Beratung gegen unmenschliche Arbeit: Kocher streicht kleines Projekt mit großer Wirkung
Die FFP2-Masken mit den roten Nasenklammern stehen für Betrug und Ausbeutung. Das Unternehmen Hygiene Austria hatte im großen Stil chinesische Masken umetikettiert und als österreichische Produkte verkauft. Arbeitnehmer:innen sollen falsch oder gar nicht angemeldet gewesen sein. Dass der Skandal rund um Hygiene Austria aufgedeckt werden konnte, ist auch einer kleinen Beratungsstelle zu verdanken.
Bei der ASOARBA, einem Projekt des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, beraten Erstsprachler:innen Menschen, die in Österreich arbeiten, aber kaum Deutsch sprechen auf Bulgarisch, Rumänisch, Russisch und Arabisch. Der Skandal um die Hygiene Austria hat für Aufsehen gesorgt. Aber auch im Kleineren deckt die Beratungsstelle unmenschliche Arbeitsbedingungen auf, betont der ÖGB. Etwa in der Erntehilfe oder auf der Baustelle. Und dass, obwohl das Team denkbar klein ist.
Kleines Team, große Wirkung
Drei Berater:innen arbeiten dort, zwei davon in Teilzeit. Gemeinsam haben sie in zwei Jahren mehr als 3.500 Beratungen durchgeführt. Eine davon ist die Juristin Milena Paneva. Sie berät Klient:innen auf Bulgarisch zum Arbeitsrecht, aber auch bei Themen wie Familienbeihilfe, Pension oder Aufenthaltsrecht. Paneva verbreitet das Angebot über die sozialen Medien in den Communitys oder über die jeweiligen Botschaften. Der Bedarf ist groß.
Da waren etwa zwei bulgarische Saisonarbeiterinnen, die als Zimmermädchen bei einem Tiroler Hotel ihr Geld verdient haben. Als die Corona-Krise kam, wurden sie vor die Tür gesetzt. Das Geld, das ihnen zustand, nicht bezahlt. 2.000 Euro schuldete der Hotelier den Arbeiterinnen. Milena Paneva übernahm den Fall, sammelte die Unterlagen, schrieb einen Brief an den Arbeitgeber. Mittlerweile liegt der Fall vor Gericht, die Arbeiterkammer übernimmt den Rechtsschutz für die Frauen.
Förderung wird fast völlig gestrichen
„Zu uns kommen Menschen in sehr prekären Arbeitsverhältnissen, die sich im österreichischen System noch nicht auskennen und für Institutionen schwer zu erreichen sind“, sagt sie. Bauarbeiter:innen, Reinigungskräfte, Saisonarbeiter:innen und 24-Stunden-Betreuer:innen kommen oft zur Beratung. Manche kommen immer wieder zu Paneva. „Oft mit besseren Jobs, Wohnungen und Deutschkenntnissen. Daran merke ich, wie viel unsere Beratung bringt.“
Foto: Milena Paneva
Trotzdem steht die Beratungsstelle jetzt vor dem Aus. Denn die Förderung fällt fast völlig weg. Statt 400.000 Euro für zwei Jahre sollen es nur noch 20.000 Euro werden.
Die alte Förderung kam vom Arbeits- und Sozialministerium. Unter der türkis-grünen Regierung wurde das Arbeitsministerium ausgegliedert. Minister Martin Kocher will in Zukunft nur noch 10.000 Euro beisteuern, weitere 10.000 Euro sollen vom Sozialministerium kommen. Gemeinsam sind das nur noch 5 Prozent der ursprünglichen Fördersumme. Wieso spart der Arbeitsminister dieses Projekt kaputt?
Kein Ersatz für Beratungsstelle
Martin Kocher begründet das in einem Statement an den ORF mit dem Budget, das durch die Corona-Krise belastet sei. „Dennoch steht nach wie vor ein ausreichendes mehrsprachiges Angebot zur Verfügung“, sagt Kocher. Aber stimmt das?
Kocher verweist auf die Arbeiterkammer und das AMS. Das AMS berät aber weder im Arbeits- noch im Aufenthaltsrecht. Bei der Arbeiterkammer sprechen keine Berater:innen Bulgarisch oder Rumänisch. Zwar werden Dolmetscher:innen per Video oder Telefon zugeschaltet, das sei aber kein Ersatz, heißt es auch aus der Arbeiterkammer.
Ein gleichwertiges Angebot scheint es also eben nicht zu geben. Bis zum Redaktionsschluss wurden die Nachfragen vom Arbeitsministerium nicht beantwortet.
„Wenn das Projekt nicht verlängert wird, verschwinden damit nicht die Probleme der migrantischen Menschen, die hier arbeiten“, sagt Beraterin Paneva und betont: „Nicht nur die Klient:innen profitieren, auch der Staat hat etwas davon, wenn wir aufdecken, dass Unternehmen zum Beispiel keine Sozialversicherungsbeiträge oder Steuern auf Arbeit bezahlt.“
Lohnraub kann sich auszahlen
Und das Problem wird größer: Immer mehr Unternehmen nutzen ein Schlupfloch, um der Kontrolle wegen Lohn- und Sozialdumping zu entgehen. Sie verweigern oder vereiteln die Kontrolle einfach. Mehr als 3.000 Mal wurden Unternehmen deswegen seit 2011 verurteilt. Das nehmen manche Firmen gerne in Kauf. Denn wer eine Kontrolle verweigert, zahlt bis zu 40.000 Euro Strafe – weit weniger als droht, falls Lohnraub oder Sozialbetrug entdeckt wird.
Ein neues Gesetz wird Lohndumping wird in Zukunft noch einfacher machen. Unternehmen werden nur noch einmal Strafe zahlen müssen, auch wenn sie beispielsweise 200 Mitarbeiter:innen um ihren Lohn geprellt haben.
Umso mehr braucht es Beratungsstellen, die gefährdete Arbeiternehmer:innen unterstützen und ihnen zu ihrem Recht verhelfen.