Gefährliches Mikroplastik? Ein Überblick über Auswirkungen und Herausforderungen
Was ist Mikroplastik?
Als Mikroplastik werden alle Plastikteilchen bezeichnet, die kleiner als fünf Millimeter sind. Alles unter einem Mikrometer bezeichnet man als Nanoplastik.
Man unterscheidet dabei primäres und sekundäres Mikroplastik. Primäres Mikroplastik wird bewusst zu Produkten hinzugefügt, zum Beispiel in Zahnpasta oder Kosmetika.
In der Natur zerfällt Plastik in immer kleinere Bestandteile. Dieses ungewollt produzierte Mikroplastik nennt man hingegen sekundär.
Wie kommt Mikroplastik in die Umwelt?
Jedes Plastiksackerl, jede Zahnbürste, jedes Verpackungsmaterial zerfällt mit der Zeit in kleinere Teilchen. Besonders, wenn die Produkte erhitzt werden.
Bei Babyfläschchen zum Beispiel werden bei jedem Aufwärmen Milliarden Partikel abgegeben. Was wir als Hausstaub bezeichnen, ist zum Großteil Plastik: Von Textilien aus Polyester, Teppichen oder Kunststofffarben an den Wänden, die ebenfalls abgerieben werden und zerfallen.
Ein großes Problem ist auch der Abrieb von Autoreifen. Jedes Auto gibt auf 50.000 Kilometern etwa 6 Kilogramm Mikroplastik ab. Laut einer Studie der Uni Zürich sind 97 Prozent des Mikroplastiks der Umwelt in der Schweiz Autoreifen-Abrieb.
Die Teilchen werden so klein, dass sie durch Wind und die Atmosphäre in alle Regionen der Welt verfrachtet werden. Von den Gipfeln unserer höchsten Berge, zu den tiefsten Stellen des Ozeans und dem Eis der Antarktis. Plastik ist in der Luft, im Boden und im Wasser.
Warum ist Mikroplastik ein Problem?
Wir produzieren unendlich viel Plastik und gerade durch Einweg-Kunststoffe besonders viel Müll. So viel, dass wir gar nicht mehr wissen, wohin damit. Selbst wenn wir jetzt aufhören, diese Produkte zu produzieren, bleiben sie noch immer in der Umwelt. Denn Plastik ist nicht biologisch abbaubar.
Die Produktion von Plastik steigt exponentiell an und somit auch dessen Zerfall. Die kleinen Teilchen kann man nicht einfach wieder einfangen.
Befindet sich Mikroplastik im menschlichen Körper?
Was wir lange Zeit nicht wussten: Die kleinen Plastikteilchen überwinden sogar physiologische Barrieren. Mikro- und Nanoplastik verteilt sich innerhalb weniger Stunden in den unterschiedlichen Organen: im Gehirn, in der Leber, in der Lunge und auch im Blut. Es wurde sogar schon in der Plazenta, in der Muttermilch und im Urin nachgewiesen.
Wie nehmen Menschen Mikroplastik auf?
Ungefähr zehn Prozent des aufgenommenen Mikroplastiks atmen wir ein. Einen Teil nehmen wir über die Haut auf, zum Beispiel durch Verletzungen und Wunden. Oder über plastikhaltige Tampons.
Der größte Teil kommt von unserer Nahrung: Über Getränke aus Plastikflaschen, durch zerkratzte Teflon-Pfannen. Über Meerestiere oder Meersalz. Durch Fleisch, das wir essen – denn auch Tiere speichern Mikro- und Nanoplastik in ihrem Körper. Die Konzentration von Umweltgiften erhöht sich, je weiter man in der Nahrungskette nach oben geht.
Wir nehmen so im Schnitt 5 Gramm Plastik pro Woche zu uns – das entspricht dem Gewicht einer Kreditkarte.
Was für gesundheitliche Auswirkungen hat Mikroplastik?
Eine ganze Reihe neuer Studien deutet auf die toxische Wirkung von Mikroplastik hin. Die Anzahl der untersuchten Personen war zwar meist klein, der Zusammenhang trotzdem klar.
So berichten Wiener Forscher:innen über Hinweise, dass Mikroplastik die Ausbreitung von Krebs begünstigen könne. Die Plastikteilchen können bei der Zellteilung sogar an neue Zellen weitergegeben werden. Durch die hohe Aufnahme und den langen Verbleib im untersuchten Gewebe würden die Partikel zwei von drei Merkmalen der Toxikologie erfüllen, sodass sie als bedenkliche Stoffe eingestuft werden könnten. Ein Forscher:innenteam des Projekts microOne der medizinischen Universität Wien hat außerdem Anzeichen gefunden, dass Mikroplastik die Darmflora verändert und Entzündungen massiv verstärkt. Chronische Entzündungen können wiederum Tumorwachstum und -ausbreitung fördern.
