Check der Gütesiegel: Welche gut sind und wer durchfällt
Bereit für Ketten an Großbuchstaben? Okay, los geht’s: AMA, ASC und BCI. MSC, EZA und FLA. Das sind keine Reime einer deutschen HipHop-Band. Sondern so heißen einige der Gütesiegel, die auf Etiketten von Produkten in Supermärkten und bei Textilhändlern gedruckt sind. Sie versprechen etwa Bioanbau und Regionalität oder nachhaltig hergestellte Baumwolle und faire Löhne für die Arbeiter:innen. Klingt toll, ist aber ist in manchen Fällen ein Schwindel und Greenwashing.
Dazu kommt: In Österreich schwirren sehr viele Gütesiegel herum. Wofür das AMA Bio-Siegel steht, was hinter Bio Primo steckt und ob das eine jetzt besser als das andere ist? Wer weiß das schon? Die Menschenrechtsorganisation Südwind und die Klimaschutz-NGO Global 2000 versuchen jetzt mit einem neuen Gütesiegel-Check Konsument:innen zu helfen, den Überblick zu bewahren. Sie prüften 63 Gütesiegel und arbeiten dabei mit weiteren Organisationen zusammen, etwa aus Deutschland und Brasilien.
Gütesiegel-Check prüft auf Bio-Qualität und soziale Standards
Neu dabei: “Wir haben nicht nur die Ökologie bewertet, sondern auch geschaut, ob die Gütesiegel soziale Standards garantieren und wie transparent sie sind”, sagt Angelika Derfler, Koordinatorin des Projekts bei Südwind zu MOMENT.at. Und das war kompliziert: Ein Jahr lang arbeiteten die Organisationen daran. Da viele Gütesiegel unterschiedliche Ziele verfolgen, war es schwierig, all das in vergleichbare Ergebnisse zu bringen. Derfler nennt das eine “Herausforderung”.
Mit einem einfachen Ampelsystem sollen Konsument:innen erkennen, ob ein Gütesiegel hohe Standards besitzt oder eher nicht. Soviel sei gesagt: “Das allumfassende quasi perfekte Gütesiegel gibt es nicht”, sagt Derfler. Immerhin neun Siegel bekamen in mindestens einer der drei Kategorien die beste Bewertung: etwa Bio Austria bei Ökologie und Fairtrade bei Soziales, wie Südwind hervorhebt. Aber: Vier der Siegel erhielten in mindestens einer Kategorie ein “mangelhaft” aufgedrückt, darunter das bekannte AMA-Gütesiegel.
Die AgrarMarkt Austria ist – vorsichtig ausgedrückt – nicht begeistert. “Ich bin sprachlos”, sagt AMA-Sprecherin Kristijana Lastro zu MOMENT.at. Infos, die sie den NGOs gegeben hätten, seien nicht berücksichtigt worden. “Hier wurden Äpfel mit Birnen verglichen” sagt sie. Das Problem aus ihrer Sicht: “Wir werden hier mit Bio-Siegeln verglichen, unseres ist aber eines für konventionelle Lebensmittel.” Aus ihrer Sicht sei klar, dass das AMA-Siegel dann schlecht aussteigt. Aber genau das sollen Bio-Kennzeichnungen ja darstellen: dass die Produkte ökologisch besser als konventionelle Lebensmittel sind.
Wer liest sich das denn genau durch? So sehen Konsument:innen nur: AMA negativ.
Kristijana Lastro, AgrarMarkt Austria
Lastro stört, dass das klassische AMA-Siegel überhaupt eine Gesamtnote erhalten hat. “Die Kaufentscheidung fällt in der Sekunde im Geschäft”, sagt sie. Wer dann online auf die Ampel schaut und sieht, dass ihr Gütesiegel nur mit roten und gelben Ampeln bewertet wird, kauft dann möglicherweise doch nicht. Und das, obwohl Regionalität, Tierwohl und Qualität da seien und kontrolliert würden. Das steht auch in den ausführlichen Erläuterungen zum Gütesiegel-Check, einem Wälzer von 127 Seiten.
“Wer liest sich das denn genau durch?”, fragt Lastro. “So sehen Konsument:innen nur: AMA negativ.” Sie hätte sich gewünscht, dass ihr Gütesiegel keine Gesamtnote erhält. Denn das gibt es durchaus: 23 der 63 Siegel haben eine graue Ampel, wurden also nicht bewertet. Darunter sind auch alle Bio-Eigenmarken der Handelsriesen Spar, Hofer und Billa. Diese orientieren sich an der EU-Bio-Richtlinie. Sie schreibt genau vor, was sich Bio nennen darf, und was nicht.
