print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Klimakrise
Demokratie

Sind die Neos beim Klimaschutz nicht so gut, wie sie glauben?

Sind die Neos beim Klimaschutz nicht so gut, wie sie glauben?
Eine Umweltschutzorganisation nach der anderen ist gemein zu den Neos. Die eigene Vermarktung als angeblich sehr klimafreundliche Partei wird ihnen nicht einfach so geglaubt. Das grundlegende Problem könnte sein, dass die Neos zu gut darin sind, ihre Inhalte nicht allzu deutlich zu zeigen. Ein Kommentar von Tom Schaffer.

Keine Partei wird so gerne missverstanden, wie die Neos. Manche Leute zählen die Partei etwa zum Bestandteil von „linken“ Koalitionen. Gar nicht so wenige ihrer Wähler:innen glauben, das sind quasi eh Grüne. Dabei gibt es ein paar gesellschaftspolitische Überschneidungen dieser Parteien, aber die Neos sind keine Linken und Grünen, sie sind Neoliberale. Von Regulierungen und Umverteilung halten sie wenig. Wegen der Vermögenssteuer und Arbeitszeitverkürzungen, die bei SPÖ und Grünen im Programm stehen, haben sie etwa auch zu einer „Ampelkoalition“ mehrmals öffentlich „Nein“ gesagt.

Die Partei ist ein Nachfolger des „Liberalen Forums“ (das sich einige Jahre nach der Machtübernahme von Jörg Haider aus der FPÖ abgespalten hat) und wurde von ehemals ÖVP- und Wirtschaftskammer-nahen Menschen mitgegründet. Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger war etwa im Staatssekretariat einer ÖVP-Politikerin beschäftigt und politische Referentin der ÖVP Wien. Gründer Matthias Strolz war einst parlamentarischer Mitarbeiter des ÖVP Nationalratsabgeordneten Karlheinz Kopf.

Neoliberal sagt man nicht

Neoliberal, man kann das auch rechtsliberal, wirtschaftsliberal oder – in der Wortwahl mancher Funktionär:innen selbst – meinetwegen auch einfach „liberal“ nennen. Das ist zwar nicht anrüchig. Aber damit kriegt man in Österreich eher keine zehn Prozent bei Wahlen. Das scheint zumindest das mehrfache Antreten des Liberalen Forums gezeigt zu haben.

Die Neos sagen deshalb nicht so gerne, wie sie ideologisch ticken. (Der scheidende Abgeordnete Gerald Loacker ist vielleicht eine der ehrlichsten Ausnahmen.) Im Wahlprogramm etwa kommt das Wort „liberal“ etwa kaum vor. Zumindest nicht im Zusammenhang mit der Partei selbst.

Diese Uneindeutigkeit wird gewissenhaft gepflegt, weil sie für die Partei nützlich ist. Bei so manchem tiefergehenden Inhaltscheck kommt es dann aber raus. Dass die Neos eben keine „modernen Roten“ oder „bequemeren Grünen“ sind. Sondern Neoliberale, die Probleme meist mit dem Markt regeln wollen. 

Kritik angreifen: Ein langjähriges Muster

Und dann ähnelt sich die Reaktion der Neos immer wieder: Sie greifen diejenigen an, die es den Menschen klar machen. Das ist nicht neu. Vor über 10 Jahren bei einem privaten Blogeintrag von mir spürte ich es zum ersten Mal selbst. Ich hatte sie in einem Kommentar „rechtsliberal“ genannt (erklärt: wirtschaftspolitisch rechts, gesellschaftspolitisch liberal). Wie ein Wespennest waren sie getroffen und fielen auf Twitter darüber her. (Das muss man mir jetzt glauben, ich finde die Debatten nicht mehr.)

Ein Sprung zur aktuellen Nationalratswahl und es hat sich wenig geändert. Die Umweltschutz-Organisation „Global 2000“ hat einen Klimacheck gemacht. Die Neos schneiden darin schlechter ab, als sie gerne würden. Und das trifft sie hart. Sie versuchen ja bei jeder Gelegenheit, sich als die grüneren Grünen zu verkaufen.

Aber während etwa die Grünen in einem 112-seitigen Wahlprogramm quasi an allen Ecken und Enden auch den Klimaschutz mit besprechen, hat das gesamte Kapitel „Nachhaltigkeit“ der Neos exakt 3 Seiten voller Schlagworte, die teils viel oder gar nichts bedeuten können. „Global 2000“ hat einigen Punkten deshalb die Note „Nicht ablesbar“ vergeben, sogar wenn einzelne Stichworte im Programm vorkommen.

Das Hochwasser zeigt ganz deutlich: Die Klimakrise gefährdet unsere Lebensgrundlage. Sie macht solche Ereignisse wahrscheinlicher und extremer. Wir sollten dringend dagegen ankämpfen. In welchem Wahlprogramm stehen dafür konkrete Pläne? Das hat sich @global2000.bsky.social angesehen.

[image or embed]

— Moment.at (@moment.at) 16. September 2024 um 14:53

Wie kommt man aus fossilen Heizungen?

