Gastherme raus, Fernwärme rein ins Mietshaus: Wie schwer kann das sein?
Teures Gas und kein Ausweg. Das gilt für Hunderttausende Mieter:innen in Österreich. Jene, die mit einer Gastherme heizen, damit das Wasser erhitzen, mit einem Gasherd kochen. Sie können kaum selbst entscheiden, Fernwärme in die Heizkörper zu leiten oder etwa mithilfe einer Wärmepumpe zu heizen.
Ob und wann ein Haus auf potenziell klimaneutrale und günstigere Energie umgestellt wird, entscheiden die Besitzer:innen. Und die zeigen – zumindest bis jetzt – nicht immer Lust, ihre Häuser umzurüsten. Auch Hunderte Millionen Euro an bereitstehenden Förderungen haben daran wenig geändert.
Mietabschläge für Wohnungen mit Gasheizung?
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) setzt nun an der anderen Seite an: Er will nicht nur fördern, sondern auch fordern. Hausbesitzer:innen, die Gas- und Ölheizugen nicht austauschen, sollen weniger Miete verlangen dürfen. Einen solchen Mietabschlag für Wohnungen, deren Besitzer:innen die Gastherme nicht tauschen, fordert das Momentum Institut schon lange.
Aber wie lassen sich große Mietshäuser von Gas auf eine klimafreundliche Heizalternative umstellen? Die Tücken liegen im Detail. Und diese Details können mitunter teuer werden. Für Patrick Piegler, Leiter der Energietechnik von Wiener Wohnen, ist unter anderem eine Rechnung wichtig: Die Länge der für den Anschluss ans Fernwärmenetz benötigten Rohrleitungen geteilt durch Anzahl der Wohnungen, die angeschlossen werden können.
Piegler plant, wie und was umgebaut werden muss, damit in den Gemeindebauten der Stadt die Gastherme raus und Fernwärme oder zum Beispiel Wärmepumpen reinkommen. „Wenn eine große Siedlung mit ein paar Hundert Wohnungen angeschlossen wird, können 150 Meter Strecke hin zum Fernwärmenetz noch überwunden werden“, sagt er zu MOMENT.at. Doch sind es nur 20 Wohnungen, „dann sind schon 20 Meter Entfernung fatal“.
Wird es teuer, kommt die Umrüstung auf die lange Bank
Fatal heißt teuer: Straßen und Wege aufzureißen, die Leitungen zu verlegen und das Haus anzuschließen, koste Wiener Wohnen dann viel. Das betreffende Haus umzurüsten, wird auf die lange Bank geschoben. Einen richtigen Plan, in welchen Schritten welche Gemeindebauten wann umgebaut werden sollen, gebe es noch nicht. „Da sind wir noch in der Findungsphase“, sagt Piegler. Bis Ende des Jahres soll aber klar sein, wie das Mammutprojekt Heizungstausch laufen soll.
Private Vermieter:innen klagen lautstark darüber, in den kommenden Jahren viel Geld für neue Heizungen ausgeben zu müssen, aber nichts davon zu haben. „Unfair“ nannte es Anton Holzapfel, Geschäftsführer des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft, dass Mieter:innen von langfristig günstigeren Heizrechnungen profitieren – während Vermieter:innen die Kosten dafür tragen müssten, die Wohnungen auf nachhaltige Energie umzurüsten.
Die Mietervereinigung sagt, es sei ausgeschlossen, dass Hausbesitzer:innen die Kosten ihren Mieter:innen umhängen. „Der Vermieter ist verantwortlich. Das Mietrecht ist eindeutig“, sagte deren Präsident Georg Niedermühlbichler jüngst im Profil. Für Patrick Piegler von Wiener Wohnen ist auch klar: „Prinzipiell muss der Hauseigentümer das finanzieren, also wir.“ Richtwertmieten sind gesetzlich vorgegeben. „Das heißt, den Satz können wir nicht einfach anheben“, sagt er.
