print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Demokratie

"Sophie im IHS" – Wie Ex-Ministerin Karmasin bei Insight Austria "abgesichert" wurde

Korruptionsermittler:innen interessiert, wie die Ex-Familienministerin Sophie Karmasin bei Insight Austria landete. Fragwürdig erscheint der WKStA auch, wie das „Kompetenzzentrum Verhaltensökonomie“ unter dem Dach des IHS gegründet wurde. Federführend dabei: der heutige Arbeitsminister und frühere Institutsleiter Martin Kocher und der Kurz-Vertraute Thomas Schmid. Den bat Sophie Karmasin immer wieder um Unterstützung: Sei es für Gespräche mit Kocher oder weil es „nicht so wie vereinbart rennt“ im IHS. Dort würden die Arbeiten von Karmasin nun genau geprüft, heißt es.
 

Es war eine Randnotiz in den Tagen nach dem Auffliegen des System Kurz im Oktober. Sophie Karmasin verließ das Kompetenzzentrum Verhaltensökonomie „Insight Austria“. Die Forschungseinheit ist am Institut für Höhere Studien (IHS) angesiedelt. Karmasin ist im Skandal um gefälschte und mutmaßlich mit Steuergeld bezahlte Umfragen als Beschuldigte der Korruptionsermittler:innen geführt.

„Wir haben die Zusammenarbeit ruhend gestellt, bis alle Vorwürfe geklärt sind“, sagte IHS-Sprecher Paul Glück. Karmasin war Konsulentin und wird immer wieder als Mitgründerin von „Insight Austria“ genannt.

Arbeit von „Insight Austria“ soll auf dem Prüfstand stehen

Doch nicht nur das: Derzeit würden alle Arbeiten von Karmasin für Insight Austria intern geprüft, heißt es aus Kreisen des IHS gegenüber MOMENT. Dazu befragt, äußerte sich das IHS bis zum Redaktionsschluss dieses Artikels nicht. Intern habe man sich, „jedenfalls schon gewundert, warum diese Forschungseinheit in dieser Form ausgelagert worden ist“, sagt ein:e IHS-Mitarbeiter:in zu MOMENT und fügt an: „Jetzt im Nachhinein kann man aber froh darüber sein.“

Denn wie das Institut in den Jahren 2017 und 2018 ins Leben gerufen wurde, ist für die gegen Karmasin ermittelnde Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) keine Randnotiz. In ihrem Analysebericht ist „Insight Austria“ ein eigenes Kapitel gewidmet. Der mehrere Hundert Seiten starke Bericht ist praktisch die ausführlichere Version des Dokuments, das Grundlage für die Hausdurchsuchungen im Bundeskanzleramt und bei der ÖVP war.

„Sophie im IHS Institut“ schrieb Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, dem Kurz-Vertrauten Johannes Frischmann laut den vorliegenden Chat-Protokollen im Dezember 2016. Wenige Wochen davor fand laut Eintrag im Terminkalender von Thomas Schmid eine Besprechung statt. Die Teilnehmer: Schmid, Karmasin und Martin Kocher, damals Leiter des IHS und heute Arbeitsminister.

Mutmaßliches Ziel: Sophie Karmasin im IHS „absichern“

Aus weiteren Einträgen und Nachrichten leiten die Ermittler:innen ein mutmaßliches Ziel ab: die Vereinbarung einer „Absicherung“ Karmasins am IHS. Sie sollte offenbar nach ihrem Ausscheiden als ÖVP-Familienministerin im Dezember 2017 am IHS andocken. Und das sollte letztlich über das Vehikel „Insight Austria“ gelingen. Kocher war als Leiter des IHS dabei beteiligt, das Zentrum zu gründen.

Bis zu seiner Angelobung zum Minister im Frühjahr dieses Jahres leitete er auch „Insight Austria“. Im Frühling 2018 bat Karmasin in Textnachrichten an Schmid immer wieder um Termine bei Kocher. „Bitte Termin Kocher Du und ich dringend! Danke!!“ schrieb sie im April 2018. Ab Juni 2018 war Karmasin dann für Insight Austria tätig. Karmasins Umfrageinstitut Research&Identity arbeitete, seit es Mitte 2018 gegründet wurde, mit und für „Insight Austria“.

Was dazwischen passierte? Ob das Treffen mit Kocher zustandekam? Und ob darin besprochen wurde, wie die Meinungsforscherin Karmasin am Zentrum für Verhaltensökonomie beschäftigt werden könne? Das geht aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervor.

Gründung von „Insight Austria“: Thomas Schmid war auch hier dabei

MOMENT fragte deshalb bei Kocher und Karmasin nach. Karmasin antwortete bis dato nicht. Herbert Rupp, Pressesprecher und stellvertretender Kabinettschef des Arbeitsministers teilt mit: Da Kocher „weder Kenntnis über den Analysebericht noch den Ermittlungsakt der WKStA hat, kann hierzu keine Aussage getroffen werden“.

