Rassistische Firmenlogos in Österreich: Warum redet keiner mehr über M*****bräu?

Als ich den Salzburger Musiker und Regisseur Mwita Mataro frage, ob er mit mir über M.bräu sprechen möchte, zeigt er sich interessiert, aber auch skeptisch: „Welchen Zweck soll das Ganze haben? Es gibt seit Jahren Kritik an M.bräu, und nichts ändert sich.“
Mataros Film “Austroschwarz” läuft derzeit im Kino. Darin gibt es eine Szene, die im Gedächtnis bleibt: Mataro reist für ein Konzert nach Vorarlberg. In seinem Hotelzimmer steht prominent eine Flasche M.bräu. Er kannte die Marke damals nicht, doch sofort löste das Logo ein ungutes Gefühl aus. „Was macht eine Schwarze Person auf einem österreichischen Bier in Kombination mit dem M.Wort?“, fragt er. „Das fühlt sich degradierend an.“
Ein neues Logo, aber dieselbe Botschaft
Mit seiner Einschätzung, dass Kritik bislang zu wenig ernst genommen wurde, liegt Mataro richtig. Schon 2012 forderten Aktivist:innen mit der Kampagne „No Mohr“ eine Änderung des Logos – ohne Erfolg. Während der Black Lives Matter-Bewegung wurde der Druck schließlich so groß, dass M.bräu 2022 eine Logoänderung vornahm. Doch die brachte zu wenig Veränderung: Die kolonialistische Darstellung der Schwarzen Person wurde entschärft, das M.Wort und die Silhouette blieben bestehen.
Damals war die Empörung groß. Ein Black-Voices-Sprecher betonte, man fühle sich „enttäuscht und veräppelt“, wie der Kurier berichtete. Selbst Expert:innen, die an der Neugestaltung beteiligt waren, hielten das neue Logo weiterhin für rassistisch.
„Es hätte unzählige Möglichkeiten gegeben, das Logo anders zu gestalten. Dass man sich erneut und bewusst für das M.Wort und die Darstellung einer Schwarzen Person entschieden hat, kann kein Zufall sein“, sagt ZARA (Verein für Anti-Rassismus-Arbeit) heute. Die Kritik an M.bräu ist also genauso aktuell wie damals, sie braucht nur wieder Gehör.
Das Problem liegt nicht in der Absicht, sondern in der Wirkung
„Es gibt einen klaren wissenschaftlichen Rahmen, der zeigt, warum das M.bräu-Logo rassistisch ist“, erklärt ZARA. Das M.Wort ist nicht einfach nur ein veraltetes Wort, das aufgrund seiner Verwendung heute negativ verstanden wird. Das ist es definitiv auch. Aber es leitet sich laut sprachwissenschaftlichen Untersuchungen schon grundsätzlich aus dem Griechischen für „dumm“ und dem Lateinischen für „schwarz“ ab.
Die Kombination des Begriffs mit der Darstellung einer Schwarzen Person verstärkt die diskriminierende Wirkung, daran hat auch das neue Logo nichts geändert.
Die Brauerei rechtfertigt ihr Markenzeichen bis heute mit Tradition und Familiengeschichte. Der Gründer habe Johann Mohr geheißen, die Silhouette solle wohl den heiligen Mauritius darstellen – sicher sei man sich aber nicht. Auf der Website wird gleichzeitig betont, M.bräu stehe für Toleranz und braue Bier für Menschen aller Kulturen.
Tradition ist keine Begründung für Rassismus
Sowohl ZARA als auch Mataro zeigen im Interview kurz Verständnis für den historischen Nachnamen, machen aber klar: Spätestens die Verbindung von Wort und Bild mache das Logo rassistisch.
„Wenn Schwarze Personen sagen, dass dieses Logo gewaltvoll und verletzend ist, dann muss man das ernst nehmen. Und nur weil etwas vor hunderten Jahren akzeptiert wurde, hat es heute nicht mehr dieselbe Gleichgültigkeit“, gibt Mataro zu bedenken. Ob etwas rassistisch gemeint sei oder nicht, Familientradition hin oder her – all das spiele keine Rolle. Entscheidend sei, ob etwas als rassistisch wahrgenommen wird. Und die Deutungshoheit darüber liege eindeutig nicht bei einem Vorarlberger Bierhersteller mit einer weißen Chefetage, sondern bei Schwarzen Personen selbst.
„POC haben in Österreich ohnehin wenig Repräsentation“, ergänzt Mataro. „Dass man dann auch noch so großflächig, auf so eine herabwürdigende Art und Weise dargestellt wird, ist besonders schlimm.“
Vom Etikett in die Köpfe
Das M.bräu-Logo betrifft aber nicht nur Schwarze Personen, es beeinflusst auch, wie in Österreich mit Rassismus umgegangen wird: „Es reproduziert und normalisiert rassistische Sprache und Vorstellungen“, sagt ZARA. Das sei besonders problematisch in einem Land, in dem Rassismus ohnehin ein großes gesellschaftliches Problem ist. Die ständige Betonung von M.bräu, dass das Logo nicht rassistisch gemeint sei, führe zur Verharmlosung von Rassismus.
Auch Mataro sieht im Weiterbestehen des Logos eine Bestätigung xenophober Haltungen: „So eine große Marke wie M.bräu hat eine Wirkung auf die Gesellschaft. Sei es auf POC, die sich diskriminiert fühlen oder weiße Österreicher:innen, deren Rassimus es bestätigt“, gibt Mataro zu bedenken. Dieser Verantwortung müsse sich M.bräu bewusst sein.
Wenn Empörung zur Bequemlichkeit wird
Warum die Debatte mittlerweile so leise geworden ist, kann man sich an dieser Stelle durchaus fragen. Für ZARA ist die Antwort klar: „Dass es das Logo noch gibt, ist ein Zeichen für die Stellung Schwarzer Menschen in Österreich. Es fehlt an öffentlicher Empörung, besonders von der weißen Dominanzgesellschaft. Die ist seit Black Lives Matter stetig abgeflacht.”
Anti-Rassismus-Arbeit dürfe keine Aufgabe der Betroffenen allein sein. Es brauche wie auch bei anderen Diskriminierungsformen wie Sexismus oder Queerfeindlichkeit mehrfach privilegierte Menschen, die sich aktiv gegen Diskriminierung stellen. Auch Mataro sieht das so: „M.bräu betrifft nicht nur Schwarze Personen. Wer ein rassismusfreies Österreich will, muss sich einsetzen und laut werden. Wir müssen alle zusammenpacken.“
Wo bleibt die staatliche Verantwortung?
Während des Interviews mit Mataro, kommt auch mehrmals die Frage nach staatlicher Verantwortung auf: „Wie kann es sein, dass es ein solches Logo überhaupt noch geben darf? Gibt es keine Gesetze, die hier greifen müssten?“
Laut ZARA kann bei rassistischen Firmenlogos tatsächlich ein Verwaltungsstraftatbestand vorliegen, wenn jemand aufgrund der Hautfarbe, Herkunft, Religion und weiterer Merkmale diskriminiert oder daran gehindert wird, Orte zu betreten oder Dienstleistungen zu nutzen, die eigentlich für alle offenstehen.
In solchen Fällen kann eine Anzeige an die Bezirksverwaltungsbehörde erstattet werden, die dann eine Verwaltungsstrafe verhängen kann. Ob das bei M.bräu jemals passiert ist, bleibt unklar. Denn die für den Firmensitz zuständige Bezirkshauptmannschaft Dornbirn verweist auf Datenschutz und gibt dazu keine Auskunft. Fakt ist: Das Logo besteht weiterhin, und selbst der österreichische Werberat sah sowohl beim alten als auch beim neuen M.bräu-Logo keinen Grund zum Einschreiten.
Zuhören statt rechtfertigen
Wie Firmen auf Rassismuskritik anders als im Fall M.bräu reagieren sollten, ist für ZARA klar: „Wichtig ist, Betroffenen zu glauben, wenn sie sagen, dass ihr Logo verletzend ist und bereit zu sein, etwas zu verändern.“ Es gebe zahlreiche Expert:innen und Organisationen, die in Österreich zu Antirassismus arbeiten und dabei Unterstützung bieten können. Eine davon ist ZARA selbst: Werden bei ihnen rassistische Logos gemeldet, schreibt man erst einmal an die Firmen, benennt das Problem und macht Vorschläge für Verbesserungen.
„Wenn M.bräu wirklich für Toleranz und ein progressives Österreich steht, dann ist es spätestens jetzt Zeit, das Logo zu ändern.“, betont Mataro. „Es kann doch nicht so schwer sein, sich mit einer guten Werbeagentur zusammenzutun und ein neues Branding zu schaffen, das keinen verletzt?“
Veränderung ist möglich, wenn man will
Dafür dass Veränderung möglich ist und sich Firmen von rassistischen Logos lösen und trotzdem weiterbestehen, gibt es einige Beispiele: „Uncle Ben’s“ wurde zu „Ben’s Original“ oder die „Z*******sauce“ zur „Soße Ungarischer Art“.
In Österreich dagegen ist die Liste der Vorbilder kurz. Der Kaffeehersteller Julius Meinl änderte zwar das Logo am Standort im ersten Wiener Gemeindebezirk, behielt die Darstellung des Schwarzen Jungen ansonsten bei. Weshalb das neue M.bräu-Logo immer noch rassistisch ist und hier von keiner ausreichenden Veränderung gesprochen werden kann, ist klar geworden.
Auf fünf konkrete Pressefragen an M.bräu, antwortete der Bierhersteller mit einer pauschalen Antwort: Man sei sich der Situation bewusst, der Markenauftritt von M.bräu wäre ein kontinuierlicher, behutsamer Prozess, der Tradition und zeitgemäße Anforderungen in Einklang bringen müsse. Von abrupten Änderungen halte man nichts. Die konkrete Frage, ob eine Abänderung des Logos, die das M.Wort und/oder die Darstellung der Schwarzen Person entfernt, geplant ist, blieb unbeantwortet.
Die Gespräche mit ZARA und Mataro haben gezeigt, was es braucht: eine laute Zivilgesellschaft, die sich aktiv für ein rassismusfreies Österreich einsetzt und nicht länger akzeptiert, dass rassistische Logos wie jenes von M.bräu weiterhin in Österreich bestehen können.










