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Klimakrise

Weniger Plastikmüll: Ist die EU-Einigung nur Augenauswischerei? Nicht ganz, sagt die Expertin

Auf dem Foto ist ein schwarzer Mülleimer zu sehen, der überfüllt ist mit Müll. Auf dem Deckel stehen Getränkeverpackungen und andere Gegenstände. Bebildert wird damit ein Artikel über die Einigung auf eine Richtlinie zu Plastikmüll auf EU-Ebene.
Foto: theblowup/Unsplash
Weniger Müll durch Plastikverpackungen. Das will die EU erreichen. Die Unterhändlerinnen des Parlaments haben sich dazu auf einen Kompromiss geeinigt. Zu wenig, kritisieren Umweltschützer:innen. Ist die Verordnung Augenauswischerei? Nicht nur, sagt Anna Leitner, Expertin im Bereich Lieferketten und Ressourcen bei Global 2000.

Die EU hat sich auf eine Verordnung zu Plastikmüll geeinigt. Es soll mehr Einweg-Plastik verboten werden – zum Beispiel Behältnisse für unverarbeitetes Obst und Gemüse oder für Zucker und Sahne in der Gastronomie oder leichte Plastiksackerl im Supermarkt. Auch die Plastikfolie für Koffer an Flughäfen soll verboten werden. 

Das klingt alles sehr kleinteilig. Generell sollen bis 2040 um 15 Prozent weniger Verpackungen auf dem Müll landen als noch 2018. Das wären 65,8 Millionen Tonnen oder 147 kg pro Person. Heute kommen auf jeden Menschen in der EU im Schnitt jährlich etwa 190 Kilogramm Verpackungsmüll pro Jahr. Das ist sogar noch mehr, als es 2018 waren (173 kg pro Person, insgesamt 77,4 Millionen Tonnen). Und laut Prognosen würde das bis 2030 auf 92 Tonnen steigen, wenn man nichts tut.

MOMENT.at: Weniger Müll durch Plastikverpackungen – die EU hat sich auf einen Kompromiss geeinigt. Umweltschützer:innen kritisieren, dass es zu wenig ist. Ist die Verordnung Ihrer Meinung nach Augenauswischerei?

Anna Leitner: Grundsätzlich ist es sehr wichtig, was da beschlossen wurde. Die Verordnung hat aber ganz eindeutig den Abdruck der Lobbyist:innen bekommen. Sie haben die Verordnung massiv verwässert – im Vergleich zu dem, was notwendig ist und auch zu dem, was die Kommission ursprünglich vorgeschlagen hat.

Weil sich bestimmte Unternehmen massiv eingebracht haben, gibt es nur ein Verbot bestimmter Plastikverpackungen. Für beispielsweise Papier- und Vebundstoff-Verpackungen gibt es keines. Doch auch die sind Verschwendung und unnötig. Denken wir an McDonalds, wo keine Plastikstrohhalme mehr verwendet werden, sondern Einweg-Papier und Verbundstoff. Das wird aber auch direkt weggeworfen. In diesem Bereich bleiben wir also auf einem Status quo.

Einwegverpackungen sind aber grundsätzlich ineffizient. Sie laufen der Kreislaufwirtschaft zuwider und müssen auf ein Minimum verringert werden – alle. Auch hier sollte es deswegen Mehrwegquoten und Vorgaben geben.

MOMENT.at: Lebensmittelverpackungen dürfen künftig keine sogenannten ewigen Chemikalien mehr enthalten. Die Mitgliedsländer sollen Pfandsysteme für Einweg-Plastikflaschen und Getränkedosen einrichten und die Verpackungsindustrie soll verpflichtende Mehrweg-Quoten einhalten. Wie gut sind diese Einigungen?

Leitner: Das Verbot von PFAS ist auf jeden Fall sehr zu begrüßen und längst überfällig. Pfandsysteme befürworten wir auch sehr. In Österreich kommt dieses aus anderen Gründen bereits ab 2025. In vielen Ländern war die Debatte aber noch nicht so weit. Damit sollen sie flächendeckend in ganz Europa kommen.

Doch auch hier muss man sagen, dass durch Lobbys einiges verloren ging. Die Mehrwegziele waren im ursprünglichen Vorschlag ambitionierter. Endvertreiber wie Restaurants müssen bis 2030 zehn Prozent erreichen. Das ist ein geringer Prozentsatz im Vergleich zu dem, was notwendig ist. Dennoch ist es ein großer Schritt, wenn es bisher gar kein System gibt. Darauf kann in weiterer Folge mehr aufbauen.

MOMENT.at: Wenn man daran denkt, wie Plastik Meere, Strände, Flüsse und Wiesen vermüllt, dann klingt das trotzdem nach zu wenig. Wäre es nicht wichtiger, generell weniger Plastikverpackungen zu produzieren?

Leitner: Das ist der Grund, warum es die Vorgaben und Pfandsysteme geben muss. Wir müssen Plastikverpackungen allgemein verringern und Mehrweg ist der Weg dahin. Wenn schon Verpackung, dann Mehrweg. Der erste Schritt dafür ist der Einwegpfand.

Damit man Mehrwegangebote umsetzen kann, muss man die Menschen wieder umgewöhnen. Wir müssen uns wieder daran gewöhnen, dass wir mit Verpackungen zurück zum Laden oder zum Restaurant gehen.

Auch der Handel und Unternehmen müssen sich darauf vorbereiten. Sie brauchen Systeme, damit sie Verpackungen mehrfach verwenden können: Rücknahme, Reinigung, Wiederverwendung muss organisiert werden.

Deswegen ist Einwegpfand wichtig, damit die Systeme für Mehrweg wieder aufgebaut werden. Es gibt auch bereits gut funktionierende Mehrwegsysteme. Man denke an Getränke- und Bierflaschen in der Gastronomie. Die können und sollen übernommen und gesetzlich verpflichtend werden.  

MOMENT.at: Was braucht es aus Ihrer Sicht nun im weiteren Schritt?

Leitner: Jetzt ist es notwendig, dass die Mitgliedstaaten und das Parlament diesen Kompromiss noch vor den Wahlen durchbringen. Es gibt noch weitere Schritte, die formell abgeschlossen werden müssen.

Längerfristig muss es auf jeden Fall noch mehr sein. Die nächste EU-Kommission ist gefragt, dass sie nachschärft.

Auch die Industrie, Handel und Restaurants müssen anfangen mit der Umstellung. Das Gute ist, dass es eben schon gute Vorbildinitiativen gibt. Da braucht es nun Kooperationen und Wissensaustausch.

Im Bild ist eine junge Frau zu sehen, die in die Kamera lächelt. Es ist Anna Leitner. Sie ist Expertin im Bereich Lieferketten und Ressourcen bei Global 2000 und spricht im Artikel über die Einigung der EU zu Plastikmüll.

Anna Leitner ist Expertin im Bereich Lieferketten und Ressourcen bei Global 2000. Foto: Mira Nograsek/Global 2000

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