Global 2000 arbeitet mit Handelsketten – und bewertet sie
“Zurück zum Ursprung”, “Ja! Natürlich” und “Spar Natur*pur” wurden beim Gütesiegel-Check lediglich schriftlich eingeschätzt. Dabei fällt auf: Bei der Spar-Marke steht nur ein lapidarer Satz. Die Marken von Hofer und Billa werden ausführlich und durchaus positiv besprochen. Beim Gütesiegel-Check war Global 2000 zuständig dafür, die Öko-Kriterien zu überprüfen. Im ausführlichen Bericht schreibt die Umwelt-NGO: “Es bestehen Kooperationen mit REWE, bei Ja Natürlich! wird Global 2000 für Kontrollen beauftragt. Im Bewertungszeitraum wurde ein gemeinsames Projekt mit Hofer durchgeführt.” Die Prüfer der Gütesiegel arbeiten also mit den Unternehmen zusammen, deren Öko-Siegel sie überprüfen und bewerten.
Das klingt nach Interessenkonflikt. Den gebe es aber nicht, sagt Marcel Ludwig, Sprecher von Global 2000, zu MOMENT.at. “Ich kann definitiv ausschließen, dass es Einfluss gab”, sagt er. Seine Organisation arbeitet seit 20 Jahren mit der Billa-Mutter Rewe an einem Projekt zur Verringerung von Pestiziden. “Dafür haben wir eine eigene Abteilung, die völlig unabhängig ist von unseren sonstigen Aktivitäten und Tests”, sagt Ludwig. Was Global 2000 von Rewe erhalte, decke die Kosten.
Mit Hofer kooperiert Global 2000 inzwischen nicht mehr. Ein Projekt zum “Landwirtschaft der Zukunft” lief aus. Dem Vernehmen nach hatten Global 2000 und die Supermarktkette unterschiedliche Auffassungen, was dabei herauskommen sollte. Möglicherweise ging es Hofer eher darum, griffige Klimaschutz-Slogans auf seine Milchflaschen schreiben zu können als um CO2-neutrale Landwirtschaft.
Gegenüber MOMENT.at sagt Hofer, das Unternehmen verfolge mit dem Projekt das Ziel “einer aktiven Klimaschutzmaßnahme im landwirtschaftlichen Bereich, ohne Zukauf von Kompensationszertifikaten”. Nach der ersten Phase des Projekts, “kam es zu einem einvernehmlichen Ende der Kooperation mit GLOBAL 2000, welche für alle Projektpartner im zufriedenstellenden Rahmen gedeckt werden konnte”.
Richtig nachhaltig wird es erst mit Lieferkettengesetz
Greenwashing funktioniert nämlich auch so: Große Unternehmen holen sich Umweltschutz-NGOs ins Boot. Das soll nach außen gut aussehen, auch wenn nicht viel dahintersteckt. Marcel Ludwig berichtet, seine Organisation bekomme jährlich mehrere solcher Anfragen von Unternehmen, die sie abweisen. “Das scheitert an unseren Kriterien”, sagt er.
Ob sie wirklich gut sind oder nur eine Luftnummer: Gütesiegel seien kein Allheilmittel, um das Öko- und das soziale Gewissen von Konsument:innen zu beruhigen, so Südwind-Expertin Derfler. Wirklich nachhaltig und fair werde es erst, “wenn wir unseren ganzen Konsum überdenken”. Also nicht immer zur großen Supermarktkette gehen. Sondern beim Greißler oder am Marktstand regionale, saisonale und biologische Lebensmittel kaufen. Nicht jedes Jahr die neue Kollektion beim Fetzentandler kaufen und währenddessen kaum getragene Sachen wegwerfen.
Was es auch braucht, sind bessere gesetzliche Rahmenbedingungen. “Das Wichtigste ist ein Lieferkettengesetz”, sagt Derfler. Das sollte bald einmal kommen. Das EU-Parlament stimmte am 1. Juni für das Gesetz, das von Unternehmen nachhaltige Produktion und soziale Standards einfordert. Vielleicht braucht es dann keine Gütesiegel mehr, die allzu oft nicht halten, was sie versprechen.
*Ergänzung 31.7.2023: Der Artikel wurde mit einem Statement von Hofer ergänzt.