Die Ermittler:innen hinterfragen darin nicht nur, wie Karmasin am IHS landete. Sondern auch, wie die Gründung von „Insight Austria“ ablief. Auch hier war Thomas Schmid als damaliger Finanzministeriums-General beteiligt. Kocher als IHS-Leiter setzte sich offenbar dafür ein, eine solche „Nudge-Unit“ in seinem Haus zu installieren.

„Nudging“ heißt so viel wie „anstoßen“. Dabei geht es darum, Menschen mit verhaltensökonomischen Ansätzen zu erwünschtem Verhalten zu bringen. Ein äußerst bekanntes und simples Beispiel, das immer wieder verwendet wird um das Prinzip zu erklären: Wenn in Urinalen Fliegen aufgemalt werden, sollen Männer darauf zielen und dadurch weniger daneben pinkeln.

Schmid wollte Förderung für Kochers IHS rückgängig machen

Im Jahr 2017 wurde „Insight Austria“ unter dem Dach von Kochers IHS eingerichtet. Das wäre kurz vor knapp beinahe gescheitert. Namentlich Thomas Schmid hatte etwas dagegen. “Ich will diesen Fördervertrag IHS jetzt doch nicht freigeben” und “Können wir das noch rückgängig machen?” schrieb er an einen fürs Budget zuständigen Mitarbeiter im Finanzministerium am Abend des 26. Juli 2017. Einen anderen bat er zeitgleich, ein Treffen mit Kocher zu organisieren: “Ich brauche einen Kocher Termin – der vom IHS”, textete Schmid.

Am späten Abend des nächsten Tages versendete Martin Kocher ein E-Mail an drei hochrangige Mitarbeiter des Finanzministeriums. Das Mail ist auch Teil des Berichts der WKStA. “Sehr geehrte Herren! Vielen Dank fuer die Foerdervereinbarung zum Kompetenzzentrum Verhaltensökonomie!”, schrieb Kocher darin.

Zu schließen sei daraus, so die WKStA, dass Schmid “letztlich doch den Fördervertrag nicht mehr verhindern konnte (oder wollte)”. Was in den mehr als 24 Stunden zwischen Schmids Textnachrichten und Kochers E-Mail zwischen IHS und Finanzministerium abgelaufen ist, ob es ein Gespräch zwischen Schmid und Kocher gab, darüber haben die Ermittler:innen laut Akt keine Kenntnis.

Zuvor drohte Schmid damit, Kocher „auf Linie“ zu bringen

Zur Erinnerung: Sechs Wochen vor dieser Auseinandersetzung um den Fördervertrag textete Schmid an Sebastian Kurz die oft zitierte SMS, in der er über geführte Telefonate mit Wirtschaftsforschern berichtete. “Kocher bringe ich noch auf Linie. IHS vom BMF finanziert”, schreibt er darin. Dazu merken die Ermittler:innen der WKStA an: Aus der Drohung werde zumindest der Versuch der Einflussnahme auf das IHS ersichtlich. “Dies könnte von Relevanz für das weitere Verhalten von Prof. Dr. Kocher in Bezug auf MMag. Dr. Karmasin sein”, heißt es im WKStA-Bericht.

Laut Förderdatenbank des Bundes hat das Finanzministerium “Insight Austria” seit dessen Gründung mit 300.000 Euro gefördert. Ob das Geld zweckgebunden war, ob daneben gesonderte Studien bei Insight Austria beauftragt und bezahlt wurden, will das Ministerium derzeit nicht beantworten. Ebensowenig die Frage danach, welchen Mehrwert die Arbeit von Insight Austria brachte und wie diese praktisch umgesetzt wurde.

„Zu diesem Thema ist auch eine parlamentarische Anfrage im BMF eingelangt, die gerade in Bearbeitung ist“, sagt Finanzministeriumssprecher Stefan Trittner zu MOMENT. „Ich ersuche Sie um Verständnis, dass die Beantwortung derzeit noch andauert.“

Karmasin schob „Insight Austria“ als Ministerin an und arbeitete später dort

Angeschoben wurde das „Kompetenzzentrum“ übrigens auch vom Familienministerium, damals unter der Leitung von: Sophie Karmasin. Jene Karmasin also, die später laut Unterlagen der WKStA selbst dort „abgesichert“ werden sollte und mit ihrem Umfrage-Institut für Insight Austria arbeitete.

Noch Monate nachdem Karmasin erfolgreich bei Insight Austria angedockt hatte, schrieb sie an Thomas Schmid und bat um einen Rückruf. “Ich muss Dich bitte dringend sprechen”, schreibt sie in einer SMS am 25. September 2018. Und: “Mit IHS rennt das nicht so wie vereinbart!!!!”

Was nicht so wie vereinbart lief und wie Thomas Schmid dabei hätte helfen können? Karmasin antwortete bis Redaktionsschluss nicht auf die von MOMENT gestellten Fragen.

 

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 0 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag!