Studierende aus Drittstaaten: Arbeit zwischen Bürokratie und Ausbeutung
Seit vier Jahren lebt sie nun hier. So wie Sara kommen jedes Jahr tausende Studierende aus Drittstaaten nach Österreich. 16.000 von ihnen waren 2019 zum Studium zugelassen. Der Weg von dem ersten Antrag, über Zulassung zum Studium und schlussendlich der Aufenthaltsbewilligung ist lange – und mühsam. Wenn der erst einmal geschafft ist, fahren sie ein meist alleine in ein völlig fremdes Land.
Bürokratie und Wartezeit bei der Arbeitserlaubnis
Sara hat damals einen Platz in einem Wohnheim gefunden. Mit ihrer Zimmergenossin verstand sie sich aber nicht gut. Bald wollte die Mongolin in eine WG, in ein eigenes Zimmer ziehen, so wie es viele der Studierenden in Wien machen. Doch dafür brauchte sie mehr Geld und damit auch einen Job.
Viele Studierende aus Drittstaaten müssen arbeiten, um sich das Leben in Österreich leisten zu können. Das ist aber nicht einfach. Zuerst müssen sie sich beim AMS melden. Unternehmen müssen dann eine „Beschäftigungsbewilligung“ beantragen, um sie anstellen zu können. Die Bearbeitung kostet 34 Euro und dauert bis zu sechs Wochen. So lange können oder wollen viele Unternehmen nicht warten.
Die Erfahrung hat auch Sara gemacht: „Gerade in der Gastronomie muss es meistens schnell gehen.“ Es sei so schon nicht so einfach einen Job zu finden, die Bewilligungen und die Sprachbarriere erschweren es zusätzlich. Und es ist begrenzt, für wie viele Stunden die Studierenden beschäftigt werden dürfen.
20 Stunden für Studierende aus Drittstaaten
Studierende wie Sara dürfen bis zu 20 Stunden in der Woche arbeiten. Wer mehr arbeiten muss, muss sich vom AMS prüfen und gesondert bewilligen lassen. Es darf den Studienerfolg aber nicht gefährden. An dem hängt nämlich der Aufenthaltstitel.
Sara fand eine geringfügige Anstellung in einem Restaurant – ein Familienbetrieb. Dreimal die Woche arbeitete sie dort für vier Stunden, für rund 400 Euro. Damit konnte sie noch nicht einmal ihre Miete bezahlen. Deshalb brauchte sie nach zwei Jahren einen zweiten Job – und fand ihn in einem weiteren Lokal. Dort bekam sie zu den 8 Euro pro Stunde aber weder Trinkgeld noch eine soziale Absicherung: Sie arbeitete undokumentiert über die Geringfügigkeitsgrenze.
Arbeitssperre: Es gibt viele Grauzonen
Peter Marhold hat als Experte in Fremdenrecht schon viel erlebt. Er berät Studierende für die Österreichische HochschülerInnenschaft. Laut Marhold gäbe es nicht nur perfekt angemeldete Studierende auf der einen Seite und völlig undokumentierte Arbeit auf der anderen – es gäbe alle Grautöne dazwischen, „die Bürokratie macht es möglich”.
So würden einige ArbeitgeberInnen zwar die Anstellung bei der Sozialversicherung melden, aber keine Beschäftigungsbewilligung beantragen. Passiert das zweimal, gibt es eine Arbeitssperre für die Studierenden. Das passiere oft bei Catering-Unternehmen, weil die ihre MitarbeiterInnen meist nur tageweise anmelden.
Sara ist das noch nicht passiert. Sie kündigte die Arbeit im zweiten Restaurant nach einem halben Jahr: Die Chefin war streng, die Arbeitstage lang und für all das bekam zu wenig Geld. Sie hat Glück, denn sie hat genug gespart und kann außerdem im Notfall noch auf die Unterstützung ihrer Familie zählen.
Schlechte finanzielle Lage
Das können nicht alle. Viele sind auf ihre Arbeitserlaubnis angewiesen. Insgesamt ist die finanzielle Lage von Studierenden aus Drittstaaten nicht gut. Das war das Ergebnis eines Berichts des Instituts für Höhere Studien 2015. Laut Martin Ungar habe sich das bis heute nicht geändert. Er ist einer der AutorInnen der Studierenden-Sozialerhebung.
Außerdem seien rund 40 Prozent der Studierenden aus Ländern mit Nicht-Deutscher Muttersprache besonders stark von finanziellen Schwierigkeiten betroffen. 20 Prozent davon geben als Grund eine fehlende Arbeitserlaubnis an. Nur eine Gruppe ist laut den Studierendenreport 2019 noch häufiger von Geldprobleme betroffen: AlleinerzieherInnen.
Wie die Arbeitsbedingungen für Studierende aus Drittstaaten besser regeln?
Studierendenberater Marhold sieht bei der 6-wöchigen Wartefrist und dem vergleichsweise hohen bürokratischen Aufwand bei den Arbeitserlaubnissen in Österreich Verbesserungspotential. Er wirft einen Blick nach Deutschland: „Da steht gleich hinten am Aufenthaltstitel drauf, wie viele Stunden sie arbeiten dürfen“.
Tatsächlich dürfen im Nachbarland Studierende aus Drittstaaten 120 Tage pro Jahr arbeiten, ohne zusätzliche Genehmigung. Das erspart Behördenwege und die Wartefrist für Unternehmen. Jobs mit Universitätsbezug sind davon auch noch ausgenommen. Als TutorInnen oder AssistentInnen dürfen hier Studierende mehr Stunden arbeiten.
Im Gegensatz zu Marhold ist der Pressesprecher des AMS Wien auf Nachfrage von MOMENT mit dem derzeitigen System in Österreich zufrieden. Er schätzt den Aufwand als „überaus vertretbar“ ein.In Wien arbeiten aktuell rund 4000 Studierende aus dem EU-Ausland mit einer aufrechten Beschäftigungsbewilligung. Sara ist aktuell keine von ihnen. Sie konzentriert sich auf ihre nächste Prüfung und wartet auf die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels. Danach will sie sich wieder auf die Suche nach einer ArbeitgeberIn machen, die sie anstellen möchte.
Update 27.10.2020: In einer älteren Variante dieses Beitrags wurde zwischen Bachelor- und Master-Studierenden unterschieden. Demnach dürften Studierende im Bachelor nur 10 Wochenstunden arbeiten, jene im Master 20 Stunden. Das war falsch: Die Regelung wurde bereits 2018 geändert. Seitdem gibt es keine Unterscheidung mehr.