print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Demokratie

OMV-Gasvertrag mit Russland: Ein Staatsgeheimnis, das nicht einmal der Staat kennt

OMV-Gasvertrag mit Russland: Ein Staatsgeheimnis, das nicht einmal der Staat kennt
Die Erdgasstation der OMV in Baumgarten. Hier kommt das Gas der russichen Gazprom an. // Foto: C.Stadler/Bwag
Eine Komission soll prüfen, wie der Gasliefervertrag der OMV mit der russischen Gazprom gestoppt werden kann. Es ist ein überfälliger Schritt, um endlich von Putins Gastropf loszukommen. Bisher kennt Österreich den Vertrag nicht einmal. Die teilstaatliche OMV hält sie geheim. Das darf nicht sein. ÖVP und Wirtschaftskammer wehren sich - und stellen sich damit auf eine gefährlich falsche Seite.

Man muss es sich einmal vor Augen führen, und kann es dann kaum glauben. Da unterschreibt Österreichs teilstaatliches Öl- und Gasunternehmen OMV einen Vertrag über Gaslieferungen mit der russischen Gazprom – mit viel Getöse und im Beisein des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz. Der aber hat keine Ahnung, was da überhaupt vereinbart wird, und ist dennoch stolz auf sich.

Das war 2018. Heute weiß Österreichs Regierung noch immer nicht, was in dem Vertrag eigentlich drinsteht. Der regelt, dass die russische Gazprom auch von 2028 bis 2040 weiter Gas nach Österreich pumpen darf – mit Abnahmeverpflichtung. Die OMV gibt keinen Einblick in den absurd lang laufenden Vertrag und hütet ihn wie ein Staatsgeheimnis. Nur, dass der Staat das Geheimnis gar nicht kennt.

OMV-Vertrag mit Gazprom: In Putins Würgegriff

Jetzt ruft die Grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler eine Kommission ein. Sie soll prüfen, ob es möglich ist, aus dem Gasliefervertrag auszusteigen. „Einzelne Mitglieder“ dieser Kommission sollen dann auch in den Vertrag schauen dürfen. Unter „strengen Sicherheitsvorkehrungen“ natürlich. Der Vertrag soll nur in Papierform gelesen werden dürfen. Die Inhalte müssen streng vertraulich behandelt werden.

Gewesslers Schrittchen ist zu wenig und er kommt zu spät. Aber es ist mehr als alles, was Österreich bisher getan hat, um endlich aus dem Liefervertrag rauszukommen, der Österreich an russisches Gas fesselt. Das allein ist traurig genug.

Vor zweieinhalb Jahren marschierte Russland in die Ukraine ein. Also noch offensichtlicher und weiter als schon seit 2014. Putins Angriffskrieg läuft noch immer. Die EU und einzelne Staaten setzten Sanktionen in Kraft. Unternehmen zogen sich aus Russland zurück. Zahlreiche Länder schafften es, sich aus dem Würgegriff des russischen Gases zu lösen. 

Was wir Russland fürs Gas zahlen, erfahren wir nicht

Nur Österreich nicht. Im Mai 2024 kamen 90 Prozent des importierten Gases aus Russland. Österreich ist derzeit damit noch abhängiger von Putins Gas als zu Beginn des Krieges.  

Die Verträge der OMV mit Gazprom wurden nicht angetastet. Österreichs Regierung bemühte sich nicht einmal, sie zumindest einmal zu Gesicht zu bekommen. Dabei hätte sie das längst tun können. Die Ministerin beruft sich auf Artikel 14 der sogenannten SOS-Verordnung der EU. Die gilt seit 2017. Absatz 7 darin ermöglicht es, Einblick in die Gaslieferverträge zu nehmen. Und zwar dann, wenn die Versorgungssicherheit gefährdet ist. 

Allerdings abzüglich eines nicht ganz unerheblichen Punktes: Angaben zu den Preisen, die für das russische Gas gezahlt werden müssen, darf Österreich nicht einsehen. Das schließt die EU-Verordnung tatsächlich wörtlich aus.

Österreichs Versorgung mit russischem Gas ist zweifellos gefährdet. Allein schon, weil das Gas über Pipelines nach Österreich fließt, die durch die Ukraine führen. Ende 2024 läuft die Vereinbarung darüber aus. Es ist beinahe ausgeschlossen, dass die von Russland überfallene Ukraine sie verlängert.

Ob umgesetzt wird, was die Kommission empfiehlt, wenn sie denn etwas empfiehlt? Das darf schon jetzt angezweifelt werden.

Ende des Jahres will die „Gas-Unabhängigkeitskommission“ einen Abschlussbericht vorlegen. Das Schicksal von Abschlussberichten ist oft, dass sie anschließend in einer Schublade verstauben. Ob umgesetzt wird, was die Kommission empfiehlt, wenn sie denn etwas empfiehlt? Das darf schon jetzt angezweifelt werden.

Besonders dann, wenn Ende des Jahres eine anders besetzte Regierung im Amt ist. Zur Erinnerung: Der Vertrag mit Gazprom wurde unter einer schwarz-blauen Koalitionsregierung abgeschlossen. Von ÖVP und FPÖ zu erwarten, dann aus dem von ihnen befürworteten Vertrag auszusteigen, ist beinahe denkunmöglich.