Ein Beispiel: Eine Frage ist der Ausstieg aus fossilen Energieträgern beim Heizen. Bei den Grünen gibt es im 3-seitigen „Raus aus Öl- und Gas“-Kapitel etwa eine halbe Seite Text. Bei den Neos sind es im Prinzip ein paar Stichworte und dort schwingt etwa noch die Freiwilligkeit des Heizungswechsels mit. Es soll eben der Markt machen und der wird das schon tun – auch wenn er es bisher stur noch nicht gemacht hat. Diese Kritik der Marktgläubigkeit und Skepsis darüber im Bezug auf wirksame Klimapolitik ist nicht neu – kommt etwa auch von Klimawissenschafter Reinhard Steurer.

Ein anderes Beispiel. Der Ausstieg aus fossiler Energie allgemein. Global 2000 fragte nach einem Klimagesetz, das dazu verpflichtet. Ein Gesetz kommt bei den Neos im Programm aber nicht vor. Das Thema wird mit diesen Worten abgehandelt: „Ausstieg aus fossilen Energiequellen, allen voran Gas aus Putins Russland.“ 

Jetzt heißt diese Einordnung nicht, dass die Neos in Wahrheit gegen den Ausstieg oder ein verpflichtendes Klimagesetz dazu sind. Sie haben ja im Check immerhin kein negatives Urteil bekommen. Und über das Urteil kann man auch bis zu einem gewissen Punkt diskutieren. Aber um zu einer anderen Einschätzung zu gelangen, muss man eben zumindest mehr Worte finden, als im Wahlprogramm stehen. Und genau das wurde geprüft.

Die Leute, die sich für Klimaschutz einsetzen, haben gesagt: Das, was im Wahlprogramm steht, das ist nicht ausreichend. Und das, obwohl sie die Parteien laut eigenen Angaben schon vor Monaten auf diesen Check und die Fragen hingewiesen haben. Die Neos haben das Recht, es anders zu sehen. Und niemand behauptet, dass sie eine jener Parteien seien, denen das Klima komplett wurscht zu sein scheint.

Angriff auf Medien und NGOs

Wir sagen: Das Urteil von Global 2000 ist nachvollziehbar – und vorher hätten wir ehrlicherweise auch gedacht, es sei nicht besonders kontrovers. Wir haben also über den Check der NGO in Posts auf Social Media berichtet. Mitarbeiter:innen, Abgeordnete und Social-Media-Fans der Partei ziehen jetzt los und unterstellen sowohl Global 2000 als auch uns Desinformation (und verbreiten dabei lustigerweise auch falsche Informationen über uns). Ein bemerkenswerter Umgang mit Kritik und Medien. Aber okay. Wir halten das aus.

Was wir aber wichtig finden: Das passiert alles nicht zum ersten Mal. Bei der EU-Wahl 2024 zum Beispiel gab es eine beachtlich ähnliche Diskussion. Damals hat das „Climate Action Network Europe“ der pinken Partei keine tollen Noten gegeben. Die Partei rückte aus: Nicht die eigene Verhaltensweise, sondern das Ranking sei das Problem – voll ungerecht. Zur selben Wahl schnitten die Neos auch noch beim WWF schlechter als Grüne und SPÖ ab. (Eine Reaktion darauf ist nicht bekannt.)

Reihenweise falsche Einordnungen

Nun ist es bei der Nationalratswahl Global 2000, das angeblich nicht gut genug arbeitet. Das ist schon die dritte Organisation vom Fach, die sich binnen weniger Monate in den Umwelt- und Klima-Absichten der Neos täuscht!

Und dann hat auch noch der ORF vor einigen Wochen mit Klima-Expert:innen einen Check der Programme gemacht, bei dem die Neos auch noch schlechter als die Grünen abschnitten. (Auch das war für Funktionäre „nicht nachvollziehbar„.)

Vielleicht sind diese Wertungen jetzt wirklich alle ungerecht. Vielleicht ist das immer ähnliche Feedback von verschiedensten unterschiedlichen Quellen aber auch Anlass dafür, dass man sich besser, klarer, zuverlässiger deklariert? Dass man angebliche Missverständnisse ausräumt und viel deutlicher sagt, wie wichtig einem das Thema ist und was genau man tun will? Vielleicht sollte man in seinem Wahlprogramm auch weniger offen und ungesagt lassen und Leute überzeugen, die sich intensiv mit dem Thema beschäftigen. Aber die Neos haben zum Beispiel bis zum heutigen Tag in diesem Wahlkampf das Wort „Klima“ auch noch auf kein Wahlplakat geschrieben.

Sagen, wer man ist

Man kann es auch anders machen. Dann spielt man das Spiel der Hunde, die bellen, wenn sie getroffen werden. Dann greift man wieder und wieder die Methodik und die Überbringer von unerwünschten Nachrichten an. Dann macht eben so weiter wie bisher. Offensichtlich ist das ja kein Zufall.

PS: Global 2000 hat seinen Check wegen eines Fehlers korrigiert. Die Analyse hatte eine Antwort der KPÖ nicht positiv genug gewertet. Die Einordnung der Neos bleibt unverändert.

Und: Dass die Kritik der Neos uns ihrerseits kritik- und erwiderungswürdig erscheint, heißt nicht, dass wir keine Fehler machen. Zur Verdeutlichung eines Punktes, den wir in der ursprünglichen Veröffentlichung der Grafik zu einfach wiedergegeben haben, haben wir die Grafik nach Auftauchen der Kritik überprüft, korrigiert, sie gelöscht und neu gepostet. Dieser Fehler entstand bei uns, nicht bei Global 2000.

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 0 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag!