema keine klaren Angaben.
Wer steht für Arbeiter:innen ein?
Die Forderung nach weniger Arbeitszeit bei gleichem Lohn findet Unterstützung bei der SPÖ, den Grünen und der KPÖ, während die ÖVP, FPÖ, Neos und die Bierpartei dagegen sind. Ein Modell, um nach Jahrzehnten mehr vom gewonnen Wohlstandskuchen an die Arbeitnehmer:innen statt nur an die Unternehmen zu verteilen, könnte die 4-Tage-Woche mit Arbeitszeitverkürzung sein – Versuche waren bisher fast ausschließlich positiv und zeigen: Sie macht Menschen gesünder.
Ein erhöhter Mindestlohn in Kollektivverträgen auf 2.000 Euro wird von SPÖ, Grünen, KPÖ und auch der FPÖ befürwortet. Das fordern österreichische Gewerkschaften bereits seit Jahren. Denn dort, wo Unternehmen besonders oft nach Arbeitskräften suchen, verdienen Menschen am häufigsten weniger: Gastro, Handel, Reinigung. Alles Berufe, in denen allen voran Frauen arbeiten. Ein Mindestlohn in dieser Höhe würde insbesondere ihre Arbeit aufwerten und sie finanziell besser absichern.
Das Arbeitslosengeld wollen SPÖ, Grüne, KPÖ und wiederum auch die FPÖ erhöhen, Neos und die ÖVP wollen es senken. Dabei ist das Arbeitslosengeld in Österreich im internationalen Vergleich schon jetzt sehr niedrig. Und versagt somit in seiner wichtigsten Funktion – der Existenzsicherung. Für viel zu viele ist es kein Auffangnetz, sondern eine Armutsfalle. Das Arbeitslosengeld wurde im Gegensatz zu anderen Sozialleistungen nicht an die Inflation angepasst. Die Teuerungskrise drückt Arbeitslose derzeit also noch schneller in die totale Armut.
Was sind die Positionen bei Gesundheit?
Für eine lokale medizinische Versorgung und spezialisierte Zentren sprechen sich alle Parteien aus. Das ist wichtig, denn es gibt mittlerweile immer weniger Kassenärzt:innen, dafür mehr teure Wahlärzt:innen. Wer wenig Einkommen hat, muss mehr davon für seine Gesundheit zahlen als die Reichsten – und bekommt weniger. Die Zwei-Klassen-Medizin ist Realität in Österreich.
Dass Pfleger:innen mehr Unterstützung bekommen, befürworten alle Parteien, bis auf ÖVP und die Bierpartei – sie geben keine konkreten Maßnahmen dafür an. Dabei wären sie so wichtig für Menschen, die in der Pflege oft über ihre Kapazitäten und ohne geregelte Arbeits- und Freizeiten arbeiten.
Fragen rund um die Kostenbegrenzung bei Medikamenten und die Bereitstellung kostenfreier Hygieneartikel werden ebenfalls hauptsächlich von SPÖ, Grüne und KPÖ befürwortet. ÖVP und FPÖ geben keine Angaben zu zahnärztliche Behandlungen als Kassenleistung, darüber, ob Preise für Medikamente und Rezeptgebühren begrenzt werden sollen, sowie zu kostenfreie Monatshygieneartikel, Verhütung und Tests für sexuell übertragbare Krankheiten. Unterdessen ist etwa jede zweite Frau in Österreich von Periodenarmut betroffen.
Wie steht es um deine Rente und Pension?
Fast alle Parteien befürworten das Beibehalten des gesetzlichen Pensionsantrittsalters von 65 Jahren – die Neos und die Bierpartei wollen uns Jahre länger arbeiten lassen. Jede Monat, den wir ohne Pension länger arbeiten müssen, kürzt unsere Pension faktisch um tausende Euro. Anstatt das Pensionsantrittsalter zu erhöhen, wäre der sinnvollere Hebel, älteren Menschen vor der Pensionierung eine aktive Teilnahme am Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Das wäre aus Verteilungsperspektive wichtig, aber auch für Frauen, um Altersarmut vorzubeugen.
Der Equal Pension Day fiel heuer auf den 6. August. Ab diesem Tag bekommen Pensionistinnen bis Ende des Jahres rein rechnerisch keine Pension mehr. Der Grund: Der Unterschied zwischen den Pensionen von Männern und Frauen – der sogenannte Gender Pension Gap – klafft in Österreich 2024 immer noch bei 40 Prozent auseinander. Die Unterstützung für mehr finanzielle Anerkennung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten in der Rentenberechnung ist besonders bei SPÖ, Grünen und KPÖ stark.
Abschlagsfrei in Pension nach 45 Arbeitsjahren zu gehen, dagegen stellen sich ÖVP und Neos. So lange hackeln, bis man nicht mehr kann? Schon jetzt geht Österreich im Schnitt krank in Pension. Aktuell sind Männer bereits 3,5 Jahre krank, bevor sie ihre Pension mit 65 Jahren überhaupt antreten können. Österreichische Frauen können nur 61,3 Jahre in guter Gesundheit erwarten, im EU-27-Schnitt sind es immerhin 64,2 Jahre – um fast 3 Jahre mehr.
So machen sich Parteien für Frauen stark
Frauen bekommen für die gleiche Arbeit weniger gezahlt. Noch immer. Einerseits liegt das daran, dass in Branchen, in denen vermehrt Frauen arbeiten, schlechter gezahlt wird. Andererseits bekommen Frauen auch in der gleichen Branche weniger gezahlt als männliche Kollegen.