OMV-Chef: Solange Gazprom liefert, kaufen wir

Von der OMV – sie gehört zu 31,5 Prozent der Republik Österreich – war und ist nicht zu erwarten, dass sie irgendetwas tut. Solange Gazprom liefere, werde Österreich deren Gas kaufen, sagte OMV-Chef Alfred Stern im Juli vergangenen Jahres der Financial Times. Dabei scheint es nicht so, als hätte die OMV 2018 einen besonders cleveren Deal mit Gazprom eingefädelt.

Zumindest eine Klausel des Vertrages ist bekannt: “Take-or-Pay” heißt diese. Was Gazprom liefert, muss die OMV auch zahlen. Egal, ob sie das Gas überhaupt benötigt. Gazprom darf sich also auf garantiertes Geld aus Österreich freuen, und das bis 2040. Es ist zu fragen, welche anderen Unternehmen freiwillig solche Verträge unterschreiben – und dann nicht die erste Gelegenheit nutzen, da wieder rauszukommen.

Um die Versorgungssicherheit kann es nicht gehen. Die OMV selbst brüstete sich, ausreichend Alternativen zu haben. Im Mai gab es ein kompliziertes Gerichtsurteil. Dessen Details blieben weitgehend im Dunkeln. Aber: Gazprom wurde zu einer Geldzahlung an ein nicht genanntes Energieunternehmen verdonnert. Wenn Gazprom nicht zahlt, würde das Unternehmen die Strafe möglicherweise bei der OMV einfordern. Das ginge, weil Österreichs Energieriese der Gazprom Geld für Gaslieferungen schuldet. Mögliche Folge: Gazprom sperrt der OMV den Gashahn zu.

OMV könnte aus russischen Gas aussteigen – will aber nicht

Da beruhigte die OMV aber schnell: Das Unternehmen habe andere Quellen für Gas. Die Versorgung Österreichs sei gesichert. Das heißt im Klartext eines: Die OMV könnte aus russischem Gas aussteigen, aber sie will es augenscheinlich nicht. Rechtlich mag das alles möglich sein. Die OMV ist formal ein privates Unternehmen. Nur nötig war es mit Sicherheit nicht. 

Bei Verträgen, die für Österreich und letztlich alle hier lebenden Menschen so starke Auswirkungen haben, kann es nicht angehen, dass die Republik nicht einmal in Grundzügen weiß, was da eigentlich vereinbart wird. Auch wenn Wladimir Putin für nichts als Vorbild gelten kann: Es ist davon auszugehen, dass er genau weiß, was Gazprom und OMV da unterzeichnet haben.

Letztlich finanzieren wir Russlands Angriffskrieg in der Ukraine, sobald nur die Gastherme an der Wand anfängt zu bollern. Das schmerzt ungemein.

Und selbst wenn der Gasliefervertrag vielleicht nicht ganz so unvorteilhaft ist: Gibt es da nicht auch eine moralische Verantwortung und Verpflichtung, mit dem Kriegstreiber Russland keine Geschäfte mehr zu machen? Stattdessen wirft Österreichs teilstaatliches Energieunternehmen der Gazprom das Geld hinterher und finanziert damit Russlands Kriegsmaschinerie mit. Letztlich finanzieren so alle Menschen in Österreich Russlands Angriffskrieg in der Ukraine, sobald nur die Gastherme an der Wand anfängt zu bollern. Das schmerzt ungemein. 

Was auch schmerzt und wie Hohn klingen muss: Die Gaslieferverträge seien “in bester vorausschauender Absicht” geschlossen worden, sagte die ÖVP-Energiesprecherin Tanja Graf jetzt. Doch vorausschauend war hier gar nichts. Im Jahr 2018 standen russische Truppen bereits seit vier Jahren in der Ukraine. Die Spannungen zwischen Russland und den Staaten der EU und des westlichen Militärbündnis NATO schaukelten sich längst hoch. 

Zu erwarten, dass Russland bis 2040 zumindest als Geschäftspartner taugen würde, war schon damals weltfremd. Wer dann auch noch Gaslieferverträge mit Abnahmeverpflichtung abschließt oder sie auch nur gut heißt, macht klar: Der Ausstieg aus fossilen Rohstoffen und die Energiewende sind nicht wichtig.

WKO hofiert Russland und Gazprom weiter

Geradezu absurd liest sich, was die Wirtschaftskammer jetzt fordert. Österreich müsse rechtliche Schritte einleiten, was die Gasverträge angeht. Aber nicht die mit Gazprom, wo kämen wir da hin? Nein, Österreich müsse vielmehr dafür sorgen, dass die Ukraine gefälligst weiter russisches Gas nach Österreich durchleitet – auch wenn damit Russlands Krieg finanziert wird. 

Österreich müsse rechtlich gegen die sogenannte Gasspeicherumlage in Deutschland vorgehen. Die war vom Nachbarland eingeführt worden, um Energieunternehmen dazu zu bringen, ihre Gasspeicher zu füllen. Gewünschte Folge: weniger Gasabhängigkeit von Russland. Laut Wirtschaftskammer aber eine “unverhältnismäßige Belastung” österreichischer Unternehmen.

“Schnellstmöglich” müssten rechtliche Schritte eingeleitet werden, damit europäische Energieunternehmen KEINE Schadensersatzansprüche gegen Gazprom geltend machen können. Das immer wiederkehrende Argument der WKO dafür, Russland und Gazprom weiter zu hofieren, lautet: Versorgungssicherheit. Also die Versorgungssicherheit, die laut OMV gar nicht gefährdet ist – selbst wenn Russland den Gashahn zudreht. Man sollte fragen, auf welcher Seite die WKO hier eigentlich steht.

Weiterlesen zum Thema

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 0 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag!