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Demokratie

“Mord, Folter, Hinrichtung – islamische Regierung”: Mit diesen Mitteln unterdrückt das iranische Regime die Proteste der Bevölkerung

“Mord, Folter, Hinrichtung – islamische Regierung”: Mit diesen Mitteln unterdrückt das iranische Regime die Proteste der Bevölkerung
Die Proteste im Iran werden vom autoritären Regime der Islamischen Republik brutal niedergeschlagen. Eine Übersicht über die Methoden des Unrechtsstaats.

Seit der Gründung der Islamischen Republik im Iran im Jahr 1979 ist das iranische Regime dafür bekannt, Proteste und jegliche Form des Widerstands gewaltsam zu unterdrücken. So auch bei den jüngsten Protesten, die seit dem Herbst 2022 stattfinden. Das Regime geht skrupellos vor, um die Stimmen der Bevölkerung zum Schweigen zu bringen. Mit welchen Methoden die Diktatur ihre Macht zu erhalten und eine Revolution zu verhindern versucht, erklären wir dir hier.

#1 Gezielte Angriffe auf Schüler:innen und Studierende

Nika Shakarami, Hadis Najafi, Die Proteste im Iran werden vor allem von jungen Menschen angeführt. Zentrale Schauplätze sind vor allem Bildungseinrichtungen wie Schulen und Universitäten. Dort wird protestiert, werden Kopftücher verbrannt, wird Bildern des obersten religiösen Führers Khamenei der Mittelfinger gezeigt. 

„Nach Jahrzehnten des Einflusses staatlicher Propaganda im Bildungssystem zur Gehirnwäsche von Kindern stellt die Islamische Republik fest, dass eben diese Kinder zu einem prägenden Merkmal der Bewegung für sozialen und politischen Wandel im Land geworden sind“, sagte Hadi Ghaemi, Geschäftsführer der NGO “Center for Human Rights in Iran. “Als Reaktion darauf schlägt, entführt und tötet der Staat diese Kinder.”  

Ähnliches geschieht an Universitäten, wie der Fall der Scharif-Universität in Teheran zeigte. Im Oktober 2022 wurden protestierende Studierende von Sicherheitskräften eingekesselt, geschlagen und ins Evin-Gefängnis gebracht. Mittlerweile wird das Gefängnis, aufgrund der hohen Dichte an verhafteten Studierenden, von Iraner:innen als “Universität Evin” bezeichnet. 

Protestierende, die nicht verhaftet oder mittlerweile freigelassen wurden, werden vom Unterricht suspendiert. Universitäten haben seit der Errichtung der Islamischen Republik schon immer eine zentrale Rolle bei regimekritischen Protesten im Land gespielt, 1999 folgten die ersten Revolten in Form von Studierendenprotesten.

#2 Überwachungsstaat mit Gesichtserkennungssoftware gegen Proteste im Iran

Hinzu kommen die jüngsten Vergiftungen an Mädchenschulen, die als Racheakte des Regimes gegen Proteste gesehen werden. Khamenei forderte zwar laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA eine “ernsthafte Untersuchung” der Vergiftungsfälle. Kritiker:innen bemerken aber, dass trotz umfassender Videoüberwachung in fast allen Städten und an Schulen bisher keine Schuldigen gefunden wurden. 

Tatsächlich hat sich der Iran in den letzten Jahren zu einem Überwachungsstaat entwickelt, der verschiedene Technologien und Institutionen nutzt, um seine Bürger:innen zu überwachen und zu kontrollieren. Das Internet und soziale Medien werden stark zensiert und überwacht. Iraner:innen umgehen Internetsperren meist mit speziellen Werkzeugen (VPN). Derzeit ist ein Gesetzesentwurf im Bearbeitung, der diese Überwachung intensivieren und Daten von Internet-Nutzer:innen an das Regime weitergeben soll. 

Der Entwurf soll Teil eines Vorhabens der Regierung sein, ein geschlossenes, staatlich kontrolliertes Intranet zu schaffen. Doch auch abseits des Internets, werden Technologien verwendet, um die Menschen im Iran zu überwachen. So hat das Regime öffentlich bekanntgegeben, Gesichtserkennungssoftwares gegen Frauen einsetzen zu wollen, die gegen den Verhüllungszwang verstoßen. Hinzu kommen Verhaftungen von Iraner:innen, Tage nachdem sie an Protesten teilgenommen hatten. Dazu sollen die bereits angesprochenen flächendeckenden Überwachungskameras im öffentlichen Raum und Verkehrsmitteln dienen. Die Software dazu sollen vom chinesischen Unternehmen Tiandy stammen.