Italienische Mediziner:innen konnten erstmals nachweisen, dass Ablagerungen der Halsschlagadern bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen eher zum Tod führen, wenn in diesen Ablagerungen Plastikteilchen sind. Patient:innen mit Plastikteilchen im Körper zeigten ein viermal so hohes Risiko, im Beobachtungszeitraum von knapp drei Jahren einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden oder zu sterben, als die Patient:innen, bei denen keine Plastikteilchen nachgewiesen wurden.
Mikroplastik wurde bei einer weiteren Studie in allen untersuchten menschlichen Plazentas gefunden. Die Wissenschaftler:innen sind dabei besorgt über die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen auf sich entwickelnde Embryos.
Die Konzentration von Mikroplastik in der Plazenta war besonders besorgniserregend. Das Gewebe wächst nur acht Monate lang, da es sich etwa einen Monat nach der Schwangerschaft zu bilden beginnt. Andere Organe bestehen viel länger und könnten noch viel höhere Konzentrationen erreichen. Außerdem bestärkt der Fund den Verdacht, dass das gesamte Säugetierleben betroffen ist.
Dass Mikroplastik im Körper nicht gut ist, klingt naheliegend. Doch lange gab es nur wenige Untersuchungen dazu. Wir stehen deswegen noch am Anfang der Forschung.
Was für Auswirkungen hat Mikroplastik auf die Tierwelt?
Auch zu den Auswirkungen von Mikroplastik auf Tiere braucht es mehr Forschung. Ein Studienüberblick aus 2022 deutet jedoch darauf hin, dass die Mikroplastik-Verschmutzung im Meer sich negativ auf die Gesundheit von Wasserorganismen auswirkt.
Bei wirbellosen Wassertieren kann Mikroplastik beispielsweise zu einem Rückgang des Fressverhaltens und der Fruchtbarkeit führen. Es verlangsamt das Wachstum und die Entwicklung der Larven. Bei Fischen können strukturelle Schäden an Darm, Leber, Kiemen und Gehirn verursacht und das metabolische Gleichgewicht, das Verhalten und die Fruchtbarkeit beeinträchtigt werden.
Für Landsäugetiere gibt es besonders wenig Daten. Die wenigen Studien, die es gibt, zeigen ebenfalls den negativen Einfluss von Mikroplastik. So kann es bei Mäusen und Ratten Schäden unterschiedlicher Art in Darm, Leber und anderen Organen verursachen.
Was braucht es im Kampf gegen Mikroplastik?
Mehr Grundlagenforschung zu den Auswirkungen ist notwendig. Besonders wichtig ist aber auch, dass wir weniger Plastik produzieren und nutzen. “Reduce, replace, refine” heißt das Motto – also verringern, ersetzen, verbessern.
Man kann auf Plastikflaschen und Plastikverpackungen verzichten. Die Entwicklung muss hin zu einer Kreislaufwirtschaft gehen – also Mehrweg-Verpackungen. Einwegverpackungen sind ineffizient und müssen auf ein Minimum verringert werden. Der erste Schritt dahin ist ein Einwegpfand. Damit gewöhnt sich die Gesellschaft wieder daran, Verpackungen zurück zum Geschäft oder Restaurant zu bringen. Außerdem müssen die Strukturen dafür bei den Unternehmen geschaffen werden.
In vielen Produkten kann man Plastik auch durch biologisch abbaubaren Kunststoff ersetzen. Außerdem wichtig: Möglichst auf das Auto verzichten und wenn eine Autofahrt notwendig ist, dann möglichst leichte Autos nutzen und langsamer fahren – denn das verringert den Reifenabrieb.
Was macht die EU gegen Mikroplastik?
Die EU hat sich auf eine Verordnung zu Plastikmüll geeinigt. Generell sollen bis 2040 um 15 Prozent weniger Verpackungen auf dem Müll landen als noch 2018. Die Mitgliedsländer sollen Pfandsysteme für Einweg-Plastikflaschen und Getränkedosen einrichten und die Verpackungsindustrie soll verpflichtende Mehrweg-Quoten einhalten. In Österreich soll 2025 ein Pfandsystem kommen.
Außerdem soll gewisses Einweg-Plastik verboten werden – zum Beispiel Behältnisse für unverarbeitetes Obst und Gemüse oder für Zucker und Schlagobers in der Gastronomie. Auch leichte Plastiksackerl im Supermarkt und die Plastikfolie für Koffer an Flughäfen soll es nicht mehr geben.
Die EU hat sich dabei auf einen Kompromiss geeinigt, der durch Lobbyist:innen verwässert wurde. Umweltschützer:innen kritisieren, dass die Verordnung zu wenig ist – dennoch ist sie ein wichtiger Schritt, um den Müll durch Plastikverpackungen zu reduzieren.