Eines der Mittel, um diese Ungleichbehandlung endlich zu beenden, ist volle Transparenz bei den Löhnen. Einen internen Bericht über ausbezahlte Löhne müssen bis jetzt nämlich nur Unternehmen mit einer bestimmten Anzahl an Mitarbeiter:innen veröffentlichen. Dabei würde echte Lohntransparenz – auch nach außen – helfen, den Gender Pay Gap zu verkleinern. Bei der Forderung nach umfassender Lohntransparenz gibt es Unterstützung in fast allen Parteien – FPÖ und NEOS machen dazu keine Angabe.
Die FPÖ stellt sich dagegen, den Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetzbuch zu streichen – die ÖVP macht dazu keine Angabe. Abtreibungen sind die einzige medizinische Leistung in Österreich, auf die eine Haftstrafe steht. Nur unter bestimmten Bedingungen ist die Leistung straffrei. In Österreich hat sich beim Thema Abtreibung in den letzten Jahren wenig bewegt. In vielen Bundesländern gibt es kaum Zugang, der Eingriff kostet bis zu 800 Euro.
In Österreich ist jede dritte Frau von körperlicher und/oder sexueller Gewalt betroffen. Monatlich werden in Österreich etwa 3 Frauen ermordet – weil sie Frauen sind. Im Jahr 2023 gab es einen neuen Höchststand von 42 Femiziden. Bis auf ÖVP und FPÖ nennen alle Parteien konkrete Maßnahmen für einen nationalen Aktionsplan gegen Gewalt und Hass an Frauen. Für geschützte Wohnbauprojekte speziell für Frauen setzten sich SPÖ und KPÖ ein.
Das sind die Positionen zu Kinderschutz und Sozialstaat
Der Sozialstaat hebt in Österreich fast eine Million Menschen erfolgreich aus der Armut. Für 1,3 Millionen Menschen ist die Unterstützung aber noch nicht gut genug. Auch deshalb ist es wichtig, dass Sozialleistungen erhöht und jedenfalls auch an die Teuerung angepasst werden. Nur SPÖ, Grüne und KPÖ bekennen sich zu diesem Ziel.
Auch fast jedes vierte Kind in Österreich ist von Armut betroffen. Mit einer Kindergrundsicherung könnte man das Problem beseitigen – mit gerade einmal zwei Milliarden Euro pro Jahr wäre es ein leistbares Unterfangen. Sie würde sogar einige anderen Leistungen ersetzen. Bis auf ÖVP und FPÖ sprechen sich alle Parteien für eine Kindergrundsicherung aus.
SPÖ, Grüne und Neos wollen eine zusätzliche Unterhaltsgarantie. Grüne und SPÖ stehen hinter der Forderungen, dass Eltern für jedes Kind gleich viel Geld bekommen sollen – ÖVP und FPÖ sind dagegen. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen befürwortet derzeit nur die KPÖ.
Wer macht sich für Maßnahmen gegen die Teuerung stark?
Die SPÖ und KPÖ unterstützen mehrheitlich Eingriffe in die Preise für Grundnahrungsmittel und Haushaltsenergie, ebenso befürworten sie, dass der Mietpreisdeckel verlängert und auf private Haushalte ausgeweitet werden soll. Ein Mietpreisdeckel soll die ständige Erhöhung der Mietpreise abschwächen. Vermieter:innen dürfen diese dann nicht mehr anhand der Inflationsrate anheben, sondern nur bis zu einer bestimmten Grenze. Die FPÖ stellt sich gegen die Idee, Mieten von der Inflation zu entkoppeln.
SPÖ, Grüne und KPÖ fordern eine Übergewinnsteuer für Unternehmen und/oder Banken. Vergangenes Jahr gingen 1,8 Milliarden Euro Gewinn allein in die Taschen von Erste Bank, Bank Austria, Raiffeisen Wien-NÖ und Bawag. Sparende und Allgemeinheit gehen bei den kriegsbedingten Zufallsgewinnen leer aus. Auf das Budget für künftige Ausgaben im Sozialbereich wirkt es sogar negativ. Die zusätzlichen Einnahmen der großen Banken gehen auf die Kosten von uns allen. Mit einer Übergewinnsteuer könnte die Allgemeinheit an den Rekordprofiten beteiligt werden.
Klima: Welche Partei nimmt die Klimakrise ernst?
Auch andere Organisationen haben sich Themen im Wahlprogramm angesehen. Die Starkregenereignisse und Hochwasser zeigen ganz deutlich: Die Klimakrise gefährdet unsere Lebensgrundlage. Sie macht solche Ereignisse wahrscheinlicher und extremer. Wir sollten dringend dagegen ankämpfen. In welchem Wahlprogramm dafür konkrete Pläne stehen, das hat sich die Umweltschutzorganisation Global 2000 im Wahlprogramm-Check angesehen.
Entwicklung: Welche Parteien fördern eine globale Zusammenarbeit?
Die Entwicklungspolitik trägt zur humanitären Hilfe für Menschen in akuten Krisen bei und unterstützt weltweit nachhaltige Entwicklung sowie Sicherheit und Frieden. Wie die österreichischen Parteien die Rolle des Landes global sehen, insbesondere als verlässlicher Partner für arme Länder, bewertet die AG Globale Verantwortung in ihrem Wahlprogramm-Check.