#3 Systematische, sexualisierte Gewalt und Folter

In den Gefängnissen selbst gibt es zahlreiche dokumentierte Fälle von sexualisierter Gewalt und Folter gegen Frauen und Männer. CNN veröffentlichte im November 2022 einen Bericht über Fälle von systematische, sexueller Gewalt gegen Inhaftierte. Eine Betroffene, die iranische Kurdin Hana, die zu ihrer Familie in den kurdischen Gebieten des Irak flüchten konnte, erzählte von ihren Erfahrungen in einem Auffanglager: „Die Kinder, die bei den Demonstrationen gefangen genommen wurden, waren um die 13 bis 14 Jahre alt. Sie wurden brutal verletzt. Die Mädchen wurden noch schlimmer verletzt. Sie wurden sexuell missbraucht.“ 

Die iranische Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi, sitzt derzeit eine 16-jährige Gefängnisstrafe ab. Sie schrieb in einem Brief, den sie heimlich aus dem Evin-Gefängnis schmuggeln konnte. Darin erklärte sie sich als Zeugin bereit, von Fällen von physischer und sexueller Gewalt und Folter im Gefängnis zu berichten. Auch im Bereich der Folter geht das Regime Augenzeugenberichten zufolge systematisch vor. 

Die iranische Regierung soll ein Netzwerk von mehr als 30 geheimen Gefängnissen aufgebaut haben. Diese werden zumeist von der Revolutionsgarde oder Geheimdienstagenten betrieben. Hinzu kommen inoffizielle Einrichtungen wie Lagerhallen und leerstehende Gebäude. Der Medizinstudent Kayvan Samadi berichtete über Elektroschocks an Hinterkopf, Nacken und Rücken, andere berichteten über gebrochene Gliedmaßen. Laut dem Menschenrechtsanwalt Saeid Dehghan würden dabei das Gesicht oder die Hände nicht misshandelt werden: “Sie haben ihre Gesichter unversehrt gelassen, damit sie vor Gericht ohne klare Anzeichen von Missbrauch erscheinen konnten. Ihre Hände wurden in Ruhe gelassen, damit sie die falschen Geständnisse unterschreiben konnten.”

#4 Schauprozesse und vage definierte “Verbrechen”

Dabei bezieht sich Dehghan auf zwei konkrete Fälle von gefolterten Protestierenden, die er verifizieren konnte: Mohammad Mehdi Karami (✝22) and Seyed Mohammad Hosseini (✝39).  Diese unterschrieben nach langer Folter falsche Geständnisse, die schließlich zu ihrer Hinrichtung führten. 

Das hat im Iran System. Bei Schauprozessen werden Anklagen wie “Korruption auf Erden” oder “Krieg gegen Gott” erhoben. Die Verurteilung des Beklagten steht im Voraus fest. Damit sollen Demonstrierende eingeschüchtert und die Proteste unterdrückt werden. Denn bei diesen, vage formulierten, Anklagepunkte droht die Todesstrafe. Etwa auch in den Fällen von Mohsen Shekari (✝23) und Majidreza Rahnavard (✝22). 

Laut der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, die Auszüge aus dem iranischen Strafgesetzbuch übersetzt hat, können unter “Korruption auf Erden” sämtliche Vergehen fallen, die dem Staat nicht gefallen. Bei “Krieg gegen Gott” handelt es sich um Koranstellen, die vom Regime zur Ausschaltung seiner Gegner:innen interpretiert wurden. 

#5 Ausländische Staatsbürger als politische Druckmittel

Ein bekannter Fall ist der von Jamshid Shahrmad, ein Deutsch-Iraner, der wegen “Korruption auf Erden” zum Tode verurteilt worden ist. Ihm könnte eine Hinrichtung unmittelbar bevorstehen. Shahrmad wurde seiner Familie zufolge aus Dubai entführt und in den Iran verschleppt. Ihm wird die Beteiligung an einer Bombenexplosion vorgeworfen. Amnesty International hat das Verfahren als Schauprozess bezeichnet.

Immer wieder verwendet die Islamische Republik inhaftierte Doppelstaatsbürger:innen, um sie bei Verhandlungen mit dem Westen als Druckmittel einzusetzen. „Diese europäischen Bürger wurden gefoltert, in unfairen Prozessen auf der Grundlage erfundener Anschuldigungen verurteilt, ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand oder einer angemessenen medizinischen Versorgung”, erklären Angehörige solcher politisch gefangener Doppelstaatler:innen in einem Brief vom September 2022 an die EU. 

Im Zuge der aktuellen Proteste teilte die iranische Justiz Ende November mit, sie habe 40 Ausländer:innen wegen Beteiligung an den Protesten inhaftiert. Auch drei österreichische Staatsbürger, zwei davon auch mit iranischer Staatsbürgerschaft, sitzen derzeit im Iran im Gefängnis. Ihnen wird Spionage vorgeworfen. Die iranische Staatsbürgerschaft ist nicht ablegbar und wird quasi mit der Geburt vergeben – solange der Vater iranischer Staatsbürger ist. Die iranische Diaspora in Europa und den USA geht somit hohe Risiken ein, wenn sie sich regimekritisch äußert, da ihnen bzw. ihrer Familie ähnliche Schicksale wie bei den bereits erwähnten Fälle drohen. 

 

Mit dem Spruch „Mord, Folter, Hinrichtung – islamische Regierung” fassen die Demonstrationen das Verhalten des Regimes zusammen. Trotz des brutalen Vorgehens und vieler unterdrückerischen Maßnahmen schafft das Regime es bisher aber seit vielen Monaten nicht, die Proteste im Land aufzuhalten.

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