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Ungleichheit
Gesundheit

Frauenhaus-Mitarbeiterin erzählt: "Ich durfte nicht sagen, wo ich arbeite"

Illustration mit handgeschriebenem Titel Was ich wirklich denke
Hanna (Name geändert), 31, war Sozialarbeiterin im Frauenhaus. Wieso sie gerade diesen Beruf gewählt hat und warum die Adresse ihrer Arbeit streng geheim war, erzählt sie für die Serie "Was ich wirklich denke".

Fünf Jahre lang habe ich in einem Wiener Frauenhaus gearbeitet. Ich habe das gemacht, weil Gewalt gegen Frauen in unserer Gesellschaft allgegenwärtig ist, aber auch weil mich als Sozialarbeiterin die Arbeit selbst interessiert hat.

Keine Anzeige

Vor meiner Entscheidung mich zu bewerben gab es ein Schlüsselerlebnis: Ich war am Abend mit Freunden auf der Mariahilfer Straße unterwegs. Dort haben wir gesehen, wie ein Mann eine Frau schlägt. Wir haben die Polizei gerufen, versucht, den Mann zurückzuhalten und mit der Frau gesprochen. Die Polizei ist schnell gekommen, aber die Frau wollte nicht gegen ihren Lebensgefährten aussagen.

Die Arbeit im Frauenhaus ist kein typischer Job. Jeden Morgen musste ich durch eine Schleuse, den Eingang filmt eine Kamera. Ich durfte niemanden erzählen, wo ich arbeite. Denn die Adressen der Frauenhäuser müssen unbedingt geheim bleiben, um die Frauen vor den Gefährdern  zu schützen.

Ein Platz für jede Frau

Je nach Dienst hat mein Arbeitstag anders ausgesehen. Mal habe ich Beratungsgespräche geführt, mal hatte ich Nachtdienst oder habe den Notruf betreut. Dort habe ich Anrufe von anderen Einrichtungen beantwortet, von Angehörigen oder von den betroffenen Frauen selbst. In Wien ist es glücklicherweise mittlerweile so, dass jede Frau mit ihren Kindern aufgenommen wird. In anderen Bundesländern gibt es Wartelisten, die Frauen müssen also in gefährlichen Situationen ausharren. Wir brauchen dringend mehr Plätze in ganz Österreich.

Obwohl das Thema Gewalt und vor allem Mord an Frauen in diesem Jahr sehr präsent war in den Medien, hat sich nicht viel getan. Man muss bedenken, dass jegliche Änderungen im Sozialsystem am Ende genau jenen schaden, die es ohnehin schwer haben. Wenn die Mindestsicherung gekürzt wird, hat das Auswirkungen auf unsere Arbeit im Frauenhaus. Denn hier sollen die Betroffenen kurzfristig Schutz und einen Schlafplatz bekommen, dann sollen wir sie weitervermitteln. Das ist ganz schön schwierig und wird mit jedem Euro mehr etwas einfacher.

Wie es ausgeht

Weil die Frauen nur kurz im Frauenhaus bleiben, bekommen wir oft nicht mit, wie die Situation ausgeht. Aber manchmal bekommt man im Frauenhaus E-Mails von ehemaligen Klientinnen, die sich für die Unterstützung bedanken und erzählen, wie es ihnen geht – besonders rund um Weihnachten. Ein paar Mal habe ich sogar zufällig Frauen auf der Straße wieder gesehen und wenn sie erzählen, dass es ihnen gut geht, ist das sehr schön.

Eine von fünf Frauen erlebt im Laufe ihres Lebens körperliche Gewalt. Von psychischer Gewalt sind sogar noch mehr betroffen. Das heißt: Auch wenn wir es nicht wissen, kennen wir höchstwahrscheinlich Betroffene in unserem Umfeld. Durch meine Arbeit bin ich wachsamer geworden. Wenn ich in der U-Bahn ein Gespräch mitbekomme und der Mann eine Aggression in der Stimme hat, dann kann ich mir vorstellen, wie es bei ihnen zu Hause zugeht. Das kann ich auch nicht mehr ablegen.

Ich will hier keinen einzelnen Fall rauspicken um zu zeigen, wie schwierig die Situation von diesen Frauen ist. Sie sind sehr unterschiedlich. Alle Frauen, die Gewalt erleben, sollen sich im Frauenhaus melden können, ohne sich mit anderen zu vergleichen.

 

Du bist selber von Gewalt betroffen, du kennst eine Frau, die betroffen ist oder du hast einen Verdacht? Dann ruf bei der österreichen Frauenhelpline 0800 / 222 555 an. Dort wird dir geholfen.

In Wien kannst du auch direkt den Notruf der Wiener Frauenhäuser wählen: 05 77 22

 

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