Lieferkettengesetz: Wer in Österreich Hürden für strenge Konzernregeln aufstellt
Ein Lieferkettengesetz würde Konzerne zu besserem Wirtschaften im Sinne von Umwelt und Menschenrechten verpflichten. Wo sind in Österreich die Bremsklötze?
Weltweit wachsen die Bemühungen rund um ein Lieferkettengesetz. In Österreich stellt die Wirtschaft dabei Ansprüche, die Politik gibt nach – nun steigt aber auch der Druck der Zivilgesellschaft.
Kinder essen Schokolade, für die andere Kinder zum Arbeiten gezwungen wurden: Das ist nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel – auch in Österreich. Wenn darüber diskutiert wird, dann unter dem Titel „Bewusstes Einkaufen“.
Kein Fair Trade-Siegel auf dem Schokoriegel? Liebe Eltern, bitte eine Runde Schuldgefühle!
Wer dabei aus der Pflicht genommen wird, sind jene Unternehmen, die diese Kinderarbeit, aber auch Ausbeutung von Erwachsenen und giftige Produktionsbedingungen erst zulassen. In Europa sind mehrere Länder mit Gesetzen vorgeprescht, die das ändern sollen. Große Unternehmen, die in Hungerlohnländern produzieren lassen, um Kosten zu sparen, sollen mit einem Lieferkettengesetz für Menschenrechtsverstöße entlang ihrer Lieferkette in die Pflicht genommen werden.
Lieferkettengesetz gegen Ausreden
Die Ausrede, dass man sich ja ohnehin an die Gesetze vor Ort halte, soll nicht mehr gelten: Wenn das Recht vor Ort die Menschen und die Umwelt nicht vor Ausbeutung schützt, dann muss es eben Europa tun, so die Logik. Es könne nicht sein, dass Konzerne aus niedrigen Standards Profit schlagen, aber die Kosten – zerstörte Umwelt, zerstörte Lebensqualität – auf die Menschen in den Produktionsländern abwälzen.
In Österreich setzt sich das Bündnis Treaty Alliance Österreich als nationale Kontaktstelle eines globalen Netzwerkes dafür ein. Das Justizministerium stehe länderübergreifend einheitlichen Regeln für Unternehmen positiv gegenüber, sagt Georg Kathrein, Leiter der dortigen Zivilrechtssektion.
Auch im Sozialministerium begrüße man klare Regeln für die Lieferketten, sagt Theresa Pribasnig, die als Referentin dort die Aktivitäten gegen Menschenhandel und Ausbeutung bündelt. Ein Lieferkettengesetz schütze nicht nur die Arbeitenden vor Ort, sondern auch die KonsumentInnen hierzulande, sagt Pribasnig: VerbraucherInnen wollten schließlich wissen, was sie kaufen – und dafür brauche es Gesetze, die Unternehmen zu transparentem Handeln zwingen.
Bremsklotz: Wirtschaft und Ministerium
Wenn also schon zwei Ministerien für eine Regelung sind, warum gibt es sie nicht schon längst? “Die Wirtschaft sieht es kritisch”, sagt Kathrein, der betont, hier seine persönliche Meinung wiederzugeben.
Dass diese Kritik in der Politik Verständnis findet, zeigt Österreichs Vorgehen im UN-Menschenrechtsrat. Dort tüftelt eine Arbeitsgruppe an einem verbindlichen Vertragswerk für Unternehmen. Bisher kam nichts dabei heraus. Ein kundiger Insider, der nicht genannt werden möchte, erzählt, dass das durchaus auch an der wenig engagierten Arbeit der Österreicher liegt. Das Wirtschaftsministerium scheint nicht allzu sehr für das Thema zu brennen. Auch im Landwirtschaftsministerium dürften Ängste, dass höhere Mindeststandards etwa die Ausbeutung von ErntearbeiterInnen erschweren, eine Rolle spielen.
Wenig engagiert: So lässt sich auch Österreichs Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte beschreiben. Die Republik hat sich mit der Ratifizierung dazu entschlossen, einen „Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“ zu erstellen. Mehr als 50 Länder haben einen bereits solchen Aktionsplan – auch Deutschland. Österreich war bisher säumig und musste sich bei der letzten Menschenrechtsprüfung in Genf dafür schelten lassen.
EU arbeitet an Lieferketten-Richtlinie
Jetzt wird aber Brüssel aktiv. Noch im Sommer will die EU-Kommission einen Entwurf für eine Lieferketten-Richtlinie vorlegen, sagt Lucrezia Busa, Mitarbeiterin von EU-Justizkommissar Didier Reynders. Busa sprach am vergangenen Freitag auf einer Konferenz, die von der Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel gemeinsam mit IOM, Südwind und Clean Clothes veranstaltet wurde.
Die Richtlinie soll Konzerne verpflichten, ihre Lieferketten auf mögliche Unsauberkeiten bei Sozial- und Umweltstandards zu durchforsten. Tun sie das nicht oder beseitigen sie Mängel nicht, obwohl sie offenkundig werden, dann könnten sie für mehrere Jahre von öffentlichen Förderungen ausgeschlossen werden.
Ausnahmen für kleine Unternehmen
Unternehmen würden das skeptisch sehen, dabei wäre eine EU-Lieferkettenrichtlinie sogar zu ihrem Vorteil, sagt Kathrein. Sie würden dann im EU-Raum einheitliche Regeln vorfinden und sich nicht durch ein Dickicht diverser nationaler Lieferkettengesetze schlagen müssen, sagt der Sektionschef, der betont, hier seine persönliche Sicht wiederzugeben.
Vor allem die Industrie legt sich quer. Klein- und Mittelbetriebe, also die überwiegende Mehrheit der österreichischen Unternehmen, könnten sich im Rahmen der EU-Richtlinie ohnehin über vielfältige Ausnahmen freuen, deutet Kommissionsvertreterin Busa an.
Gefahr für gutes Lieferkettengesetz durch Konzerne
Bis die EU-Richtlinie in Kraft treten könnte, werden laut Kathrein mindestens fünf Jahre vergehen. Die Befürchtung, dass Industrielobbys den Kommissionsentwurf verwässern, ist bei zivilgesellschaftlichen Initiativen groß. Aber auch die Regierungen der Mitgliedsstaaten haben ein gewichtiges Wort mitzureden. Egal, wie ambitioniert der Kommissionsvorschlag ist: “Danach kann noch viel passieren”, sagt Kathrein.
Das war auch in Deutschland der Fall. Der Regierungsentwurf für das dortige Sorgfaltsgesetz wird derzeit im Bundestag debattiert – und kritisiert. Ursprüngliche Entwürfe seien auf Druck der Wirtschaftsverbände massiv verwässert worden, kritisiert die deutsche Initiative Lieferkettengesetz. Laut dem Deutschen Gewerkschaftsbund würde das Gesetz in der heutigen Fassung vorerst nur für 600 Unternehmen gelten – und auch für die nur lückenhaft.
Aufwind in Österreich
In Österreich gewinnt die Bewegung für ein Lieferkettengesetz aber an Unterstützung. Die Initiative Lieferkettengesetz macht sich für eine österreichische Regelung stark. Eine Petition fordert Regeln auf verschiedenen Ebenen, national und international, sie kann hier unterzeichnet werden. Die SPÖ-Abgeordneten Petra Bayr und Julia Herr legten im Nationalrat Anfang März einen Antrag für ein Lieferkettengesetz vor, der das Thema auch im Parlament ins Zentrum rücken soll.