Hohe Gaspreise und keine Wahl für Mieter:innen
Das Resultat aus baulichen Herausforderungen und geringen finanziellen Anreizen, ist bisher: In Mietshäusern geht es eher schleppend voran damit, die Gasthermen auszutauschen. Zum Schaden der Mieter:innen: Sie zahlen wegen der explodierenden Gaspreise jetzt ordentlich mehr für eine warme Wohnung, heißes Wasser und den Gasherd. Wobei auch die Fernwärme gerade massiv teurer wird. Weil etwa die Wien Energie noch mehr als die Hälfte ihrer Heizwärme aus Gas gewinnt. In Spitzenzeiten sind es sogar 65 Prozent.
Anlagen wie das Biomassekraftwerk in Simmering und die Müllverbrennungsanlage in Spittelau reichen noch nicht aus, um alle Haushalte ohne Gas zu versorgen. Ein Versäumnis der Vergangenheit. Wohnungen an die Fernwärme anzuschließen, schafft aber zumindest die Möglichkeit, in Zukunft klimaneutral zu heizen. Fernwärme geht auch anders, eine Gastherme hingegen kann eben nur Gas verbrennen.
Doch bis spätestens 2040 sollen die Thermen in Österreichs Wohnhäusern Geschichte sein. Heißt: Es muss auch dort was getan werden, wo es derzeit sehr teuer kommt, Fernwärmeleitungen zu verlegen oder Wärmepumpen zu installieren. „Das ist ein sportliches Ziel“, sagt Piegler. Bereits seit den 1980er Jahren rüste Wiener Wohnen die Gemeindebauten Stück für Stück um. Doch noch immer hängen 93.000 Haushalte am Gas. Das sind 44 Prozent der 210.000 Wohnungen der größten kommunalen Wohnungsverwaltung Europas.
„Das entspricht dem Wärmebedarf von rund 20.000 Haushalten“, sagt Sprecherin Lisa Sophie Grohs zu MOMENT.at. Darin eingeschlossen sind aber auch Gewerbebauten und neugebaute Wohnungen. Heißt: Es werden weit weniger der bestehenden Haushalte umgerüstet. Raus aus Gas zu kommen, geht sich bis 2040 also bei weitem nicht aus, wenn nicht mehr Tempo gemacht wird.
ÖVP: „Keine Denkverbote“ bei Mietabschlägen
Damit endlich mehr passiert, schlug Vizekanzler Werner Kogler im ORF-Sommergespräch Mietabschläge in Wohnungen vor, in denen weiterhin Gas verbrannt wird. ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer scheint nicht abgeneigt. „Es darf in der derzeitigen Situation keine Denkverbote geben“, heißt es aus dem Bundeskanzleramt.
Das Momentum Institut fordert das bereits seit langem: „Für eine zugige Wohnung mit Gasheizung muss es Abschläge beim Mietpreis geben“, schrieb Leiterin Barbara Blaha in einem Gastkommentar fürs Profil. Die Gasheizung könnte als ebenso veraltetes Problem gesehen werden, wie ein Klo am Gang. Und dann ebenso niedrigere Mieten bedeuten.
Denn Mieter:innen können den Heizungstausch nicht selbst veranlassen. Sie sind praktisch dem Gutdünken der Hausbesitzer:innen ausgeliefert. „Mieter:innen haben hier wenig Einfluss“, sagt auch Stefan Zach, Sprecher des landeseigenen niederösterreichischen Energieversorgers EVN.
Justizministerium arbeitet mit Hochdruck an Lösung
Aus dem Justizministerium von Alma Zadic (Grüne) heißt es gegenüber MOMENT.at, man arbeite „mit Hochdruck“ daran, das Mietrechtsgesetz anzupassen. Schon in den kommenden Tagen soll ein konkreter Vorschlag ausgearbeitet sein. Das Ziel: Für Vermieter:innen soll es sich stärker als bisher lohnen, ihre Häuser auf potenziell klimaneutrale Energie umzustellen.
Bereits heute gibt es dafür Förderungen von Städten, Ländern und Gemeinden. „Die sind erheblich und gut“, sagt Zach von der EVN. Anträge dafür kommen bisher aber vor allem für Ein- und Zweifamilienhäuser. Bis Mitte Juli waren es 26.200 im Rahmen der Aktion „Raus aus Öl und Gas“. Dagegen wurden nur 1.400 Förderanträge für den „mehrgeschossigen Wohnbau“ eingereicht.
„Der städtische Bereich ist das große Thema“, sagt Zach. „Gasthermen auf Fernwärme umzustellen, ist nicht trivial. Da müssen sie aufstemmen und aufgraben. In großen Wohnbauten ist das ein erheblicher Aufwand“, sagt er.
Beim Umbau gilt: Kein Haus ist wie das andere
Patrick Piegler von Wiener Wohnen weiß davon viel zu berichten. Er muss nicht nur die Strecke betrachten, die es braucht, um ein Haus neu ans Fernwärmenetz anzuschließen. Sondern auch: Gibt es bereits eine Anbindung? Und liegt dort eine Primärleitung oder eine Sekundärleitung? Durch erstere fließt praktisch 120 Grad heißer Dampf. Der muss erst einmal heruntergeregelt werden, bevor es ins Haus geht. Da braucht es dann mitunter ein eigenes kleines Gebäude in der Siedlung und damit wird es schonmal teurer.
Dazu gibt es schon heute in vielen Gemeindebauten beides: Gasleitungen und Fernwärme. Der Aufwand, die Anlagen zu warten, fällt doppelt an. Wenn nur eine Wohnung noch mit Gas versorgt wird, muss trotzdem das gesamte Leitungssystem in Schuss gehalten werden.
Schrittweise von Gas auf Fernwärme umzustellen, laufe im Regelfall so, erklärt Piegler: Sobald eine Wohnung frei wird, kommen die Installateure und bauen die Gastherme aus und den Abnehmer für die Fernwärme ein. Ist noch ein Gasherd vorhanden, wird dieser gegen einen Herd mit Drehstrom getauscht.
Förderungen sind zugeschnitten auf Einfamilienhäuser
Jede Wohnung und jedes Haus müsse dabei einzeln angeschaut werden, so Piegler. In einigen müssen Wände aufgestemmt oder Heizkörper getauscht werden. Aber: Machbar sei das innerhalb von zwei Tagen und auch wenn die Wohnung belegt ist. Die Kosten, ein ganzes Gebäude umzurüsten, gehen aber schnell in mehrere Zehntausend Euro.
„Die Fördermittel sind sehr stark auf Ein- und Zweifamilienhäuser zugeschnitten“, sagt Piegler. Für mehrgeschossige Häuser seien die Mittel im Verhältnis zu den Kosten gering. „Inwieweit die erhöht werden, wissen wir noch nicht, da gibt es nur Gerüchte“, sagt er. Ob demnächst stärker gefördert wird, konnte das auch für Energie zuständige Klimaschutzministerium auf Anfrage von MOMENT.at bis Redaktionsschluss dieses Artikels nicht beantworten.
Gasheizungen austauschen wird teilweise verpflichtend
Was sich ab nächstem Jahr jedoch ändern soll: Gasheizungen auszutauschen oder zu verringern, soll zumindest teilweise verpflichtend werden. Der noch nicht beschlossene Entwurf zum Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG) kennt aber Ausnahmen (siehe hier) und wann es zwingend notwendig ist, eine Heizung zu tauschen, ist auch nicht so ganz klar.
Als letzter Anker ist die altersbedingte Stilllegung vorgesehen. Mit fossilen Rohstoffen gefütterte Heizanlagen, müssen abhängig vom Jahr des Einbaus getauscht werden. Ist die Anlage Baujahr 1980 oder älter, muss sie bis Ende Juni 2025 raus. Wurde sie erst im Jahr 2014 oder später eingebaut, läuft die Galgenfrist sogar noch bis zum Jahr 2035. Bis dahin fließt noch viel teures Gas durch die Leitungen und belastet die Geldbörsen von Mieter:innen und das Klima.